KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE II. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 5. (Budapest, 1944)

Zweiter Abschnitt: Romanische Weltanschauungs-elemente im Totentanz

- 60 ­auch der Gisant-Typ tritt hier schon auf : der Tod ist die Verwesung des Körpers und die Auflösung aller vergäng­lichen Dinge. Nach einer nochmaligen Frage Hadrians (Nr. 92> antwortet dann Epiktet : Der Tod ist „Timenda nulli, si sapiens degat: inimica vitae, numen amantium, metus parentum, liberorum praeda. testamenti gratia, post obi­tum sermo, supiemae lachrymae, post memóriám oblivio, fax rogi, onus sepulchri. titulus monumenti, mors omni­um melorum finis . . . Nicht ganz ohne Ironie üben schon diese Sätze über die menschlichen Eitelkeiten eine Kritik aus. Dass der Tod für einen „Weisen" nicht fürchterlich sein kann, dies ist zwar noch ein sokratischer Satz, zeigt abpr schon auf den „sapiens" der Vadomorigedichte hin, während uns die Bemerkung, dass der Tod „der Feind des Lebens" sei, die Illustrationen der Streitgedichte zwi­schen „Vita" und „Mors" in Erinnerung bringen. Auch die Jammermonologe des „unvorbereitet sterbenden Man­nes" werden später die Szene mit den am Sterbelager stehenden Erben (vgl. das Bild im Breviárium Grimani) szenisch darstelen, und dass der Tod „die Fackel des Scheiterhaufens" und die „Last des Grabes", „aller bösen Dinge Schluss" sei. — dies sind klassische Phrasen, wel­che manchmal auch im Jammermonolog des im Grabe liegenden Toten wiederkehren werden. Nun folgt in der Altercatio zwischen Pippin und Alkuin der „Mensch" als Gegenstand der Rätselspielerei. Pippins Frage Nr. 8 „Quid est homo 7" beantwortet Albinus so: „Mancipium mortis, transiens viator. loci hospes". Der „Mensch" ist also ein „Raub des Todes" und ein „vor­überwallender Wanderer" . . . Die Hadrianischen Fragen erweitern auch diese Frage (dort ebenfalls Nr. 8). Hadr.: Quid est homo ? — Epict.: Mens incarnate, laboriosa anima, parvi temporis habitaculum. spiritus receptaculum, Phan­tasma temporis, speculator vitae, lucis desertor, vitae con­sumptio . . . usw. (weiter wie bei der Antwort Alkuins . . .). Die 103. Frage Hadrians lautet wieder : „Quid est homo ?" — und Epiktet antwortet : Loci hospes, legis imago, cala­mitatis fabula. Mancipium mortis, vitae mora. Quo For­tuna saepe suos ludos facit". Das menschliche Leben hängt also nach dieser Charakteristik mit dem Fortuna­Spiel oder Fortuna Rad zusammen. Die neunte Frage Pippins: „Cui similis est homo ?" — Alb.: „Porno". Der Mensch ist also das Obst auf dem Lebensbaume. Dieser Sinn tritt uns besonders in der auf die 101-ste Hadrian'sche Frage von Epiktet gegebenen Ant­wort klarer vor Augen : „Porno similis. Poma ut in arbo­ribus pendent, sic sunt et corpora nostra, aut matúra ca­dunt, aut cito acerba ruunt". Die Menschenleiber fallen vom Lebensbaum, entweder wie das reife oder wie das unreife Obst, vorzeitig herab. Alkuins Antwort auf die nächste Frage Pippins zeigt uns, dass die Vorstellung vom menschlichen Leben als von einer brennenden Kerze, welche im Windsturm steht, schon sehr früh, unter christlich-klassischen Einflüssen in den Kreis unserer Todesmotive aufgenommen wurde. Auch im Märchen vom Gevatter-Tod werden die Seelen-Kerzen der Menschen in der Zauberhöhle von einem plötzlichen Windsloss ausgelöscht. Pippin fragt (Nr. 10) : Quomodo positus est homo? — Alb.: Ut lucerna in vento. Sehr interessant ist dann die everymanarlige Ein­richtung der irdischen Umgebung in den nächsten Fragen und Antworten. Der Mensch lebt zwischen sechs Mauern, wie zwischen den sechs Flächen eines Würfels. Dann hat der Mensch vier Begleiter, welche auf ihn wieder sechs­fach ihre Wirkung ausüben. Endlich wird der Schlaf für das Bild des Todes gehalten. Die elfte Frage Pippins : Ubi positus est (homo)? — Alb.: Intra sex parietes. 12). P.: Quos ? — Alb.: Supra, subtus ; ante, retro; dextra lae­vaque. — 13). P.: Quot habet socios ? — Alb.: Quattuor. — 14). P.: Quos? — Alb.: Calorem, frieus, siccitatem. hu­morem. — 15). P.: Quot modis variabilis est? — Alb.: Sex. — 11). P.: Quibus? — Alb.: Esurie et saturilate ; requie et labore ; vigiliis et somno. — 17). P.: Quid est somnus? — Alb.: Mortis imago? — Der Hadrianische Allercationstext bringt hier folgende Erweiterungen (Nu 19): Hadr.: Quid est somnus? — Epict.: Mortis imago, labo­rum quies, vigilantium sapientia, vinctorum solutio, infir­mantium votum, miserorum desiderium, universi spiritus requies. Nach der Frage Pippins (18) „Quid est libertás ho­minis ?" und der Antwort Albins „Innocentia", folgt in den Fragen Nr. 19—46 eine langwierige Beschreibung des menschlichen Körpers nach den einzelnen Gliedern ein­geteilt. Besonders an diesen Fragen und Antworten ist es leicht zu erkennen, dass diese Disputationen eigentlich eine Kenningar-Sammlung poetischer Ausdrücke bieten wollen, denn die Definitionen geben ja nicht die wesent­lichen Merkmale der einzelnen Körperglieder, z. B. (33) Pippin : Quid sunt digiti ? — Alb.: Cordarum plectra, d. h. die Zupfstäbchen der Zithersaiten. Nun folgt nach dieser Beschreibung des menschli­chen Mikrokosmos die Darstellung des Makrokosmos. Von Nr. 47 an stellt Pippin Fragen über die Beschaffen­heit des Himmels, des Lichtes, des Tages, der Sonne, des Mondes, der Sterne, des Regens, Nebels und Windes. Ober „Sol" heisst es im Hadrianischen .Text : Quid est sol ? Epict.: Mundi oculus (lateinische Übersetzung von „Balders" Namen I), noctis concertatio etc. . . . und auf die Frage „Quid est luna ?" wird geantwortet: Der Mond ist „recalculatio mensium, oculus noctis" etc. . . . Die Vor­stellung von dem Eheverhältnis zwischen Himmel und Erde herrscht noch in der Erklärung vor, dass der Regen „conceptio terrae" sei. Religionsgeschichtlich sehr bedeu­tend ist auch die 56-ste Frage und Antwort, wo auf die Frage Pippins, bzw. Hadrians die Erde als die gemein­same Mutter der Sterblichen geschildert wird. (56) Pippin: Quid est terra ? — Alb.: Mater crescentium. nutrix viven­tium, cellarium vitae, devoratrix omnium. Der Hadriani­sche Text erweitert (dort Nr. 7): (Terra est) Coeli basis, mundi meditullium, custos et mater omnium, operculum miserorum . . . etc. ... Ich sehe dann wieder in diesen Sätzen die Auswirkung des klassischen Weltbildes : die Erde als eine Basis des Himmels und als Mittelpunkt des Weltalls . . . Jene Erklärung, welche ich im ersten Bande mei­ner GTT für die Darstellungen am Schilde des Achilles S. 201 gab, wird durch eine Stelle des Hadrianischen Textes unterstützt. Auf die Frage Hadrians „Quid est ocea­nus?" (Nr. 2) antwortet nämlich Epiktet: „universae na­turae circumcursus . . ." Also der Okeanos ist die kreis­förmige Einrahmung des Universums, wie ja sich auch die Szenen am Achillesschilde aus dem Weltmeere ent­wickeln und wieder in das Weltmeer münden. Pippin stellt auch Fragen über die Flüsse, das Was­ser, über Feuer, Kälte, Eis, Schnee und über die vier Jahreszeilen. Dann bekommen wir eine kleine Sternkunde. Sie ist mythologisch gefärbt, denn das Jahr ist darnach eine Quadriga der Welt, gezogen von Tag und Nacht, Kalt und Warm. Die ganze Sternenwelt wird als ein Weg ins Universum aufgefasst und die Sternbilder sind die Hü­ter und Regierenden in den zwölf Gehäusen der Sonne und des Mondes (Frage Nr. 68—73). Bei dieser Stelle kehren die Sprecher, der Lehrer Albinus und der Schüler Pippin, auf ihrem Spaziergange nach Hause zurück, und nun stellt der Lehrer seinem Schüler scherzhafte Rätselfragen, die er lösen soll. In die­sen Rätseln glaube ich nicht nur Motive der germanischen Märchenwelt, sondern auch Züge der eigenartigen Toten­sagen zu entdecken. In der 84-sten Frage sagt Pippin : Quid est mirum ? und Albinus antwortet : Nuper vidi ho­minem stantem, molientem. ambulantem, qui nunquam fuit. — Es ist freilich das Spiegelbild des Menschen im Wasser : es steht, bewegt sich, geht — und ist doch ein Nichts. Nun stellt Albinus unter Nr. 85 folgendes Rätsel auf : Quidam ignotus mecum sine lingua et voce locutus est, qui nunquam ante fuit nec postea erit, et quem non audiebam nec novi. — Es ist der Traum, den man sieht, sprechen hört — und es ist wieder etwas nicht Vor­handenes. 'n den beiden nächsten Rätseln erlaube ich mir auf Motive der germanischen Totensagen hinzuweisen, in denen nach Walter Mapes ein Soldat seine tote Frau beerdigt, sie dann im Geisterchor erblickt, dem Geister­chor entreisst, um sie dann nochmals zu heiraten und mit ihr wieder Kinder zu erzeugen, welche „die Kinder der Toten", „filii mortuae" genannt werden. 1 Nach ande­1 De nugis curialium, distinetio 11. cap. XIII. Aus­gabe Wright 1850, S. 83; und disli ictio IV. cap. VIII. S. 168.

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