KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE II. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 5. (Budapest, 1944)
Erster Abschnitt: Germanische Weltanschauungs-elemente im Totentanz
„Weite Welt und breites Leben, Langer Jahre redlich Streben, Stets geforscht und stets gegründet, Nie geschlossen, oft geründet, Ältestes bewahrt mit Treue, Freundlich aufgefasst das Neue, Heitern Sinn und reine Zwecke, — — Nun, man kommt schon eine Strecke 1" Es entrollt sich vor unseren Augen auch in diesem Goetheschen Zitat eine gewichtige Reihe von typischen Gegensätzen : der Allgedanke auf der einen Seite und die schöpferische Tat des Einzelnen, des Individuums, auf der anderen, die Forschung nach den Geheimnissen der Geisteswelt und ein auf dem Boden dieser weltüberlegenen Lebensform befestigtes Sicherheitsgefühl auf der einen Seite, und die vorsichtige Furcht vor Irrtümern, vor einem unbedachten Machtwort, auf der anderen, die getreue Verwahrung der ältesten Uberlieferungen auf der einen Seite, zugleich aber auch, die freundliche Aufnahme alles Neuen und Überraschenden auf der anderen, heitere Lebensbetrachtung auf der einen Seite, aber vor Leichtsinn bewahren die reinen Lebensziele und die mit ihnen verbündeten Schicksalsschläge . . . Schon die ältesten Nachrichten über das Wesen der germanischen Weltanschauung weisen diese weltanschaulichen Grundsätze auf. Die Frau des unerbittlichen Dreinschlägers, Donar, war ja die Göttin des Friedens. Nach dem grossen Weltbrand, dem Muspilli, nach dem letzten grossen Kampf der Götter mit der Midgardschlange und mit den Riesen, wenn die Sonne sich verfinstert, die Erde versinkt, dann versprechen die uralten Mythen die Entstehung des ewigen Friedensreiches. Die liebliche Sonnengöttin ergreift einen Schild, sie heisst Sindgund oder Brynhild und wie eine geharnischte Amazone muss sie ihren Weg gegen die Geister der Finsternis erkämpfen. Im 14. und 15. Kapitel seiner Germania bewundert auch Tacitus ausdrücklich die Gegensätzlichkeit in den Charakterzügen der Germanen. Die Weltanschauung des Germanentums war auf den Allgedanken aufgebaut und dieser Allgedanke herrschte auch während der althochdeutschen und mittelhochdeutschen Zeit weiter. Daher unterscheidet Bogislav von Selchow in seinem Werke „Der deutsche Mensch" 1 in den ersten Jahrhunderten deutscher Geschichte eine Früh-Allzeit bis Karl dem Grossen, von Bonifatius und Karl dem Grossen an gerechnet die Jung-Allzeit, weiter mit dem Salier Heinrich IV. beginnend die Hoch-Allzeit. Selchow stellt den christlichen Allgedanken dem germanischen entgegen, gibt aber zu, dass wenn auch nach dem Grundcharakter des christlichen Mittelalters das persönliche Ich im Leben des Universums hätte aufgehen sollten, die Kirche in der Lehre vom ewigen Wert einer einzelnen menschlichen Seele einen wirksamen 1 Leipzig, 1933; Koehler. S. 24—26. Gegenpol zu diesem Allgedanken fand. Nach Selchow ist die mittelalterlich-europäische Kultur infolge der Vereinigung des christlichen Allgedankens mit der grossen Lebensbejahung des Germanentums entstanden. Selchow weist auf eine sehr interessante Analogie hin. 2 Die mittelalterliche und südländische Musik hat nur den Grundton, die Quint und die Oktave gebilligt, wohin die Quint zurückführt. Dies tat die mittelalterlich-romanische Musiktheorie von dem Bedenken ausgehend, dass die Zahlenverhältnisse dieser Musikintervalle das harmonische Sinnbild der mittelalterlichen Weltanschauung entwerfen. Wie die Quint zur Uktave zurückführt, so strebt nach der Auffassung der mittelalterlichen Musiktheoretiker die von Gott in die Weltmaterie gehauchte menschliche Seele wieder zu Gott zurück, woher sie kam. Und tatsächlich klingt ein Schlussakkord in einem Palestrina-Chorwerk ganz frei, seelisch und sphärisch, da hier nur Grundton, Quint und Oktave hörbar sind. Diese Musik ist überweltlich, übersinnlich, weil sie von der Terz, ganz gleich, ob von der traurig klingenden kleinen Terz, oder von der lebenslustig und hell strömenden grossen Terz, nicht irdisch determiniert wird. Die Terz bedeutet in einem Akkord die irdischen Schicksale des Individuums, welches in den vom Grundton, von der Quint und von der Oktave zum Ausdruck gebrachten Allgedanken, wie das Bild in einen Rahmen, hineinpasst und aus dem überweltlich und übermenschlich indifferenten System eine lebenswahre Harmonie des irdischen Lebens zustande bringt. Es liegt in der Tatsache, dass eigentlich die Germanen die Terz in das System des Grundtons, der Quint und Oktave hineinschoben und somit nicht nur die Harmonie im heutigen Sinne erzeugten, sondern statt des Unisonos des gregorianischen Gesangs die Mehrstimmigkeit zu ihrem Prinzip erhoben, wieder ein ganz eigenartiger Zug des Germanentums. In welchem Verhältnisse sind also das vom altertümlichen und mittelalterlichen Christentum verkündete übersinnliche Universum und das in diesem Rahmen entwickelte Romanen- oder Römertum zum Germanentum ? Sie stehen einander gegenüber, ja sie sind ineinander geflochten, wie das sphärische Rahmensystem des vom Grundton, von der Quint und von der Oktave erzeugten Akkords einerseits und wie die Terz anderseits. Auch im Germanentum herrschte eine Art Allgedanken. Wodan, der Gott des Kampfes und gleichzeitig aller verborgenen Weisheiten und des Zaubers, war ja der All-Vater, der den Widerspruch zwischen Leib und Seele zu überbrücken bestrebt war. Die germanische Kultur war und ist auch eine Gemeinschaftskultur, in welcher zwei grosse Gegensätze wirken : der Gegensatz zwischen der Gemeinschaft und dem Individuum, weiter der Gegensatz zwischen s Vgl. a. a. 0. S. 66-68.