Kolba H. Judit: Liturgische Goldschmiedearbeiten im Ungarischen Nationalmuseum. 14.-17. Jahrhundert. (Catalogi Musei Nationalis Hungarici. Series Mediaevalis et Moderna 1; Budapest, 2004)
EINFÜHRUNG
EINFUHRUNG Fast unmittelbar nach der Gründung des Ungarischen Nationalmuseums wettfeierten aristokratische und bürgerliche Familien darin, dem ersten Museum des Landes wertvolle Schenkungen zukommen zu lassen. Nebst archäologischen, im Boden verborgenen Schatz- und Münzfunden sowie Raritäten der Zeit bereicherten den Bestand des Museums immer mehr mittelalterliche Gegenstände, darunter auch liturgische Schätze. In Kirchen sorgsam gehütete, doch bereits durch neuere ersetzte Stükke oder als antik geltende Gegenstände in Familienkapellen des Hochadels, wertvolle Goldschmiedearbeiten im Besitz protestantischer Kirchen, die zur Zeit ihrer Gründung dorthin kamen, darunter viele ursprünglich profane Objekte, die aber für kirchliche Zwecke verwendet wurden, gelangten schon in die ersten, provisorischen Magazine und noch mehr dann - von 1846 an - ins neue Gebäude des Nationalmuseums. Das in 150 Jahren gewaltig angewachsene Material wurde mehrmals umfassenden Umgestaltungen unterworfen. Die größte Veränderung brachte die Neuordnung des Jahres 1936, als von dem Material aus dem Mittelalter und der Neuzeit lediglich die ungarischen oder mit Ungarn in Verbindung stehenden Gegenstände im Nationalmuseum blieben und die Objekte ausländischer Herkunft dem Kunstgewerbemuseum übergeben wurden. Bei einer erneuten Umgestaltung im Jahre 1952 entstanden aus der ehemaligen Historischen Sektion die Mittelalter- und die Neuzeitabteilung. Eine der größten Sammlungen der Mittelalterabteilung war - neben den Funden aus Ausgrabungen mittelalterlicher Fundstellen - die der Silber- und Goldschmiedearbeiten. Da damals die Trennungslinie mit dem Jahr 1700 gezogen wurde, gehören zu ihr auch die Goldschmiedearbeiten seit der Nachlandnahmezeit, d. h. des 11. Jh., bis zum Ende des 17. Jh. Ich durfte für genau 40 Jahre Kuratorin dieser einmalig reichen Sammlung sein und möchte in diesem Katalog eine der größten Gruppen dieser Sammlung vorstellen, die kunstvollen liturgischen Gegenstände des Museums. Die zeitlichen Grenzen dieser Arbeit sind dadurch gezogen, dass die frühesten liturgischen Objekte der Sammlung aus dem 14. Jh. stammen und der Katalog mit den spätesten Gegenständen der Sammlung schließt, also jenen, die am Ende des 17. Jh. verfertigt worden waren. Wo es möglich war, vermerkte ich selbstverständlich die Umstände des Erwerbs, den Namen des Verkäufers oder Schenkers, die Herkunft der Objekte (z. B. Jankovich-Sammlung 1 ). Leider ist der alte Aktenbestand des Nationalmuseums sehr mangelhaft, besonders viele Akten fehlen bezüglich der im 19. Jh. erworbenen Objekte. Wo es also keine entsprechenden Aktennummern gibt, bedeutet dies, daß die Umstände des Erwerbs trotz langer Nachforschung nicht geklärt werden konnten. In vielen Fällen wissen wir, aus welcher Kirche die Gegenstände stammen, doch warum sie dem Museum oder einem Vermittler verkauft wurden, war nicht immer zu ermitteln. Eine bedeutende Gruppe der liturgischen Gegenstände ist die der herausragenden Zeugnisse der mittelalterlichen Bronzekunst, die sowohl hinsichtlich ihres Materials als auch ihrer Technik eine scharf abgesonderte, einheitliche Gruppe bilden. Diese bearbeitete Zsuzsa Lovag 1999 in dem ausführlichen Katalog der Sammlung (LOVAG 1999). In ihrer Arbeit befinden sich die als Schmuck ebenso für den weltlichen Gebrauch wie auch für die Liturgie verwendeten Objekte. Die Fortsetzung und Ergänzung ihrer Arbeit bildet vorliegender Katalog, in dem ich die bei liturgischen Handlungen verwendeten mittelalterlichen Goldschmiedearbeiten der Sammlung vom 14. bis zum 17. Jh. zusammenfaßte. Da in der zweiten Hälfte der behandelten Periode die Reformation im Gebiet Ungarns bekanntlich sehr verbreitet war, werden im Katalog alle Werke der Goldschmiedekunst angeführt, die aus protestantischen Kirchen ins Nationalmuseum gelangten, unabhängig davon, ob sie einst zusammen mit den vormals katholischen Kirchen geerbt worden waren oder erst in den Besitz der bereits reformierten bzw. evangelischen Gemeinden kamen.