KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE II. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 5. (Budapest, 1944)

Zweiter Abschnitt: Romanische Weltanschauungs-elemente im Totentanz

— 62 — himmlischen Urmenschen bearbeite!, der auf die Erde herabkommt, in die Materie versinkt, durch himmlische Gesandte aber wieder erweckt wird, und nach siegreichem Kampf mit den Torhüterdämonen des „überweltlichen Seelen­weges" und der Finsternis wieder zum Himmel aufsteigt. Die Acta Thomae also, eine bei den gnostischen Parteien der Enkratiten und Apo­stoliker, sowie bei Manichäern und Priszilliani­sten verbreitete und mit Vorliebe gebrauchte Schrift, die sog. Thomasakten, die ursprünglich griechisch oder syrisch verfasst in der 1. Hälfte des III. Jahrhunderts entstanden sind und nur in katholischen Bearbeitungen vorliegen, hatten schon die ersten orientalischen Motive nach Europa gebracht, und gerade jene Motive, welche mit der Geschichte der Totentänze im Zusammenhange stehen. Diese Schrift steht er­stens tatsächlich mit indischen Kultusstätten in Verbindung, der König Gundaphorus, über welchen sie berichtet, wurde auf Münzen nach­gewiesen und der Ort Kantaria, als die Stätte des Martyriums des Apostels Thomas, entspricht dem Ort Gandhara. Und gerade im Jahre 883 sandte König Alfred von England den Bischof von Salisbury zu einem hochverehrten Heilig­tum des Thomas in Indien auf eine Wallfahrt aus, 1 sowie auch Gregor von Tours (t 594) ei­nen Wallfahrer aus Indien kannte. 2 Ausser den Johannesakten, aus denen der Todes-Tanz und die Todes-Hymne Christi schon vom hl. Augustinus im Abendlande bekannt gemacht wurde, liefert uns auch die Geschichte der Thomasakten einen sicheren Beweis für die tatsächlichen motivgeschichtlichen Zusammen­hänge zwischen Abendland und Orient, da diese Akten schon seit dem IV. und V. Jahr­hundert von abendländischen Christen ins La­teinische übertragen und verbreitet wurden. 3 Und gerade die orientalische Form des Mythos von der Jenseitsfahrt der Seele wurde durch sie im Abendlande bekannt, sodass die uralten germanischen und klassisch-antiken Vorstellun­gen über die Reise der Seele auf der „Him­melsleiter" oder „Himmelssäule" bis zum Be­sitze der Gottheit schon vor der Dispu­tatio Pippini et Albini miteinander vermengt wurden. Daher heisst es auch in einer Oratio der „Missa in die obitus seu depositionis de­functi" : Deus . . . te . . . exoramus . . . ut non tradas earn (d. h. die Seele) in manus ini­mici, neque obliviscaris in finem, sed iubeas earn a sanctis angelis suscipi et ad patriam paradisi perduci ..." Aus dieser Auffassung leuchtet noch immer ziemlich klar die Vorstel­lung von einem überweltlichen Seelenweg her­vor, auf welchem die feindlich gesinnten „Tor­hüterdämonen" sich in den Weg der Seele 1 Barlhol. de Cotton, ed. Luard. London 1859, S. 379; Wilhelm von Malmésbury. Migne. Patr. lat. 179, Sp. 1082. 2 Glor. Mart. cap. 32; Migne. Pair, lat.71, Sp. 733. 3 Döring-Hirsch, Tod und Jenseits im Spätmittel­alter. Berlin, Curtius, 1927, S. 34, auch Anm. 67. stellen, und auf welchem die Engel die Rolle des gnostischen „Soter" spielen, der auf der „Himmelsleiter" herabsteigen und die Seele aus der Macht der bösen „Torhüterdämonen" befreien soll. Um die Jahrtausendwende war dieses Verhältnis zwischen der orientalischen und christlich abendländi­schen Kultur noch grösser. Jene „sieben Fuss Länge" des Urabes. welche in der morgenländischen Alexander­sage so typisch immer wiederholt wird, wurde schon sehr [ruh auch in Europa von den verschiedenen Betrachtungs­büchern und auch von offiziellen Machtträgern — in der traditionellen Form und wie etwas Allbekanntes — er­wähnt, wie dies auch der König Harald II. von England im Jahre 1066 tat, als er an der Spitze eines Fähnleins seinen feindseligen Bruder Tostig besuchte, der sich ge­gen ihn mit dem König von Norwegen, Harald Hardrede, verbündet hatte. Als Tostig sein Friedensangebot erfuhr und ihn fragte, welchen Ersatz Harald von Norwegen für seine angewandte Mühe bekommen sollte, antwortet der König von England, den sein Bruder nicht erkannt hat : „Von Englands Erde sieben Fuss oder so viel mehr, als seine Länge die anderer Menschen überragt". 4 Also gegen die Jahrtausendwende bedient sich schon ein germani­scher König eines Ausdrucks, dessen orientalischer Ur­sprung nachgewiesen werden kann I So verbanden sich langsam die germanischen Weltanschauungselemente mit antik-klassischen, christlichen und orientalischen Vorstel­lungen . . . Auch in einer anderen Hinsicht bestehen nähere Beziehungen zwischen der esoterischen christlichen Welt­anschauungslehre und zwischen den schon besprochenen germanischen Weltanschauungsrichtungen. So verbreitete sich z. B. durch das ganze Mittelalter eine Vorstellung der Schöpfung Adams aus acht Teilen, 5 In einer über dieses Motiv der esoterischen Schöpfungslehre geschriebe­benen Abhandlung Reinhold Köhlers wird ein angelsächsi­scher Dialog zwischen Saturn und Salomon zitiert, in welchem es heisst, dass Adams Fleisch aus Erde, Adams Blut aus dem Feuer, Adams Atem aus dem Wind, die Unbeständigkeit des menschlichen Sinnes aus den Wolken, Fett und Sehnen des Körpers aus „gyfe" (?), die Augen Adams aus Blumen, der Schweiss Adams aus dem Tau und die Thränen aus Salz geschaffen wurden. 6 In einer englischen Rötseidichtung, sowie in einem Gespräch zwi­schen einem Oxforder Meister und seinem Schüler, die ganz nach dem Vorbilde der Disputatio Pippini miteinan­der reden, sowie in einer provenzalischen Sammlung von Rätselfragen 7 wird dieses Thema ähnlich bearbeitet. Köh­ler zitiert einen altenglischen Text aus einer Handschrift Brit. Mus. Cod. Clarend. vol. XV. fol. 7. p. 1 (veröffentlicht : „Three irish glossaries" ... by W. S. London 1862, S. XL ff.), wo Adam aus Erde (Körper), Meer (Blut), Sonne (Gesicht und Gedanken), Wolken, Wind, Stein, aus Welt* licht und aus dem hl. Geist geschaffen wurde. 8 Nach dem Traktat des Bruders David von Augsburg trägt der Mensch die Natur aller Dinge in sich, 9 es besteht also auch bei ihm noch jener kosmologischer Zusammenhang zwischen Makro- und Mikrokosmos, wie in der altgermanischen Mythologie ein derartiges Verhältnis zwischen den beiden in Ymir gelehrt wurde. Aus der Erde entstand das Fleisch 4 Lappenberg, Geschichte von England. Bd. I. S, 537; treybe, Memento mori, a. a. 0. S. 220—221. 6 Vgl. eine Abhandlung von Reinhold Köhler in seinen Kleineren Schriften zur erzählenden Dichtung des Mittelalters, hg. von Johannes Bolte, Berlin, Felber, 1900, Bd. 11. S. 1-7; vgl. Germania 7, 350—354, 1862; Grimm, Mythologie S. 531 ff. wonach fünf Überlieferungen dieses Motivs existieren. 6 Vgl. im Rituale Dunelmensis, Grimm, Mythologie S. 531. 7 Germania 4, 314; von Köhler zitiert. 8 Vgl. bei Gottfried von Viterbo. Grimm, S..532; Honorius, Elucidarium 1, 11; Migne. Patr. lat. 172, Sp. 1116; ein deut. Gedicht aus einer Grazer Hschr. ersch. bei üiemer : Gedichte, S. 78. 9 Vgl. Zeitschr. f. d. All. 9, 29.

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