H. Kolba Judit szerk.: Führer durch die historische Ausstellung des Ungarischen Nationalmuseums 2 - Von der Staatsgründung bis zur Vertreibung der Türken - Die Geschichte Ungarns im 11.-17. Jahrhundert (Budapest, 1997)
SAAL 4 - Dörfer und Städte in der zweiten Hälfte des 15. und am Anfang des 16. Jahrhunderts (Piroska Biczó)
SAAL 4 Dörfer und Städte in der zweiten Hälfte des 15. und am Anfang des 16. Jahrhunderts Am Warenaustausch im mittelalterlichen Europa nahm Ungarn mit seinen Rohstoffen und Lebensmitteln teil. Anfanglich beruhte die Rohstoffausfuhr auf der Produktion der ungarischen Erzgruben, mit dem Anstieg des Rinderhandels und des Weinexports beteiligte sich die Landwirtschaft jedoch mit einem ständig höher werdenden Anteil am Außenhandel. Ausgehend von dieser Wirtschafts- und Handelssituation blieb Ungarn das ganze Mittelalter hindurch ein Agrarland, und dies drückte seinen Siedlungen und der Siedlungsstruktur den Stempel auf. Am Anfang des 15. Jahrhunderts waren die bedeutendsten Städte nach der im Landesinneren befindlichen Hauptstadt Buda jene, welche entsprechend der Richtungen des Außenhandels in der Nähe der westlichen und nördlichen Landesgrenzen lagen. In Gebieten von der Größe ganzer Landesteile, wie Südtransdanubien und die Große Ungarische Tiefebene, gab es keine Städte. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts führte der gestiegene Agrárexport zu einer Verschiebung des Schwergewichts, die letztendlich auch der Grund für den Aufstieg von Buda und Pest war. Székesfehérvárs Bedeutung erhöhte sich. Der königliche Marktflecken Szeged, inmitten eines riesigen Gebietes ohne Urbanisation, stieg 1498 in die Reihe der königlichen Freistädte auf. Gleichzeitig setzte der Niedergang der Städte im westlichen Grenzstreifen ein. Eine gesonderte Gruppe bildeten die Bergstädte, und wichtige wirtschaftliche und kulturelle Zentren waren die sächsischen Städte im Südostteil des Landes. Ihr Außenhandel richtete sich vor allem auf die rumänischen Woiwodschaften. Bei der Abwicklung des Warenaustausches kleinerer Gebiete spielten die Grundherrenstädte, die über unterschiedliche Privilegien, das Recht der Markt- und Messenabhaltung verfügenden Marktflecken eine Rolle. Ihre Bevölkerung beschäftigte sich vor allem mit Landwirtschaft. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts war dann nicht mehr der Anstieg der Zahl der Marktflecken, sondern ihr Erstarken bezeichnend. Dies deutet die Seelenzahl dieser Siedlungen und das Wachstum ihrer Handelsbedeutung sowie der Anteil der Handwerker von 19-20 % an. DORF UND MARKTFLECKEN Der größte Teil der Bevölkerung des Landes lebte in Dörfern. Mit der Verbreitung der Feldwechselwirtschaft verschwanden bis zum 15. Jahrhundert die weit ausgedehnten, locker strukturierten Siedlungen. Statt ihrer entstanden Dörfer mit in Straßenzeilen - häufig allerdings nur in eine aufgereihten Häusern. Das einzige steinerne Gebäude des Dorfes, aber oftmals auch des Marktfleckens, war auch noch im 15. Jahrhundert die Kirche, eventuell das Pfarrhaus und - wenn vorhanden - die Kurie (Herrenhaus) oder das Schloß des Grundherrn. Im 15. Jahrhundert wurden die aus den früheren Jahrhunderten stammenden Kirchen des Dörfer und vor allem der Gutszentren und Marktflecken umgebaut und erweitert, wie dies auch das gotische Sakristeifenster der Kirche des kleinen Dorfes Sarvaly bezeugt. Größe, künstlerisches Niveau und Beziehungen der Kirchen in den Siedlungen wurden durch die wirtschaftliche Kraft und das Repräsentationsbedürfnis des Grundherrn sowie durch die Einwohnerzahl bestimmt. Das Modell des zur Zeit der türkischen Feldzüge in den 1530-1540er Jahren zerstörten kleinadligen Dorfes Sarvaly im Komitat Zala wurde durch die vollständige archäologische Freilegung des Dorfes ermöglicht. Die Lebensweise der Kleinadligen im Besitz einer Hufe unterschied sich kaum von der der in Leibeigenenbindung lebenden Dorfbewohner, ja wurde von der eines für den Markt produzierenden Leibeigenen sogar noch übertroffen. Die Wohnhäuser in Sarvaly waren sämtlich Mehrraum-