Kolba H. Judit: Liturgische Goldschmiedearbeiten im Ungarischen Nationalmuseum. 14.-17. Jahrhundert. (Catalogi Musei Nationalis Hungarici. Series Mediaevalis et Moderna 1; Budapest, 2004)
EINFÜHRUNG
Die schon publizierten liturgischen Bronzegegenstände, die selbstverständlich organische Ergänzungen der jeweils in den Kirchen vollzogenen Riten waren, wiederhole ich in diesem Katalog nicht: ein Teil der Kreuze, Räuchergefäße und Altarleuchter wurden schon im Bronzekatalog veröffentlicht. Im Übrigen ist das Material der Gegenstände nebensächlich, hier war nur ausschlaggebend, ob sie eine Rolle bei den liturgischen Handlungen spielten. Objekte, die zwar in den Trümmern von Kirchen zum Vorschein kamen, aber nicht zum liturgischen Gebrauch bestimmt waren, wie z. B. der Duftstoff döschen der Jankovich-Sammlung aus den Ruinen der St. Nikolauskirche von Nagyszombat, wurden nicht aufgenommen. Auch Brustkreuze und einige reich geschmückte Schnallen von Pluvialen (Prälatenmänteln), die eindeutig als Schmuck getragen wurden, sind hier nicht behandelt, ebenso wie die Rosenkränze aus dem 17. Jh., da die mit ihrer Hilfe verrichteten Gebete nicht strikt zur Liturgie gehörten. Weggelassen wurden mehrere Stücke, auf denen zwar biblische Szenen vorkommen oder kirchliche Persönlichkeiten dargestellt wurden, wie z. B. der Melanchton-Humpen, 2 da wir keinerlei Angaben darüber besitzen, daß sie ungeachtet ihrer profanen Form mit der Schatzkammer irgendeiner Kirche in Verbindung gebracht werden könnten. Der Aufbau des Katalogs folgte der Gruppierung der Gegenstände: Innerhalb der Gruppen sind die Stükke chronologisch geordnet. Zuerst werden die Kelche behandelt, die den größten Teil der Objekte ausmachen: In die Zeitspanne zwischen dem 14. und dem 17. Jh. gehören 68 Stück. Der Gebrauch der Kelche hängt eng mit dem der Patenen zusammen (20 St.), doch gibt es in der Sammlung nur wenige Kelche und Patenen, deren Zusammengehörigkeit nachweisbar ist; wegen ihres ständigen Gebrauchs wurden sie sehr oft voneinander getrennt. Deshalb werden die beiden Objekttypen getrennt voneinander beschrieben - selbstverständlich wird gegebenenfalls auf die Zusammengehörigkeit hingewiesen. In wesentlich kleinerer Anzahl sind in der Sammlung Ziborien (5 St.) und Monstranzen (9 St.) vertreten, der Grund dafür dürfte sein, dass diese Objekte - besonders die Monstranzen — auch heute noch in Gebrauch sind. Eine verhältnismäßig schöne Kollektion bilden die Kreuze (14 St.). Danach folgen unsystematisch weitere liturgische Objekte, die meist nur durch je ein Exemplar vertreten sind (26 St.). Den Schluss bildet die verhältnismäßig große Gruppe von Gegenständen, die aus protestantischen Kirchen stammen (31 St). Den Großteil von ihnen bilden Gefäße von profaner Form, die den neu gegründeten, ziemlich armen Kirchen von ihren protestantischen Patronen geschenkt wurden, wohlhabenden Stiftern aus dem Adel oder dem Bürgerstand. Einige Objekte sind schmucklose Stücke im Geiste des Puritanismus, die nachweisbar auf protestantische Bestellung verfertigt wurden. Anzumerken ist, daß mehrere Kelche in der ersten Gruppe geblieben sind, obwohl den aus protestantischen Kirchen stammenden Goldschmiedearbeiten ein besonderes Kapitel gewidmet ist. Diese Kelche stammen nämlich aus dem Mittelalter (Nr. 3, 5, 10, 22, 26), sie sind also nur im ständigen Gebrauch, zusammen mit den Kirchen, im 16.-17. Jh. an die Protestanten gekommen. Eine Ausnahme bildet der Brözer-Kelch (Nr. 56), der nach Auskunft seiner Inschriften von dem großen protestantischen Fürsten Georg I. Rákóczi in Auftrag gegeben worden war, aber auf Grund seiner Form und außerordentlich reichen Dekoration dennoch zu den Kelchen des 17. Jh gehört. Kelch und Patene von Csenger (Nr. 137) werden dagegen im letzten Kapitel behandelt, diese wurden in ungewöhnlicher Größe und Form bereits für den protestantischen Gottesdienst verfertigt. Da die liturgischen Gegenstände oft mit Inschriften versehen sind, hielt ich es für angebracht, die Buchstaben, Heiligennamen und Inschriften der gotischen Kelche ebenso wie die Texte der protestantischen Objekte, bestehend aus längeren oder kürzeren, hauptsächlich biblischen Zitaten, getrennt voneinander zu behandeln, da in vielen Fällen auch die Form der Buchstaben bei der Zeitbestimmung behilflich sein kann. Die Übersetzung der lateinischen Sprüche folgt der Luther-Bibel, aber die Inschriften entsprechen nicht immer genau den Bibeltexten. Auch die Abkürzungen können nicht vollständig entziffert werden, da die Texte viele Fehler enthalten, die zumeist aus der Unkenntnis der lateinischen Sprache stammen. Für die Goldschmiede waren diese Bibelsprüche und sogar die Namen von Maria und Jesus einfach eine eingravierte Dekoration, und so entsprechen die Abkürzungen auch nicht den Regeln. Natürlich kann die Zahl der einzelnen Objektgruppen die Menge der in den verschiedenen Zeitspannen tatsächlich verwendeten liturgischen Gegenstände nicht repräsentieren, da die Zahl der in Kirchen aufbewahrten Goldschmiedearbeiten in Wirklichkeit viel größer war. Dieser Katalog enthält nur den Sammlungsbestand eines einzigen Museums bzw. nur einen Teil desselben. Glücklicherweise ist jedoch eine sehr große Menge liturgischer Objekte an ihrem ursprünglichen Ort erhalten geblieben, teils in den Kirchen des heutigen, teils in denen des historischen Ungarn. Viele wurden in den Stürmen der Geschichte, während der katastrophalen Kriegsereignisse, aber auch in Feuerbränden vernichtet. Infolge des lange unveränderten liturgischen Gebrauchs trennten sich nur recht wenige Kirchen von