Kolba H. Judit: Liturgische Goldschmiedearbeiten im Ungarischen Nationalmuseum. 14.-17. Jahrhundert. (Catalogi Musei Nationalis Hungarici. Series Mediaevalis et Moderna 1; Budapest, 2004)

DIE LITURGIE UND IHRE OBJEKTE

das Material sind auch hier nicht bekannt, da sie mit dem Altarsakrament nicht in Berührung kommen. Im Allgemeinen waren sie aus vergoldetem Silber, doch wurden im Laufe der Jahrhunderte auch viele dekorati­ve Kännchen aus Glas hergestellt. In Reliquiaren - lateinisch reliquiarium - wurden die Überreste der Gebeine oder Kleidungstücke von Hei­ligen aufbewahrt. In den früheren Jahrhunderten waren es manchmal Kopf-, Arm- und Fußreliquiare, später ahmten sie die Monstranz nach oder waren kreuzförmig. Das einzige Reliquiar der Sammlung (Nr. 123) ist mit Verzierungen der Frührenaissance bedeckt: Auf dem hohen Fuß sitzt ein kugelförmiger Nodus mit reichem Rankenmuster, darüber ein rundes, von hinten zu öff­nendes Döschen in der Form einer Prälatenagraffe des 15. Jh. Besonders schön sind in der Mitte der Vorderseite die gegossenen Statuetten der hl. Jungfrau, St. Barbaras und eines heiligen Bischofs. Auf der Rückseite ist die aus Perlmutt geschnitzte Statuette St. Georgs wegen ih­res ungewöhnlichen Materials interessant. Leider wis­sen wir nicht, wessen Reliquien darin aufbewahrt wur­den. Wir kennen aber durch das gravierte Spruchband mit der Jahreszahl 1500 den Namen seines Besitzers, Balázs Besztercei. Damit ist dieses Reliquiar eine der wenigen mittelalterlichen Goldschmiedearbeiten, deren Herstellungszeit und Auftraggeber bekannt sind. Des weiteren wurden zwei Hausaltärchen in diese Gruppe aufgenommen, da diese kleinen Altäre aus Kas­sa nämlich Zeugnisse eines häuslichen Privatgottes­dienstes gewesen sein dürften (Nr. 121-122). Nur weni­ge ähnliche Gegenstände sind bekannt. Das Material ist im Allgemeinen bemaltes Holz, bei diesen sind die im Inneren mit Nieten befestigten, aus Silberblech ge­triebenen Szenen des Englischen Grußes bzw. der Pieta bemerkenswert und sehr qualitätvoll. Von dem besser erhaltenen Altärchen sind auch die zwei Flügel erhal­ten geblieben, mit den namentlich genannten gemal­ten Figuren der Propheten Jesaja und Hesekiel. Die kleinen, aus dem Kloster von Csíksomlyó 1914 ins Museum gekommenen Statuetten gehören zusam­men. Wegen ihrer verhältnismäßig geringen Größe von 6 und 11 cm ist ihre liturgische Rolle nicht eindeutig. Für einen Altar sind sie zu klein, möglicherweise waren sie Teile eines größeren Goldschmiedewerkes. Ihr Ma­terial ist vergoldetes Silber. Das prachtvollste ist ein Kruzifix, mit einem kunstvoll bearbeiteten Korpus, am Fuß die Stauetten von Maria und St. Johannes. Auf der Rückseite ist ein polnischer Name eingraviert, Parochus Stanislaus Lopitowski. Die übrigen Statuetten stehen auf einheitlich kleinen, späteren Holzsockeln. Die wei­teren Stücke der zufällig erhalten gebliebenen Gruppe sind die gekrönte Gestalt der Jungfrau Maria mit Au­reole, eine Statuette Christi mit der Osterfahne, ein Hei­liger im Priestergewand und zwei Engel. Auch zwei Klingeln werden hier beschrieben. Die Klingel ruft die Gläubigen während der Messe bei ge­wissen betonten Teilen (vor der Wandlung bzw. wäh­rend der Elevation) zur gesteigerten Andacht auf. Doch Klingeln wurden auch bei Prozessionen verwendet und am Beginn der Messe, beim Einzug des Priesters und der Ministranten sowie beim Segnen mit der Monstranz. Das Material ist größtenteils Bronze, gelegentlich Silber. Die Form ist immer glockenförmig, Unterschie­de gibt es höchstens in der Form des Mantels: der eine weitet sich in einem stärkeren Bogen. Die Klingel hat immer einen Haltegriff unterschiedlicher Länge, ent­weder aus demselben Material oder aus Holz gedrech­selt. Eine der Klingeln (Nr. 125) verewigt auch den Namen des Herstellers: Petrus Cheineus - sicher ein verschriebener Name - und die Jahreszahl 1573 und trägt die Inschrift „O mater dei memento mei" - „Mut­ter Gottes, gedenke meiner/' Wir kennen die Herkunft dieser Klingel nicht, die Silberklingel (Nr. 126) wurde von den Dominikanern von Kassa vermittelt. Zu der Sammlung gehören zwei schöne Taufgar­nituren. Taufkanne und Becken spielen die Hauptrolle bei der Austeilung des Tauf Sakraments. Das Weihwasser wird aus der Kanne auf den Kopf des Täuflings gegossen und unten in einem großen Becken aufgefangen. In den früheren Jahrhunderten gab es keine speziellen Tauf­garnituren, im Allgemeinen wurde die bei der Hand­waschung verwendete Kanne gebraucht, und das Wasser floss auf eine Patene oder in eine andere runde Schüssel. Die Renaissancekunst formte Gefäße der folgenden Form: eine Kanne mit ovalem Köiper, reich verziertem Henkel und Ausgussrohr, und ein großes ovales Becken mit eben­solcher Randverzierung wie die Kanne. Die Kanne stand im Allgemeinen auf der mit einem Rand in der Größe der Kannensohle versehenen Basis in der Mitte des Beckens. In Augsburg wurde um 1600 die reich mit Engels­köpfen und Fruchtgirlanden verzierte Garnitur (Nr. 127) geschaffen, deren Meister - Tobias Kramer (Angaben aus der Zeit 1613-1634) - sogar identifiziert werden konnte (SELING 1980, Nr. 1277). Viel einfacher, spärli­cher verziert ist die Garnitur aus Vágújhely (Nr. 128), das Meisterzeichen konnte nicht identifiziert werden, doch wahrscheinlich entstand sie in einer nahe gelegenen Werkstatt Oberungarns. Das Wappen des Propstes von Vágújhely Jakab Haskö auf dem Boden des Beckens er­leichtert die Identifizierung. Ein Einzelstück ist der Hirtenstab, gleichfalls mit dem Wappen von Jakab Haskö (Nr. 129). Der Hirtenstab ­lateinisch baculum - wies ursprünglich auf die Pflicht der hohen Geistlichen hin. die ihnen anvertraute Herde

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