Kolba H. Judit: Liturgische Goldschmiedearbeiten im Ungarischen Nationalmuseum. 14.-17. Jahrhundert. (Catalogi Musei Nationalis Hungarici. Series Mediaevalis et Moderna 1; Budapest, 2004)

DIE LITURGIE UND IHRE OBJEKTE

(Nr. 107). Anmutig einfach und einmalig in unserer Samm­lung ist das frühere Kreuz von Poprád (Nr. 105), dessen Fuß auch mit einer Reihe von gravierten Heiligen ge­schmückt ist: der Vir Dolorum, die hl. Jungfrau, St. Ka­tharina, St. Barbara, St. Margarete und St. Dorothea unter Baldachinen. Sehr schön mit seiner einzigartigen Ver­zierung ist das Standkreuz von Nagyszombat, dessen Rückseite völlig von den gravierten Symbolen der Lei­den Christi ausgefüllt wird: Dornenkranz, Zange, Ham­mer, Hahn auf der Säule, Nagelgeißel, Rutenbündel, Handwaschbecken und Krug mit Tuch, Leinenkleid, drei Würfel, Fahne, Leiter, Ysop und Hammer (Nr. 113). Sel­tener wurden auch gegossene Heiligenbilder auf den Standkreuzen befestigt: Symbole der Evangelisten (Nr. 110,113), einmal auf durchsichtigem grünen Emailgrund, auf der Vorderseite des Kreuzes Nr. 106. Auf den Rück­seiten finden sich auch Darstellungen des Englischen Grußes und das Bild von St. Margarete (Nr. 106), die Statuette von St. Agnes unter Rosetten (Nr. 110) und auf der des späteren Kreuzes von Poprád in der Mitte die hl. Jungfrau, auf der Mondsichel sitzend (Nr. 105). Emaillierung kommt nur auf zwei Stücken vor: in den Pässen der schon erwähnten Nr. 106 in durchschei­nender Form und auf der gesamten Rückseite des späte­ren Kreuzes von Poprád eine späte Variante des Draht­emails: fast nur angedeutete Blumen und Blätter, spär­lich verstreut, in dunklen Farben. Ein Meisterzeichen findet sich nur auf einem einzi­gen Kreuz, auf dem von Nagyszombat: das Stadtzeichen mit Zapfen und der Buchstabe „B", das Zeichen des Meisters Benedictus (KŐSZEGHY 1936, Nr. 1493, 1509a). Das Kreuz wird von der evangelischen Kirche als Symbol verwendet, in der reformierten Kirche hat es kei­ne liturgische Funktion. Somit gehören die Standkreuze im Katalog zur katholischen Liturgie und werden bei der Ausstellung der meisten Sakramente gebraucht. Selbstverständlich kommt das Kreuz als Attribut vie­ler Heiliger vor. Märtyrer halten in den meisten Fällen auch ein Kreuz in der Hand, und zwar jene, die den Mär­tyrertod am Kreuz starben (Petrus mit dem umgekehrten Kreuz, Andreas mit dem schrägstehenden, Philippus mit dem T-förmigen Kreuz). St. Helena fand das Kreuz, St. Antonius der Eremit vertrieb die Dämonen damit, Maria von Ägypten pilgerte zum Heiligen Kreuz nach Jerusa­lem, Margarete von Antiochien besiegte mit dem Kreuz den sie versuchenden Drachen, St. Monika erscheint mit dem Rosenkranz und dem Kruzifix. Bei den Tugenden finden wir ein Kreuz in der Hand des Glaubens. In sym­bolischen Darstellungen hält die Kirche ein großes Kreuz in der Hand, und das Kreuz ist auch das Symbol des Alten und des Neuen Testaments. SONSTIGE LITURGISCHE GEGENSTÄNDE (KAT. NR. ii6-i33) In einer gesonderten Gruppe werden die Gegenstände dargestellt, die nur in ein bis zwei Exemplaren in unse­rer Sammlung vorkommen. Sie gehörten direkt zu den liturgischen Handlungen, hatten aber alle verschiede­ne Funktion. Hostienbehälter wurden zur Aufbewahrung einiger Hostien gefertigt. In früh frühchristlicher Zeit brachten die Gläubigen Brot und Wein mit in die Kirche zur Erin­nerung an das Brotbrechen (Liturgikus lexikon 2001, 164). Im 11. und 12. Jh. wurde das ungesäuerte Brot, d.h. die kleine Hostie aus Wasser und Mehl, zum Symbol des Corpus Christi. In der hl. Messe konsekrierte der Priester die Hostien und hob einige von ihnen immer für die Kranken und Sterbenden auf. Sie lagen früher in einer Pyxis und im 15. Jh. in einer kleinen, runden Dose (Nr. 118-119). Die konsekrierte Hostie wurde in Behältern, Reisebüchsen (Nr. 116) am Hals aufgehängt mitgeführt oder in kleinen Custodien mit Fuß aufbewahrt. Eine Vorschrift für ihr Material gab es nicht, die im Katalog enthaltenen sind aus Silber bzw. vergoldetem Silber. Ihre Verzierung ist verschieden: auf dem Deckel und der Vorderseite der kleineren ist der Englische Gruß bzw. das Agnus Dei dargestellt. Der größere Hostien­behälter ist von hervorragender Qualität; auf dem Dek­kel umrahmt einer der schönsten Blumenkränze des frü­hen Drahtemail, mit der Jahreszahl 1451 datiert, die durchbrochene Vir Do/orwra-Darstellung in der Mitte. Die Hostie ist in der katholischen Kirche ein häufi­ges Attribut der Heiligen: St. Antonius von Padua, St. Bernhard von Clairvaux (der mit Hilfe des Altarsakra­ments missionierte), St. Paschalis und Onofrius emp­fanden tiefe Ehrfurcht vor dem Altarsakrament. Die zwei Messkännchen von Nagyvárad (Nr. 120) gehören zu den wichtigsten Zeugnissen der ungarischen und europäischen Goldschmiedekunst. Das die ganze Oberfläche bedeckende Filigrangeflecht, die getriebene Birnenform ihrer Körper und Füße sind überragende Kunstwerke. Einmalig schön sind ihre Relationen, ihr graziler Ausguss und die Kreuzblumen auf dem Deckel. Die Kännchen haben in der Messliturgie seit je eine organische Funktion: In dem einen wurde der Wein (vinum) aufbewahrt, den der Priester in den Kelch goss und in das Blut Christi verwandelte. In dem anderen be­fand sich das Wasser (aqua), von dem ein Teil gleich­falls in den Kelch gegossen wurde, während man den Rest zum Händewaschen während der Messe verwende­te (Liturgikus lexikon 2001, 164). Deshalb stehen auf dem Deckel der kleinen Kännchen in tiefblauem Email die Buchstaben „V" bzw. „A". Liturgische Regeln für

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