KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE II. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 5. (Budapest, 1944)
Zweiter Abschnitt: Romanische Weltanschauungs-elemente im Totentanz
- 75 nennt. Ich werde dadurch wieder unwillkürlich an jenen Zauberorganiolus zu Oxford erinnert, wo die einzelnen Kettenreihen der Zahlen „modica mors", „magna mors", „modica vita", „magna vita" heissen. Bei Hrotsvitha finden sich auch altgermanische Weltanschauungselemente. Der Kaiser Hadrian stellt an die Mutter Sapientia Fragen, wie die Riesen und Götter in den Wissensdichtungen der Eddalieder. In dem Drama „Fall und Busse Marias, der Nichte des Einsiedlers Abraham" kommt die germanische Auffassung von der Zauberkraft des Namens zum Ausdruck. In den Eddaliedern haben die Götter die verschiedensten Namen und die einfache Nennung dieser „Zaubernamen" sollte nach altgermanischer Weltanschauung die Götter magisch zwingen, jene Handlungen auszuführen, welche ihnen in den betreffenden Zaubernamen zugemutet werden. Selbst Hildebrand und Hadubrand sind infolge dieses schon in ihrem Namen geoffenbarten Schicksalszwanges dazu prädestiniert, in den Kampf miteinander einzugehen, obwohl der Vater seinen Sohn schon erkannt hatte. Nun erklärt in diesem Drama der Nonne Hrotsvitha der Einsiedler Ephrem der keuschen Maria, der Nichte des Einsiedlers Abraham, dass sie schon unter dem Zwange ihres Namens „Maria" seit Uranfang für das keusche und heilige Leben der Einsiedler bestimmt war : „Mein Töchterlein, da mit Maria, der Gottesmutter, des Namens geheimnisvolles Band dich verknüpft, da hell du am Firmamente leuchtest unter den ewig blinkenden Sternen, so würde es dir gar übel lassen, wenn du, nicht des geringsten Verdienstes tüchtig, wolltest auf Erden wandeln unzüchtig." — Aber Maria antwortet: „Ich weiss nichts von des Namens geheimnisvollem Band ..." — Da antwortet Ephrem : „Maria, weisst du, kommt von maris Stella ; und um des Meeres Stern das ganze Weltall kreist, um ihn Gott alle Völker wandeln heisst". Maria also, der „Stern des Meeres", spielt hier die Rolle der „Weltsäule", um welche das Weltall kreist . .. Und so versteht es auch Maria, was der Einsiedler damit gemeint hatte ! Sie antwortet : „Ein erhabener Ehrenstand ist es schon — der Mensch verglichen dem Sternenglanz !" —Dass aber der Begriff der „Weltachse" oder „Weltsäule" sogar zu Zeiten Hrotsvithas noch immer mit dem Begriff der „Himmelsleiter", d. h. mit dem „überirdischen Seelenweg" identisch wurde, der über die Planetenkreise zum Besitze der Gottheit führt, und den die Seele nach dem Tode ebenso durchwandern muss, wie die „Philologie" auf ihrem Hochzeitszuge, dies beweisen die weiteren Erklärungen des Einsiedlers Ephrem, welche er gleich auf den soeben zitierten Ausruf als eine weitere Offenbarung der Geheimnisse des vom Namen zum Ausdruck gebrachten magischen Bandes der Nichte des Einsiedlers Abraham gibt : „Wenn reine Jungfrau stets du bleibst, wirst du den Engeln Gottes gleich und Endlich ihnen beigesellt" ... Auf der „Himmelsleiter" nämlich, auf welcher die Seele von Engeln zu Gott emporgeleitet wird . . . „Sobald des Körpers schwere Last" — sagt weiter Ephrem, — „du abgeworfen hast, dann wirst du den Äther durchdringen, durch die Lüfte zum Himmel dich schwingen, den Tierkreis durchteilen (!), nirgend im Fluge verweilen (denn nur die Seele eines Sünders wird von den bösen Geistern auf diesem „überirdischen Seelenwege" aufgehalten !), bis der Jungfrau Sohn an die liebende Brust dich schliesst, in seiner Mutter Gemach dich Himmelslicht umfliesst". 1 Es sei nur nebenbei erwähnt, dass ein Drama Hrotsvithas „Die Auferweckung Drusianas, und des Calimachus" Geschichte erzählt. Diese Geschehnisse wurden in jenen apokryphen Johannesakten zuerst bearbeitet und im ganzen Abendlande verbreitet, die ich schon im ersten Band meiner GTT besprach. Ja, die Johannesakten vereinigten die Auferweckung der Drusiana durch die mystische Wirkung der Eucharistie mit den Szenen vom „Todes-Tanz" Christi nach dem letzten Abendmahl, — sodass man annehmen darf, dass Hrotsvitha auch jene mystischen Motive vom Todes-Tanz Christi ebenso gekannt hatte, wie die ebendort bearbeitete Geschichte der Drusiana . . . Die wichtigsten Elemente der Weltanschauung und Mystik Hrotsvithas finden sich in ihrem Drama „Paphnutius " oder „Die Bekehrung der Buhlerin Thais". 2 Gleich am Anfang des Dramas spricht hier der Einsiedler Paphnutius vor der Klause mit seinen Schülern über die „musikalische Weltanschauung" des Mittelalters, welche auf dem Kreuzbilde des Evangeliars der Uta auch bildlich dargestellt wird, u. zw. fast zu derselben Zeit ! Es sind freilich die metaphysischen Prinzipien des Aristoteles und die Ideen der jungen Scholastik. Die Dichterin entnahm ihre Ausführungen, zum Teil wörtlich, den philosophischen Werken des Boéthius, insbesondere aus dem Werke „In praedicamenta Aristotelis" lig. I. „De Substantia" ... Die Ausführungen des Paphnutius gehen aus der schmerzlichen Feststellung aus, dass während der Makrokosmus, die Sternenwelt, die Natur und die Elemente dem Winke der Gottheit gehorchen, wie der menschliche Leib der Seele, die „kleine Welt", d. h. der Mikrokosmus, der Mensch, eine Welt für sich sein kann und nicht so unmittelbar unter dem Einflüsse Gottes steht, wie die „grosse Welt", und somit vielfach gegen Gottes Gesetze handelt . . . Auf die Frage der Schüler erklärt nun Paphnutius, was die „grosse Welt" und was diese „kleine Welt" sei, welche Gott so oft beleidigt : „Vier ist der Elemente Zahl, aus denen Gott die grosse Welt gefügt. Wohl sind sie feindlich zueinander, allein des Schöpfers Wort hat ihren Widerstand besiegt und sie gemäss den Satzungen der Harmonie verbuden'" — Die „grosse Welt" besteht also aus einer Reihe von Widersprüchen zwi1 Vgl. die Ubersetzung von Piltz, a. a. 0. S. 109 -110. 2 Vgl. die Ubersetzung von Piltz, a. a. 0. S. 127 -132.