KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE II. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 5. (Budapest, 1944)

Zweiter Abschnitt: Romanische Weltanschauungs-elemente im Totentanz

— 63 — des Menschen, aus dem Stein sein Gebein, aus der Luft sein Geist, aus dem Wind sein Atem, aus dem Feuer seine Wärme, aus dem Wasser sein Blut, aus dem Son­nenlicht entstanden seine Augen, aus den Bächen seine Adern, — und aus dem Himmel seine Hirnschale, — wie ja auch der Himmel die Hirnschale Ymirs ist. Und ein Teil dieser Vorstellungen kam aus dem Orient I Im Talmud erzählt z. B. „Yäjnavalkyas Gesetzbuch", dass aus dem Äther die Leichtigkeit, Feinheit, der Laut, das Ge­hör und die Kraft entstanden wären, aus dem Wind wei­ter die Gefühle, die Bewegung, die Entfaltung der Härte der Glieder, aus der Galle seien das Sehen, Verdauen, die Hitze, das Aussehen und der Glanz entstanden, aus dem Wasser der Geschmack, die Kälte, die Geschmeidigkeit, die Feuchtigkeit und die Sanftmut, während aus der Erde der Duft, der Geruch, die Schwere und die Form. Der mikro­und makrokosmische Aspekt also, welcher auch in der germanischen Weltanschauung vorhanden war, wurde in dieser Hinsicht auch von orientalischen Motiven genährt. Noch interessanter ist die gemein-germanische Auf­fassung des Mittelalters über das „Magdtum" der Erde über die „Jungfräulichkeit der Mutter Erde", welche ihr von Gott in der Schöpfung grauer Urzeit geschenkt wurde, und die durch den ersten Totenkörper, den man in der Erde begrub, vernichtet werden sollte. Was ist der ge­heimste Grund zu dieser Anschauung ? Nach altgermani­scher Auffassung ist der Mensch „der göttliche Same", der nach dem Tod in die Erde gesät werden muss, um die Fruchtbarkeit der „Mutter Erde" zu erhöhen ; von dem menschlichen Leichenkörper, in welchem nach urmensch­licher Vorstellung die gottgeborne Seele auch im Grabe noch weiterlebt, wird dann die „Mutter Erde" nach menschlichen Begriffen tatsächlich „schwanger", sie ver­liert ihr „Magdtum" und schenkt dem Verstorbenen das Jenseits, den Zurückgebliebenen neue Lebenskraft und neue Verbindungsmöglichkeiten mit dem „Vater Himmel", — u. zw. gerade durch den in Erde verwandelten und verwesten Menschenkörper, diesen Besitz der göttlichen Seele auch im letzten Verwesungszustande, in der Gestalt eines Skeletts. Die christliche Umgestaltung dieses altger­manischen Grundsatzes war auch von jenem Grunde aus möglich, dass sich ja auch der Erlöser des vom „göttli­fchen Samen" genommenen Parabelbildes öfters bedient hatte. Er vergleicht das Wort Gottes mit einem Samen und verkündet, dass der Menschensohn wie eine Same in die Erde gesät werden muss, um dann durch seine Auferste­hung sein grosses Werk zu vollenden. Daher war es leicht möglich, dass sich bei deutschen Dichtern des Mittelal­ters die beiden, aus germanischer und christlicher Quelle bekannten Ideen miteinander bald verwoben und zu je­ner eigenartigen Weltanschauungsmischung ausgebildet hatten, wie sie in der Lehre des Trevrizent in Wolframs Parzival 464, 11 grundsätzlich festgelegt wird : „Diu erde Adämes muoter was : von erden fruht Adam genas, dannoch was diu erde ein magt. noch hän ich iu niht gesagt wer ir den magetuom benam. Käins vater was Adam : der sluoc Abeln umb krankez guot. dö üf die reinen erdenz bluot viel, ir magetuom was vervarn : den nam ir Adämes barn". Bei Wolfram ist es freilich schon „das Blut des Sünders", welches das „Magdtum" der Erde schändet, eigentlich das von Kain sündhaft gegossene unschuldige Blut Abels, das Gottes Rache über Kain und über die ganze Menschheit ergehen lässt. Aber auch hier haben wir noch etwas aus der alten Anschauung I Denn Wolfram betont es ausdrück­lich, dass sich Adam mit den Früchten der Erde genährt hatte und dass seine „Mutter Erde" deswegen ihr „Magd­tum" noch nicht verlor. Dass die Erde durch die unmit­telbare Berührung mit dem Menschen, ja mit dem toten Menschen, verunreinigt wird, — dies ist in diesem Welt­anschauungskomplex noch immer ein urmenschlicher Zug. Reinhold Köhler hat auch über dieses zweite The­ma eine sehr wertvolle Studie veröffentlicht. In dieser 1 1 Reinhold Köhler, Kleinere Schriften, a. a. 0. S. 7. ff. Germania 7, 474-480. 1862. stellte er dem Wolframschen Zitat einen Text aus der Schrift des Irenaeus „Contra omnes haereticos" 2 gegen­über. Auch Irenaeus spricht über eine Art „Jungfräulich­keit" der Erde. Aus der „jungfräulichen" Erde schuf Gott den Adam, u. zw. zu einer Zeit, als die „Mutter Erde" noch nicht durch den Regen befruchtet wurde, als noch kein Pflug der Erde Jungfräulichkeit raubte. Aber der aus Kleinasien stammende Bischof von Lyon (t202) benützt diese Lehre von der „jungfräulichen Erde", welche von menschlicher Arbeit noch nicht entehrt wurde, als ein theologisches Argument ; denn wie Gott den „ersten Adam" aus dem jungfräulichen Schoss der „Mutter Erde" ins Leben rief, so Hess er auch den „zweiten Adam", d h. Christus, zum Sohne der „Jungfrau Maria" werden : Et quemadmodum protoplastus ille Adam de rudi terra et de adhuc virgine (nondum enim pluerat Deus, et homo non erat operatus terram) habuit substantiam, et plasmatus est manu Dei, id est Verbo Dei (omnia enim per ipsum facta sunt) et sumpsit Dominus limum a terra et plasmavit ho­minem : ita recapitulans in se Adam, ipse Verbum exi­stens ex Maria, quae adhuc erat virgo rede accipiebat generationem Adae recapitulationis . . , 3 Solche Grössen des frühchristlichen Schrifttums, wie Irenäus, welche Ele­mente orientalischer Weltanschauung christianisiert und im Abendlande verbreitet hatten, machten es möglich, dass aus ihren gegen die Herätiker, besonders gegen die Gno­sis verfassten Büchern die emporkeimende abendländi­sche Philosophie die Kuriositäten aus der Lehre orientali­scher christlicher Sekten kennen gelernt und so einen Vergleich, ja sogar eine Vermengung mit germanischen Weltanschauungselementen möglich gemacht haben. Besonders die „Adamlehre" des Mittelal­ters ist jenes Gebiet, aui welchem sich diese Weltansqhauungsmotive verschiedener Herkunft ganz offen verbanden. Ich will zwar über die „Adamliteratur", und über ihre Bedeutung vom Standpunkte der Totentanzmotive aus, noch weiter unten eingehend sprechen, doch möchte ich hier auf die Motive der orientalischen „Adam­legenden" in einem deutschen Gedichte mit dem Titel „Adams Klage" hinweisen. 4 In diesem in 2 III. 31/21, 10. ed. Stieren. 3 Vgl. Tertullianus : Adversus Judaeos 13, „Ulique illa terra virgo, nondum pluviis irrigate, nec imbribus fe­cundate .. ." ; Tertullianus : De carne Christi 16, „Virgo erat adhuc terra...": Firmicus Maternus: De errore pro­fanarum religionum 25, „De virginis terrae limo homo factus est..."; Joannes Damascenus : De fide orthodo­xe IV. 24 ; In der Apostelgeschichte des Pseudo-Abdias VIII, 5 sagt Bartholomäus zu dem indischen König : „Terra, de qua factus est Adam, virgo fuit ... " ; Legenda Aurea cap. 2 : Der Apostel Andreas sagt dem Prokonsul Aegeas : „Quia de immaculata terra factus fuerat praeva­ricator, congruum fuit, ut de immaculata nasceretur vir­gine reconciliator" ; Der hl. Sylvester in der Disputation mit dem Juden sagt nach Simon Metaphrastes „Vita Syl­vestri" 28: Homo ex terra formatus incorrupta, incorrupta enim tunc erat terra, ut quae nondum fuisset maledicta, neque pollute sanguine fratris aut caedibus aliorum ani­malium neque mortuorum corporum, ut postea vocata es­set sepulchrum, aut profanis actionibus inquinata et sce­leribus" : dasselbe bei Jac. de Voragine „Leg. Aurea" cap. 12, wo dies ebenfalls dem hl. Sylvester in den Mund gegeben wird ; vgl. Konrad von Würzburg : Sylvester 3429 ff., besonders 3475, wo es heisst, dass die Erde noch „ein maget" war, weil noch kein loter Mensch in ihr be­graben wurde ; Kaiserchronik Vs. 9585, ed. Massmann, Vs. 9568 ed. Schröder ; im Passional 78, 95 sagt es eben­falls der hl. Sylvester; dasselbe bei Innocentius III.: De contemptu mundi, sive de miseria humanae conditionis. I, 3: Adam fuit formatus de terra, sed virgine ; vgl. in der „Martina" des Hugo von Langenstein 119. 15 und vorher auch 117, 69; Anegenge 20, 22 bei Abels Ermor­dung ; Freidank 1, 8 Ausg. Grimm ; im Fragebüchlein aus dem IX. Jahrhundert, Zeitschr. f. d. Alt 15, 169: Quis aviam suam virginem violavit ? — Abel terram. 4 2 Kürschner, Deut. Nat. Lit. Bd. III. 2, S. 69-70.

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