Kemenczei Tibor: Studien zu den denkmälern skythisch geprägter alföld gruppe (Inventarta Praehistorica Hungariae 12; Budapest, 2009)
Zur Forschungsgeschichte
Simon Kézai notierte die Sage vom Wunderhirsch so, dass er die Erzählung aus dem im 6. Jh. verfassten historischen Werk vom Bischof Jordanes von Ravenna mit der damaligen ungarischen Volkstradition vermischte. Mehrere mittelalterliche Chroniken (wie die Wiener Bilderchronik, die Buda Chronik, dann die Chronik von János Turóczy, bzw. von Bonfini), sowie auch das 1517 erschienene Tripartitum von István Werbőczy übernahmen die Sage, die Überlieferung vom hunnischen Ursprung, in dem sie die Überlieferung von der Urheimat in Skythien, die Tradition von der hunnischen Abstammung im Ursprungsbewusstsein des ungarischen Adels verwahrten. Zur Blütezeit der nationalen Romantik im 19. Jh. wurde diese Theorie weit verbreitet. Seitdem blieb diese Lehre - zwar umstritten - bis heute in weiten Kreisen bekannt und anerkannt. Dazu trugen auch die Ergebnisse der archäologischen Forschungen bei. Neben den streng sachlichen, wissenschaftlichen - archäologischen, historischen - Werken entstanden auch solche Theorien, die mit den Skythen angefangen, über die Hunnen, Sarmaten, Awaren ganz bis zu den Ungarn das kontinuierliche Präsenz von Völkern östlichen Ursprungs im Donau-Theiss-Gebiet annahmen. 1 Die ersten ungarländisehen Funde skythischer Prägung wurden im Jahre 1870 von Jenő Nyáry veröffentlicht. Er ließ in Piliny in Nordungarn ein großes Gräberfeld freilegen und publizierte aus den zum Vorschein gekommenen Funden Haarringe und einen mit Tierfigur verzierten Spiegelgriff in der Zeitschrift Archaeologiai Értesítő. Nach diesem Fundort wurde die spätbronzezeitliche Piliny-Kultur in Nordungarn benannt. Die spätbronzezeitlichen Urnengräber und die Bestattungen der Skythenzeit wurden auf dem Borsos-Berg ausgegraben. 1898 gelangte die archäologische Sammlung von Jenő Nyáry ins Ungarische Nationalmuseum. Neben den oben erwähnten Stücken sind die skythenzeitlichen Funde von Piliny in der Sammlung durch Tonstempel, bronzene Pfeilspitzen, Eisenäxte, Messer, Glasperlen, und einige kleine Tongefäße vertreten (Taf. 169-175). Auf Grund dieser Angaben müssen Gräber in großer Anzahl ausgegraben worden sein. 2 1876 wurde in Budapest ein internationaler Kongress für Archäologie veranstaltet. Im Rahmen des Kongresses wurde eine Ausstellung organisiert, in der 1 HOMAN 1925, 34^17; GYÖRFFY 1958, 23. 93-97. 139O 140. 158; KRISTÓ1995, 194. 277. 348. 2 NYÁRY 1870, 125; PATA Y 1955,61. 3 HAMPEL 1876, 120-129. 4 HAMPEL 1893; 385-407; REINECKE 1897, 1-27. 5 JÓSA 1899. auch skythenzeitliche Funde gezeigt wurden. Darunter stellte man einige Fundstücke von Piliny, sowie der in der Umgebung von Szirmabesenyő ans Tageslicht gelangte Akinakes (Taf. 79, 1 ) aus, welchen das Nationalmuseum ankaufte. 3 Die Erscheinung von zwei großen Aufsätzen in den 1890er Jahren kündet die nächste Periode der Forschung an. P. Reinecke und József Elampel veröffentlichten mehrere in Siebenbürgen und in Nordungarn freigelegte Funde (Piliny, Szirmabesenyő), welche sie als Denkmäler der ins Gebiet von Ungarn eingewanderten Skythen bestimmten. 4 1889 kamen in Nyíregyháza bei den Bauarbeiten der kommunalen Schlächterei die Gräber eines großen skythischen Urnenfeldes zum Vorschein (Taf. 49-51). Ein Teil des zahlreichen Keramikfundes wurde von András Jósa, dem Direktor des Stadtmuseums gerettet, und in einer handschriftlichen Arbeit dargelegt. 5 1895 veröffentlichte Béla Posta aus den Gräbern von Hatvan - Boldog zum Vorschein gekommene Gegenstände skythischen Typs, so Eisenäxte, Bronzespiegel, Armringe, Tongefäße (Taf. 20-21). Es sind hier auch die Eisenradreifen eines Wagens ans Tageslicht gelangt, die aber zu den an diesem Fundort freigelegten keltischen Bestattungen gehört haben sollten. 6 Anfang des 20. Jh. wurden auch vom Territorium Transdanubiens als skythisch bestimmte Funde veröffentlicht, und zwar die in Mihályfa zum Vorschein gekommenen Rasseln mit Tierfigur. 7 Zu dieser Zeit erschien der Aufsatz von Géza Nagy über die Skythen 8 , und ebenfalls er berichtete über die Grabfunde von Bercel (Tiszabercel, Taf. 91, 3-8). 9 In Gyöngyös rettete 1907 Lajos Márton aus für skythisch gehaltenen Bestattungen zum Vorschein gekommene bronzene Rasseln mit Tierfigur, Eisentrensen, Lanzenspitzen, AkinakesfTaf. 147, 9-18, Taf. 148-151). 10 Ebenfalls Lajos Márton publizierte den in Gyoma, aus einem Hügelgrab ausgegrabenen Goldschatzfund, den er als skythisch bestimmte. 11 Die Forschung stellte später von diesem Fundgut fest, dass es aus der vorskythischen Zeit stammt. Hier ist ein wichtiges Fundstück der Skythenzeit vom Ost-Karpatenbecken zu erwähnen, obwohl es nicht im Gebiet des Alföld, sondern im Gebiet der Kustanovice-Gruppe in Kárpátalja (jetzt ukrainische Transkarpatien) im Jahre 1914 zum Vorschein gekommen ist. Es handelt sich um eine Hydria aus Bronze von dem Fundort Bene (Dobrosilja). Die Hydria 6 POSTA 1895, 1-26. 7 DARNAY 1901, 369-372. 8 NAG Y 1909. 9 NAGY 1915, 135-136. 10 MÁRTON 1908, 37-54. 11 MÁRTON 1905, 234-240.