KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE II. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 5. (Budapest, 1944)
Zweiter Abschnitt: Romanische Weltanschauungs-elemente im Totentanz
- 59 viel, ja olles {ragen soll. Er tut es auch I Aber der „weise Lehrer" Gournemanz verbietet ihm diesen „kindischen Brauch", da die Luzifernatur dieses weltgewandten Ritters schon auf der Grundlage der französischen Etikett steht. Da zeigt sich wieder der Einfluss der romanischen Weltanschauung, welche den jungen Parzival zwingt, die „erlösende Frage" gerade in der Gralburg zu versäumen und infolge dieser Versäumnis die Ursache eines Unglücks zu sein. Dieser Unterschied in der Einrichtung der Dialoge zeigt sogar in den Everymandialogen und in den Totentanztexten ihre späten Auswirkungen. Der Everymandialog beginnt noch mit der Frage des „unwissenden Everyman" : ..Quis es tu, quem video ?". . . Auf deutschem Boden entstehen „Monolog-Totentanztexte", in denen nur der „irdische Tor", je ein Vertreter eines irdischen Standes den Tod oder den Toten anredet. Und auf romanischem Boden entwickelt sich nach dem Vorbilde des ersten, spanischen Todes Tanzes jene Art der Urtentanztexte, in welcher der Tod, und später auch der Tote, die einzelnen S'andesverheter d»r Reihe nach ansprechen und sie über ihre irdischen Torheiten befragen. Die altgermanische Einrichtung der Wissensdichtungen bildet auch in einem lateinischen Dialog zwischen „Pippin und Alkuin" den Rahmen zu einer Sammlung germanischer und zugleich auch romanischer Weltanschauungselemente. 1 Nach einer Wiener Handschrift des IX. Jahrhunderts, welche das Zwiegespräch zwischen Pippin und Albinus unter den Werken Alkuins überliefert und die Signatur Cod. Vindob. 808 ? trägt, veröffentlichte 1869 W. Willmanns die „Disputatio regalis et nobilissimi juvenis Pipnini cum Albino scholastico", in welcher der weise Alkuin von seinem königlichen Schüler Pippin in einer langen Reihe von rätselhaften Fragen über die Dinge des irdischen I.ebens und des Weltalls befragt wird. Willmanns stellt fest, dass der Verfasser von 19 Fragen der Sophist Secundus, der Lehrer des Tiberius Claudius. Heródes Atticus, war. der zu Hadrians Zeit tätig war. Daher wurde der Dialog auch unter dem Namen Hadrians und Plinii Secundi verbreitet. Im zweiten Teil des Zwiegesprächs stellt auch der weise Alkuin an seinen Schüler interessante Scherzfragen. Diese stehen unter dem Einfluss des Symposius. Die Fragen über den Menschen erinnern an jene Fragen, welche in dem 36-sten Kapitel der Gesta Romanorum vorkommen. Hier heisst es, dass ein König nichts sehnlicher wünschte, als die Natur des Menschen kennen zu lernen. Er Hess daher einen scharfsinnigen Philosophen seines Reiches vor sich kommen, und sagt zu ihm : Quaero a te quatuor quaestiones. quas si bene solveris. te ad dignitates et divitias promovebo. Prima questio est : Quid est homo ? Secunda : Cui est similis ? Tertia : „Übi est ? . . . 3 Quarta : Cum quibus sociis est? . . . Die Antworten des Philosophen lauten : 1 . . . dico, quod est mancipium mortis, hospes loci, viator transiens . . . 2 . . . dico, quod similis est glaciei (I), quia propter calorem cito dissolvitur et corrumpitur. Item similis est porno novo, quoniam sicut pomum novum pendens in arbore. cum debet ad crementum debitum venire, modico tarnen verme interius exorto corroditur et subito corruens inutile efficialur . . . Der 1 Vgl. Die Studie von W. Willmanns in der Zeitschrift für deutsches Altertum, hg. von Moritz Haupt. Neue Folge. Zweiter Band. Berlin 1869, S. 530—555: „Disputation des Pippin mit dem Scholastiker Alhinus und die Altercatio des Königs Hadrian mit dem Philosophen Epictetos". 2 Früher Salisburg. 234, fol. 221—225 ; daraus von Frohen, in der Alkuin-Ausgabe, Ratisbonae 1777 Bd. II. S. 352—354 veröffentlicht : frühere Ausgabe : Du Chesne i. J. 1617 in seiner Alkuinausgabe, S. 1385—1391, nach einem Hamburger Druck, ohne anzugeben, aus welcher Hschr. der Text stammt; aber er benützte wahrscheinlich dieselbe Handschrift der Gottorper Bibliothek, nach deren Text Fr. Lindenbrog die Disputatio Pipnini samt der Altercatio Hadriani Aug. et Epicteti philosophi veröffentlichte ; vgl. dieselben Motive auch im 36. Kap. der Gesta Romanorum. ' Vgl. die späteren Texte mit „Die, ubi sunt?" 1 I Mensch gleicht also dem Eise, das auf der Hitze zunichte wird. Aber der Mensch gleicht auch einem Obst, das auf den Ästen des „Lebensbaumes" hängt und von den Maden frühzeitig zernagt wird, um dann verfault vom „Lebensbaume" herabzufallen... Wie wir sehen, verbinden sich hier keltische, romanische und germanische Vorstellungen. 3 . . . dico, quod in bello multiplici, scilicet contra mundum, diabolum et carnem . . . Hier kommt schon der mittelalterliche mönchische Zug in dieser Weltanschauung zur Geltung : der Mensch im Kampf gegen die Welt, gegen den Teufel und den Körper. 4 . . . respondeo, quod cum Septem sociis qui eum continue molestant, qui sunt fames, sitis, calor. frigus, lassitudo, infirmitas et mors . . . Den Menschen begleiten also auf seiner irdischen Wanderung „sieben" Gesellen, „sieben" Begleiter, die einstigen feindlichen Torhüterdämonen der irdischen und überirdischen Himmelsleiter. Die „siebente Stufe" dieser „Leiter des menschlichen Lebens" ist auch hier : der Tod 1 Sehen wir nun einzeln die wichtigsten und merkwürdigsten Fragen der Disputatio Pippini ! Bezeichnenderweise geht der junge Germane, Pippin. in der ersten Frage aus dem „Buchstaben", aus der „littera" aus! Dass dies leicht ein germanischer Zug sein könnte, bedarf keiner besonderen Beweise, — nachdem, was ich vorher über die Bedeutung der germanischen Runenreihe sagte. Und auf diese Frage Pippins „Quid est littera" antwortet Albinus mit einer antik-klassischen philosophischen Gelehrsamkeit: Custos históriáé. Nun geht auch Pippin auf ein klassisch-christliches Thema über, wenn er fragt : „Quid est verbum ?" Aber da müssen wir uns in der Antwort Albins täuschen, denn über das Verbum, über die einzige Wortart, welche einen „Infinitivus", als etwas ewig und unaufhörlich Gegenwärtiges, besitzt, weiss er nur soviel zu sagen : Proditor animi. Nun heisst es dann weiter: Pippinus : Quis generat verbum. Albinus: Lingua. P.: Quid est lingua? A.: Flagellum aeris. — P.: Quid est aer ? A.: Custodia vitae. — Und nachdem über die Luft, als über ein lebenerhaltendes Element gesprochen wurde, fragt Pippin : Quid est vita ? Und Albinus antwortet : Beatorum laetitia'. miserorum moestilia, expectatio mortis. — Da schaltet nun auch die christliche Weltanschauung ein I Das Leben : ein Warten auf den Tod I Und nun hören wir an. was der „Tod" sei I — Pippinus: Quid est mors? — Albinus: Inevitabilis eventus, incerta peregrinatio, lacrimae viventium. testamenli firmamentum, latro hominis . . . Dies lautet alles so, wie eine altgermanische Sammlung der „Kenningar"! Als hätte der Verfasser für Prediger, Schriftsteller und vielleicht auch Dichter eine Reihe von Synonimen zusammengestellt, damit er weiss, wie er „dichterisch" den Begriff „mors" zum Ausdruck bringen könnte. Der Tod ist also ein unabwendbarer Ausgang, eine unsichere Wallfahrt, usw. ein Dieb des Menschen . . . Alle diese Gedanken werden später noch in der mittelalterlichen lehrhaften Dichtung vorkommen. Dass der Tod eine unsichere Wanderung sei, dies stimmt ja auch zu den Bildern der „Himmelsleiter", wo die Seele nur stufenweise den Besitz der Gottheit für sich erkämpfen kann. — Die Altercatio Hadriani Aug. et Epicteti Philosophi erweitert diese Gedanken noch auf folgende Weise: Hadrianus: Quid est mors? — In dem Dialog zwischen Pippin und Alkuin war diese Frage die „siebente"! Hier, in dem Hadrianischen Dialog ist sie die einundzwanzigste Frage 1 (Dreimal sieben I). — Epictetus antwortet, der Tod ist : Aeternus somnus. dissolutio corporum. divitum pavor, pauperum desiderium, inevitabilis eventus. incerta peregrinatio. fuga vitae, resolutio omnium . . . Schon der Dialog Pippins und Alkuins hat die Zwiegestaltigkeit des Lebensausganges berührt : das Leben sei nach diesem Text für die Glücklichen eine Freude, und für die Leidenden eine Trauer ... So ähnlich wird dann auch eines der Hauptprobleme der Gesamtlegende klingen. Die Antwort Epiktets vergleicht nach klassischem Muster den Tod mit dem Schlaf, sie schildert. — wie später die Gesamtlegendenbilder und -Texte. — welche Furcht die Reichen vor dem Tod haben und wie sich die Armen nach dem Sterben sehnen. Aber