KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE II. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 5. (Budapest, 1944)
Zweiter Abschnitt: Romanische Weltanschauungs-elemente im Totentanz
— 58 aus diesem Grunde jener „Zauberorganiolus" aufgezeichnet, weil er nach der abergläubischen Meinung der Zeitgenossen zukunftverkündende Kraft haben sollte. Die magischen Zahlen aus dem Reiche der Musiktheorie in dem Evangeliar der Uta aus St. Emmeram hätten angeblich sogar das jenseitige Schicksal eines Verstorbenen dem in der magischen Kunst Bewanderten verraten ! Aber diese magischen Schriftund Zahlenzeichen dienten auch zu anderen Zwecken. In dem Poenitentiale Cummeamense 1 wird von einem „matimaticus" gesprochen, der mit der Hilfe seiner magischen Zahlensysteme über andere den Tod verhängen konnte und infolge seiner magischen Kunst auch die Dämonen beschwor („si quis mathematicus fuerit et per invocationes daemonum mentes tulerit..."). Zauberdreiecke, Zauberzirkel, Zaubervierecke und besonders das Pentagramm, der Fünfstern, auch Drudenfuss genannt, sowie das Hexagramm, der Sechsstern oder „Davidstern", waren im Mittelalter Gegenstand der praktischen Magie. Wie wir sehen werden, bedeutete hauptsächlich der Sechsstern, das Hexagramm, welches auch das Wahrzeichen der Pythagoräer war, aus zwei quergelegten gleichseitigen Dreiecken besteht und auch bei der „Punktierkunst" ebenso verwendet wurde, wie die magischen Quadrate, die göttliche Vollkommenheit und den Besitz der Gottheit. Nun, betrachten wir uns einmal die Sternformen der Schneeflocken ! Die Schneesterne oder Schneerkristalle sind alle mit dem Hexagramm identisch, sie haben sechs Zacken und auf ihren regelmässig und strahlenförmig überquer liegenden Diagonalen entwickelt sich nach weiterer Kondensalion meistens ein Gebilde, das uns auf den Bau der Äste einer Tanne erinnert und aus zweischenkligen oder gleichseitigen Dreiecken besteht. Die Schneesterne, welche also vom Himmel fallend leicht auf irgendeine Weise zu übersinnlichen und jenseitigen Dingen in Beziehung treten konnten, sind nach der mittelalterlichen Interpretation mit dem mystischen Zeichen der Vollkommenheit Gottes, mit dem „Schild Davids" identisch. Wie ich es noch im Zusammenhange mit einer Subiacoer Totenlegende zeigen werde, wurden daher die Schneeflocken, die Schneesterne und -Kristalle mit der menschlichen Seele identifiziert. Und dieser Zug kommt sogar in deutschen Volkssagen zum Ausdruck. 2 Der Winter, die Welt mit Schnee und Eis, ist die Zeit der Gespenstererscheinungen (vgl. die winterlichen Feenund Gespenstergeschichten in den „Nugae curialium" von Walter Mapes 1). Das ist die Ursache, warum die Toten der Sagen weisse 1 XII. 7 ; vgl. F. W. H. Wasserschieben. Die Bussordnungen der abendländischen Kirche nebst einer rechtsgeschichtlichen Einleitung. Halle, Graeger, 1851, S. 481 und 517. 2 Vgl. Tod und ewiges Leben im deutschen Volksglauben. Oskar Schwebe!. Minden i. West!. I. C.C.Bruns Verl. 1887. Hemdchen anhaben und warum es in dem Höllenbilde des Mittelalters eine Region gibt, in welcher ewiger Winter und schreckliche Kälte herrschen. Wie die magischen Zauberkünste mit dem Seelenglauben zusammenhängen, dies zeigt das merkwürdige Buch von Adolf Bastian „Der Mensch in der Geschichte", u. zw. im II. Band unter dem Titel „Psychologie und Mythologie". Die Magie und die magischen Zeremonien, 3 die Talismane und Zau bereien 4 greifen in das Privatleben ein, 5 verraten gerade durch Verbindung mit der Gespenster- und Seelenwelt nicht nur die Wendungen des irdischen Geschicks, sondern auch die Zeit des Todes. Darüber spricht Bastian in den Kapiteln über „Tod und Zukunft", 6 indem er über die unruhigen Geister, 7 über die abergläubischen Bräuche berichtet, welche mit dem Ausgang der Seele im Zusammenhange stehen. 8 In den Augen des primitiven Volkes wird der Tanz der Schneeflocken in den langen nordischen Winternächten zu einem „Tanz der Seelen auf Kreuzwegen", dabei zeigt die je hellere weisse Farbe ihres Hemdchens auch die Zeit ihrer baldigen Erlösung an. 9 Die höchsten Berge, diese weihevolle Welt des ewigen Schees und Eises, sind Sammelstätten der Seelen und eine „Himmelsleiter", welcher sich die Seelen auf den ewigen Schneefeldern des hohen Gebirges stufenweise zu Gott emporschwingen. Wie alt diese Auffassungen von der „Passage zum Jenseits" sind, 1 0 zeigt ein Gespräch zwischen Zoroaster und Ormuzd, in welchem die Wanderung der Seele eines Gerechten und eines Sünders ins Jenseits erzählt wird. 1 1 Drei Tage weilt die Seele noch beim Schädel der Leiche, und erst dann beginnt diese überirdische Reise. Unter den Stufen der „Himmelsleiter" gibt es immer ein Tor. wo der Dämon der winterlichen Kälte, ein Eisriese, der Seele den weiteren Weg verstellt. Ähnliche Vorstellungen sind auch in den Wissensdichlungen der Eddalieder zu finden. Die Wissensdichtungen Völuspé. Hévamál und Wafthrudnismál sind überhaupt für den germanischen Charakte- sehr bezeichnend. Meist bandelt es sich hier um einen Wortstreit zwischen einem Weisen, einem Alten, dem Weisheitsgott Odin, und irgendeinem „Unwissenden", der sich nur für einen „Weisen" hält, aber im Laufe des Gedichtes belehrt werden soll. Und jedesmal ist es der Unwissende, der in seinem eitlen Wissensdrange den Weisen auf die Probe stellen will. Dies ist ein ganz eigenartiger Zug der germanischen Streitdialoge. Auch in den Kommenlaren und deutschen Lehrbüchern und Übersetzungen Notkers des Deutschen ist es immer der Schüler, der seine Fragen an den Lehrer stellt. Notkers ganze pädagogische Einrichtung ist also noch immer echt germanisch. Wie änderst steht es dann später mit dem jungen Parzival 1 Er wird von seiner Mutter zwar noch immer in jenem Sinne erzogen, dass er 3 Vgl. ebenda S. 232. 4 Vgl. ebenda S. 280 ff. 5 Vgl. ebenda S. 285 ff. und 290 ff. 6 S. 318 ff. 7 S 319. 8 Vgl. S. 322. 9 Vgl. ebenda S. 326 ; Oberpfalz. 1 0 Vgl. Bastian, a. a. 0. S. 339-341. 1 1 Ebenda S. 340.