Körmöczi Katalin szerk.: Führer durch die historische Ausstellung des Ungarischen Nationalmuseums 3 - Vom Ende der Türkenkriege bis zur Millenniumsfeier - Die Geschichte Ungrans im 18.-19. Jahrhundert (Budapest, 1997)

SAAL 10. Ungarn im 18. Jahrhundert (Gábor Németh - Eszter Aczél)

SAAL 10 Ungarn im 18. Jahrhundert Das 18. Jahrhundert war nach den Zer­störungen der hundertfünfzigjährigen Tür­kenherrschaft die Periode des langsamen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Wiederaufbaus. Das Land leb­te unter der Regierung der Habsburger­herrscher innerhalb der in Ostmitteleuro­pa auch weiterhin als entscheidender Groß­machtfaktor geltenden größeren Reichs­einheit. Dieses Leben war bestimmt von der auch durch die ungarischen Stände an­genommenen Pragmatica Sanctio (Gesetz Nr. I —11/1723) und von der Landtagsge­setzgebung der Jahre 1710-1720 und spä­ter dann von dem Rahmen, den die zu­nehmend von den Aufklärungsideen er­füllten Verordnungen des Herrschers bil­deten. Das Haus Habsburg mußte nach dem En­de des Spanischen Erbfolgekrieges auf den spanischen Thron verzichten. Der Schwer­punkt des gewaltigen Reiches verschob sich von den unsicheren westlichen Ge­bieten in die Donauprovinzen, wodurch sich die Bedeutung des wieder zur terri­torialen Einheit gewordenen Königreichs Ungarn erhöhte. Bei der Sicherung der Zukunft der Dynastie spielte die Festle­gung der Erbfolgeordnung innerhalb der Familie die wichtigste Rolle. Die Aner­kennung des im Falle des Aussterbens im Mannesstamme die Vererbung in weib­licher Linie garantierenden Geheimver­trags der Familie (1703) und dann des Pragmatica Sanctio genannten Hausge­setzes (1713) bildete die Basis der Politik des Hauses Habsburg, deren Einfluß auf Ungarn zwar mit Unterbrechungen, aber doch bis 1918 von bestimmender Bedeu­tung war. Als deutsch-römischer Kaiser der VI. und als ungarischer König brach Karl III. (1711-1740) im Interesse des Frie­dens von Reich und Land mit der gewalt­samen absolutistischen Politik seiner Vor- 19 ganger. Die 1712-1715 und 1722-1723 tagenden Landtage schufen die Basis der neuen politischen Einrichtung. Karl III. erkannte die Selbständigkeit des König­reichs Ungarn, seine territoriale Unver­sehrtheit und die Tatsache an, daß es sei­nen eigenen Gesetzen entsprechend und durch seine eigenen politischen Institu­tionen regiert werden müsse. Die Dop­pelheit von feudalem Ständewesen und zentralistischem Absolutismus, der stän­dische Dualismus, blieb also weiter be­stehen. Die obersten Organe der ungari­schen Verwaltung waren die Regierungs­stühle (dicasterii). Der höchste war die ungarische königliche Kanzlei, 1723 wur­de der Statthaltereirat unter dem Palatin geschaffen. Die Finanzen, Bergwerke und Einkünfte des Ärars verwaltete die unga­rische königliche Kammer. Das höchste Machtorgan der Stände war der Zwei­Kammer-Ständetag (Diät), die lokalen autonomen Organe des Adels waren die Komitate. Nicht unter ihre Hoheit gehör­ten die königlichen Freistädte und privi­legierten Gebiete (Jazygien-Kumanien, Heiduckenstädte). Die Rechtsprechung wurde von der Septemviral- und der kö­niglichen Tafel (königliche Kurie), den Bezirkstafeln, Komitats- und städtischen Gerichten und in Leibeigenenangelegen­heiten von den Patrimonialgerichten ver­sehen. Die Macht der feudalen Grund­herren über die unter ihrer Hoheit stehen­den Leibeigenen blieb im wesentlichen bis zur Urbarialregelung unverändert er­halten. Kroatien verfugte über eine auto­nome Organisation, und Siebenbürgens politische Struktur basierte auf der tradi­tionsreichen Union der drei privilegierten „Nationen" (ungarische, sächsische und Szekler-). Maria Theresia erhob Sieben-

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