KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE II. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 5. (Budapest, 1944)

Zweiter Abschnitt: Romanische Weltanschauungs-elemente im Totentanz

nis der Aussenwelt mit der Hilfe der fünf Sinne durch sechs Regionen in das persönliche Ich eines jeden Menschen hinein, — bis zum in­neren Besitz der Gottheit in der Kontemplation. MerkVürdig, dass er dabei II. 10 den „sieben Zahlenverhältnissen" eine grosse Rolle zufallen lässt, deren Begriff er den Werken De ve­ra religione und De musica des hl. Augusti­nus entnimmt 1 und betont nach Boéthius, 2 dass die Zahl das vorzüglichste Spiegelbild des Schöpfers in der menschlichen Seele sei, daher führen zu Gott die „sieben Zahlen Verhältnisse" am nächsten . . . Diese Ansicht wird dann freilich später weittragende Folgen haben. Jetzt möchte ich nur zeigen, dass diese feste Tradition von der Vor­stellung über die „Himmelsleiter" und auch über das mit dem „jenseitigen Seelenweg" zu­sammenhängende „Lebensrad" auch im Kreise der ältesten deutschen Dichter etwas Lebendi­ges und Permanentes war. Der Helianddichter setzt Christi Erscheinung in das „sechste Welt­alter" 1, 45 ff. und beschreibt im Zusammen­hange mit der Parabel von den Arbeitern im Weingarten Gottes in wundervollen Versen den Lebenslauf des Menschen auf dem Lebensrade 42, 3445—3510. Am interessantesten ist es aber, dass der Helianddichter jene Kommentare und Schriften gekannt haben musste, welche ich im ersten Band meiner GTT S. 155 und 171 von Haimo, dem Bischof von Halberstadt (seit 840), und von Gregor dem Gr. im Zusammenhange mit der Geschichte der apokalyptischen Todesge­stalt und des Lebensrades besprochen habe. Besonders die Stelle aus einer Predigt Gregors, aus der 2. Homilie über Luk. 1821—42, verwen­det er sehr pünktlich, sodass man annehmen darf, dass jene Merkwürdigkeiten in der Ge­schichte der mittelalterlichen Todesgestalt und des Lebensrades, in allen ihren aus dem Ori­ent stammenden Einzelheiten, schon dem He­lianddichter recht wohl bekannt waren. Im Zu­sammenhange mit der Geschichte des Blinden von Jericho sagt der Helianddichter 44, 3620—3634: „Auch will ich euch sagen .. . warum die berühmte Burg 3625­Jericho heisst, die bei den Juden steht, Mit Mauern geschmückt. Sie ist nach dem Mond genannt, Dem strahlenden Gestirn ; er ändert seine Zeiten nicht Tagtäglich thut er das eine oder andere, Er schwindet oder wächst. So than auch auf der Welt 3630 Auf diesem Mittelraum der Menschen Kinder ; Sie kommen und gehen, die Greise sterben, Nach ihnen kommen neue Geschlechter Und wachsen empor, bis das Schicksal sie wegrafft..." 3 Und wer es bezweifeln wollte, dass es sich hier tatsächlich um jenes „Lebensrad" han­delt, dessen Geschichte mit der „Himmelsleiter 1 Nach ihm gibt es folgende Zahlenverhältnisse : so­nantes, occursores, progressores, sensuales. memoriales, iudiciales, artificiales. 2 Arithmetica 1. 1, c. 2. 3 Vgl. die Übers, von Paul Hermann in Reclams Univ. Bibl. der Seele" im Zusammenhange steht, der möge eine andere Stelle aus dem süssen Munde un­seres Otfrid anhören ! Im dritten Buch Nr. 7 Vs. 17—44 seiner Evangelienharmonie erzählt uns Otfrid 4 warum sich Christus nach Galilea begab und was dieses Wort bedeute ! Also schon Otfrid kennt ca. 870 jenen Begriff des Le­bensrades, aus welchem die Adamsgestalt Eve­rymans und die Everyman-Todesgestalt entstand! Er erklärt : „Betrachten lasset uns sodann, Wohin sich unser Herr begab : Ihm müssen wir stets nahe sein, Damit wir uns verirren nicht. Nie sei uns jemals etwas mehr, Als das, was er uns hat gelehrt, Und niemals liebe etwas mehr, Als wie den Weg, den er betrat. Galilea, das ich genannt, Das heisset uns zu deutsch ein Rad, Das sich herumschwingt jeder Zeit, Und unaufhörlich sich bewegt, — Der See ist äusserst ungestüm, Und mit sich selber stets im Kampf, Er wühlt sich auch in Einem fort In heftigster Bewegung auf. Das zeigt uns an, wie sich die Welt Beständig dreht, und wälzt sich um, Wie sie auch leider ohne Rast Voll Ungemach ist aufgeregt. Als aber unsers Herren Macht Sie beide mit den Füssen trat, Als er durch seinen eignen Tod Geschritten über beide war : Da folgten ihm aus diesem Grund, Nachdem er in dem Himmel sass, Anhängend seiner Göttlichkeit Gar viele Völker dieser Welt". Wie ich es also schon S. 131 des ersten Ban­des meiner GTT gezeigt habe, steht hier die Bewegung des Wassers im Zusammenhange mit der Drehung des Welt- und Lebensrades. Und auch „der Weg Christi" auf dem "Welt­rade", d. h. sein Sieg über Tod und Teufel am Kreuze, wird hier zum „Weg aller Völker", wie ja dann später auch der sieghafte Triumph­Todes-Tanz Christi in einen „Todes-Tanz der Menschheit" umgestaltet wird. Dann zeigt uns auch dieses Zitat aus Otfrids Evangelienharmo­nie, dass das Bild vom Welt- und Lebensrade auch mit dem Triumphe Christi über Tod und Teufel, bzw. über Tod und „Welt" in Verbin­dung steht. — Also darf auch die Entwicklungs­geschichte der mittelalterlichen Todesgestalt aus diesem „Welt- und Lebensrade" abgeleitet werden ! Aber Otfrid kannte auch die Vorstel­lungen von der „Himmelsleiter" und er besang im II. Buch seiner Evangelienharmonie 16, Vs. 1—65 die „acht Seligkeiten" schon als acht Stufen, welche die Seele endlich zum „Besitze der Gottheit" führen. Der Dichter des Alexan­derliedes kennt dagegen neben dem „Wege nach dem Paradiese", den Alexander sich samt seinen Helden erkämpft, nur das „Rad der For­4 Vgl. „Christi Leben und Lehre" besungen von Otfrid. Aus dem Allhochdeutschen übersetzt von Johan­nes Kelle. Prag 1870, Verl. Fr. Tempsky, S. 182. 6 In der Übersetzung von Kelle, S. 144—146:

Next

/
Thumbnails
Contents