KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE II. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 5. (Budapest, 1944)

Zweiter Abschnitt: Romanische Weltanschauungs-elemente im Totentanz

— 61 — ten germanischen Totensagen können die Toten sprechen, besonders die Leichname der Diebe und Mörder. Welche — nachdem die Delinquenten gehängt wurden noch weiter am Baume oder am Schafott gelassen werden . . . Beide folgenden Rätsel nehmen an. dass der Schüler diese Volkssagen kennt und infolge dessen einen Irrtum begehen wird, weil er nicht daran denken wird, was der Lehrer mit diesen volkstümlichen Totenmotiven eigentlich sagen oder andeuten möchte. Im ersten Rätsel (Nr. 86) heisst es : Vidi mortuos generare vivum, et aura vivi con­sumpti sunt mortui. Der Schüler würde hier an jene „To­ten" denken, die nach der Volkssage „Kinder" haben sollten, wenn er das Rätsel nicht nach dem Sinne des Lehrers lösen würde : „De fricatione arborum ignis natus est, consumens arbores." — Das Feuer verzehrt also seine eigene Mutter, und aus dem gespaltenen, d. h. „toten" Holz wird Feuer erzeugt, das wieder die Bäume und das Holz verzehrt. Im nächsten (Nr. 87) Rätsel he sst es : „Au­divi mortuos multa loquenles." — Der Schüler sollte hier freilich wieder irregeführt werden, denn es könnten ihm jene Totensagen einfallen, nach denen die Toten des Kirchhofs oder die Gehängten miteinander sprechen, wel­che man noch durch die ganze nächste Nacht auf dem Galgen hängen lässt und die vom abergläubischen Volk zu nächtlicher Stunde besucht werden, um von ihnen et­was über die Zukunft zu erfahren. Aber nach der Inten­tion des Lehrers sollen die »Toten", welche in der Luft aufgehängt werden und viel sprechen, die Glocken sein. Pippin löst auch diese Scherzfrage : Nunquam bene, nisi suspendantur in aére ... Im nächsten Rätsel wird an jene Totensagen erinnert, nach denen sich der Tote, ein Nach­zehrer oder Alp, auf den Rücken des Lebenden setzt (meist bei Brücken und in der Nähe von Sümpfen), — und wenn nach der Sage der Tote lacht oder zu sprechen anfängt, so muss der Lebende, der ihn am Hals oder am Rücken über die Biücke trug, sofort sterben (In einem jeden Sa­genbuch finden sich ähnliche Sagen 1). Unter Nr. 89 sagt also Albinus : „Vidi mortuum sedentem super vivum, et in risu mortui moritur vivus". Aber es handelt sich dies­mal nicht um eine »Totensage". — sondern um eine Sache, welche „ein jeder Koch kennt". — sagt Pippin : „Hoc coqui nostri norunt". Im sog. „Salzburger Rätsel­buch", das nach Bedas „Collectanea et f lores" zusam­mengestellt wurde, kommt dieses Rätsel auch vor, aber in einer umgekehrten Form : „Ein lebendiger uff einem toeten sasz Und als der todt lachen thet. Starb der lebendicgk uff der stedt." Die Lösung des Rätsels wird hier auf folgende Weise gegeben : „Der todt ist ein klümpen schmaltz in eim tiegel, der lebendiger ist ein brennender wich oder docht" . . . In diesen Rätseln haben also der Lehrer und sein Schüler im geheimen an germanische Totensagen gedacht, — und aus diesen machten sie scherzhafte Rätselfragen. Im nächsten Rätselscherz sehe ich aber schon die Spuren eines Einflusses christlicher Legenden, besonders der „Adamlegenden", welche durch orientalische Apo­kryphschriften schon sehr früh in Europa verbreitet wur­den. Nach anderen christlichen Rätselbüchern ist der nie­mals Geborne und einmal Gestorbene : Adam ; einmal Geborene und niemals Gestorbene sind : Enoch oder Elias ; der einmal Geborene und zweimal Gestorbene ist : Laza­rus. den doch Christus einmal aus den Toten erweckt hatte. Nach Beda setzt unser Text zwar den Namen Adams mit „terra" gleich, und den Namen Helias mit Gott, — was freilich sprachlich nicht zutrifft. — aber in dieser Wendung liegt die ganze Charakteristik jenes mythologisch gefärbten Glaubens, aus welchem der Verfasser der Pis­putatio Pippini et Albini ausging, Nach ihm ist also Adam noch immer „der erdgeborne Sohn" des „zwiegestaltigen Götter", daher kann er leicht „aequivocus terrae" sein. Aber auch ein „Gott", der „einmal geboren" wurde, — Pippin denkt freilich in seiner Anlwort an Christus 1 — durfte eher an einen germanischen Gott oder auch an eine antik-klassische Gottheit erinnern. Und in der Lösung des dritten Teiles der Rätselfrage verwechselt Pippin den von Christus erweckten „Lazarus" mit dem „armen Laza­rus" der Bibelparabel. Wie wir es später sehen werden, hat diese Verwechslung in der Entwicklungsgeschichte der „Gesamtlegende" grosse Folgen, da aus dem „armen La­zarus" der Parabel ein aus dem Jenseits zurückgekehrter Toter wird, der über das Los der Guten und Bösen im Jenseits einen mystischen Bericht erstattet. Die Rätselfrage (Nr. 97) des Alkuin lautet also : „Res fuere : unus num­quam natus et semel mortuus ; alter semel natus, num­quam mortuus; tertius semel natus et bis mortuus". Und Pippin antwortet : „Primus aequivocus terrae ; secundus deo meo ; tertius homini pauperi . . ." Endlich möchte ich noch die Rätselfrage Nr. 98 zitieren. Hier wird scheinbar das Streitschiff, das mit sei­nem eisernen Schnabel, mit seinem hölzernen Körper und mit dem vogelartigen Hinterteil oder Heck die Soldaten begleitet und „den Tod" mit sich führt, als „terlium com­parationis" verwendet. Aber die altgermanischen Schlacht­furien, welche, wie die Hexen, eine „eiserne Nase" haben und beflügelt über dem Schlachtfelde hin- und herflie­gen, um den Kämpfenden den Tod zu bringen, — sind auch „Begleiterinnen der Soldaten" und leben heute noch in einer derivaten Form in der Vorstellung des Volkes. Haben sie einen „hölzernen Körper?' Um dies zu ver­ständlich zu machen, muss ich darauf hinweisen, dass nicht nur bei den finnisch-ugrischen primitiven Stäm­men, sondern auch bei den Germanen nach dem Tode eines Familienmitglieds eine hölzerne Figur im Hause aufgestellt wurde ; man glaubte nämlich, dass sich die Toten bei ihrer Rückkehr der Gestalt dieser Holzfigur zum Zwecke der Reinkarnation bedienen würden. Man gab auch diesen Holzpuppen etwas zu essen. Man schmierte ihnen den Mund und die Nase mit Brei oder mit Süssigkeiten ein. Damit aber die Holzpuppe infolge dieser Zeremonie nicht allzu schnell zugrundegehe, beschlug man ihr den Mund und die Nase mit Blech. Dies ist also die Ursache, wa­rum die Hexen, diese eigenartigen Verkörperungen der Nachzehrer- und Vampir-Toten, in ungarischen und in deutschen Märchen gleichsam eine „eiserne Nase" ha­ben 1 Und es sind diese „Holzdämonen" mit der „eiser­nen Nase" zugleich das „Reittier" der Todesgottheit, — sodass man im Rätsel Nr. 98, welches Alkuin seinem Schüler aufgibt, leicht an diese „Schlachtfurien" altgerma­nischen Glaubens denken dürfte, welche freilich der „klassisch gebildete" Schüler ganz änderst auslegt. Nr. 98 heisst es : „Vidi feminam volantem, rostrum habentem ferreum, et corpus ligneum et caudam pennatam, mortem portantem". — Pippin antwortet: „Socia est militum". Diese Disputation zwischen Pippin und Alkuin ist also eines der frühesten Zeugnisse für die eigenartige Mischung der Weltanschauungselemente, welche durch die Vereinigung der altklassischen, der christlichen und orientalischen Weltanschauungsrichtung mit der germa­nischen entstand. Dass zur Zeit der Entstehung der Disputa­tio auch der orientalische Einfluss möglich sein konnte, dafür hatte ich im ersten Bande mei­ner GTT zur Genüge wichtige und schlagende Beweise angeführt. Hier möchte ich sie nicht wiederholen und weise nur auf die diesbezüg­liche grosse Rolle der Apokryphschriften hin. So wird z. B. in dem berühmten Perlenlied der Thomasakten 1 der iranische Mythos 2 von dem 1 Vgl. Hennecke, Neutestamentliche Apokryphen, Leipzig, 19041 hg. von Thilo i. J. 1823 ; vgl. Bibliogra­phie hagiographica graeca, ed. Hagiogr. Bolland. 2, 25b : Apokr. Apostelgeschichten, Nr. 74. Bd. 1. Sp. 287, hg. von Lipsius, Bd. I. 1883 und Bd. II. 1884, 1887; Ergänzungsh. 1890, S. 23 ff. ; Acta ap. apocr., ed. Lipsius, Bd. II. ed. Bonnet. 1898, 1903; 2, 99 ff. 2 Vgl. auch in den Oden Solomos und im Johan­nes-Evangelium nach W. Bousset. Hauptprobleme der Gnosis, Göttingen 1907 S. 160—223 und in den Schriften Reitzensteins , vgl. Josef Kroll: Gott und Hölle. Der My­thos vom Descensuskampfe. Leipzig, Teubner, 1932, über die Oden Solomos. über dieses merkwürdige gnostische Liederbnch, S. 308 ff., über ähnliche mandäische Lieder S. 35, 293 ff. 298 ff. 309. 314 ff. über die Johannesakten und über ihre Kreuzmystik S. 73. 76, 82.

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