Körmöczi Katalin szerk.: Führer durch die historische Ausstellung des Ungarischen Nationalmuseums 3 - Vom Ende der Türkenkriege bis zur Millenniumsfeier - Die Geschichte Ungrans im 18.-19. Jahrhundert (Budapest, 1997)

SAAL 14. Dulden, Ausgleich und Aufschwung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Katalin Körmöczi - Edit Haider)

49. Das silberne Tintenfaß des Protokollführers im Abgeordnetenhaus des Reichstages von 1861, Graf Béla Keglevichs, 1861 des Landtages im Drehbuch. Das Abge­ordnetenhaus des 1861 zusammengetre­tenen Landtages stand auf der Basis von 1848, manche seiner Mitglieder hatten sich auch die Forderungen der Emigration zu eigen gemacht. Die Emigration rechnete mit dem Ausbruch des italienisch-öster­reichischen Krieges als einer außenpoli­tischen Unterstützung. Im Abgeordnetenhaus des Landtages kam es zu zwei Gruppierungen, der von Lász­ló Teleki geführten Beschlußpartei und der Adreßpartei unter Ferenc Deák. László Teleki (1810-1861) war nach in der Emigration verbrachten Jahren ins Abgeordnetenhaus gekommen (Abb. 48). Er vertrat den Standpunkt der Emigra­tion und beantragte dessen Unterbreitung in Beschlußform. Die von Ferenc Deák geführte Adreßpartei bekannte sich zu einem Ausgleich auf 1848er Grundlage und zum Prinzip der Überwindung der Gegensätze und beantragte die Veröffent­lichung ihrer Bedingungen in der zwi­schen Herrscher und Parlament traditio­nellen Kontaktierungsform, der Adresse. An diesem Kristallisierungspunkt der Prinzipien kam die Nachricht vom Aus­bleiben des italienischen Angriffes. Da erarbeitete László Teleki noch sein radi­kales, für den Hof unannehmbares Pro­gramm, verübte aber Selbstmord, als die­ses keine Unterstützung bekam. Den auf der Pragmatica Sanctio (1723) und dem von den 1848er Gesetzen gege­benen Rahmen beruhenden ersten Adreß­vorschlag betrachtete Franz Joseph als majestätsbeleidigend und verweigerte seine Annahme. Zur gleichen Zeit wie der ungarische Landtag traten der serbische Kongreß in Karlóca (Sremski Karlovci), der rumäni­sche in Balázsfalva (Blaj) und der slowa­kische in Túrócszentmárton (Martin) zu­sammen. Der ungarische Landtag ernann­te einen Sonderausschuß zur Nationalitä­tenfrage, dessen Programmerarbeitung das Prinzip der Gleichberechtigung der Na­tionalitäten deklarierte. Der zweite Adreßvorschlag von Ferenc Deák gelangte aufgrund einhelligen Be­schlusses des Abgeordnetenhauses nach Wien. Auf diese Weise hinterließ der mit­tels Militärbefehl aufgelöste Landtag (Abb. 49) eine in bestimmtem Ton gehal­tene Adresse seitens der Deák-Partei und eine neue radikale Gruppierung, hervor­gegangen aus der Beschlußpartei. Ebenso wie in der Periode des passiven Widerstandes gaben auch während des Pro­visoriums Ferenc Deáks Worte das Prog­ramm: „Wenn geduldet werden muß, wird die Nation dulden, damit sie für die Nach­welt jene konstitutionelle Freiheit rettet, die sie von unseren Ahnen geerbt hat ..." Ferenc Deák übernahm immer mehr die Rolle des Führers, des „Weisen des Vater­landes" und des „Vaters des Vaterlandes",

Next

/
Thumbnails
Contents