KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE II. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 5. (Budapest, 1944)
Erster Abschnitt: Germanische Weltanschauungs-elemente im Totentanz
den Gesetzen des Schicksals und des persönlichen Lebenswillens. Trotzdem aber das Leben des Einzelnen in dieser Gemeinschaftskultur den steifen Lebensformen der Gemeinschaft leicht zum Opfer fallen kann, führt das Individuum in der Gemeinschaft ein weltumfassendes Leben. Soviel bedeutet ja auch Goethes Wort : Weite Welt und breites Leben. Schon in der Grimnismal der Edda-Sammlung legt der in der Maske des Grimir auftretende Odin die Grundlagen eines solchen weltumfassenden Menschenlebens nieder. Er elklärt, dass die Erde aus dem Fleische des Urriesen, Ymir, geschaffen ward, aus seinem Schweisse die See, aus seinem Gebein die Berge, die Bäume aus seinen Haaren und aus seiner Hirnschale der Himmel. Dieser mikro- und makrokosmische Parallelismus wird später zum Ausgangspunkt von anderweitigen Formulierungen der Idee von dem weltumfassenden Menschen-Ich, — wie z. B. in der Parzival-Sage, — und er wird wahrscheinlich auch die Ursache davon sein, dass man im Mittelalter gerade auf germanischem und deutschem Boden die Tofengestalten mit den Todesgestalten im Rahmen des aus dem Orient eingeführten Skelettkults miteinander so leicht verwechselte. Tacitus sagt es ausdrücklich in seiner Germania (I. 2), dass der erdgeborne, „zwiegestaltige", d. h. „gegensätzliche" Gott Tuisto oder Tuisko, sowie sein Sohn Mannus für die Stammwäter und Gründer des germanischen Volkes gehalten wurden. Die „Zwiegestaltigkeit", als der Ausgangspunkt zu einem urgermanischen Mannesideal, ist in ihrer gegensätzlichen Art „erdgeboren". Dasselbe sagt ja auch die mittelalterliche christliche Weltanschauung : der Zwiespalt im innern des Menschen rührt von seiner geistigen und zugleich körperlichen Wesenheit her. Nach der christlichen Weltanschauung soll dieser Zwiespalt durch Christi Leib und Blut überbrückt werden. Etwas Ähnliches meinte auch der Urgermane mit seinem Glauben an eine mystische Heiligkeit des Blutes, wenn auch in einer primitiven und abergläubischen Form des Fetischismus. Den anderen Gegensatz, welcher zwischen dem Geschick, dem Schicksal und dem persönlichen Lebenswillen nach der urgermanischen Weltanschauung bestand, wollte man mit Zauberhandlungen und Runenzauber, also mit einem primitiv-mystifizierenden Forschen nach den tiefsten Geheimnissen des Seins, beeinflussen und besiegen. Merkwürdigerweise lässt sich auch im Schrifttum des deutschen Frühmittelalters ein Kampf gegen zwei Gegensätze nachweisen. Den Gegensatz, der zwischen dem christlichen Lebensideal und der Tyrannnei der fünf Sinne besteht, wollte der deutsche Mann des Frühmittelalters mit dem „geistlichen Panzerkleide" des „miles christianus" für seinen eigenen, speziellen Fall unschädlich machen. Der zweite Gegensatz, der Unterschied zwischen einem irdischen Geschick und einem jenseitigen Schicksal, der Gegensatz zwischen Erden- und Himmelglück, sollte mit der Hilfe der Art eines höheren Wissens, durch das Wunder der „vollkommenen Erkenntnis" ausgeglichen werden, indem man nur jene Werte des irdischen Lebens ins Jenseits hinüberzuretten bestrebt war, welche auch nach den Gesetzen des jenseitigen Schicksals ihre Werte behalten, während ja die meisten „irdischen Güter" einem verheerenden irdischen Geschick zum Opfer fallen. Der letzten Einheit ihre Wege bahnen ! . . . das war die Grundlage der germanischen Weltanschauung vor zweitausend Jahren und charakterisiert heute noch die Zielsetzungen des Deutschtums. Weil die alten Götter zum letzten Rechte nicht den ausgleichenden Weg finden konnten, — mussten sie in der „Götterdämmerung" diesem universellen germanischen Weltanschauungsgrundsatz geopfert werden ! Und diesem Grundsatz opferte sein Leben der Cheruskerfürst Arminius, diesem germanischen Lebensziele folgte Karl der Grosse, als er die Gründung einer neuen europäischen Kultur durch einen Ausgleich der dreifachen Gegensätze der germanischen, klassisch-antiken und christlichen Kultursphäre versucht hatte. Aber sein Ideal ist schon der „miles Christi", ein dem Schicksal widerspenstiger Lebensrealismus . . . Und diesem verhängnisvollen Schicksal, das sich schon sehr früh in dem Gegensatz zwischen Germanentum und Romanentum zeigte, widersetzten sich auch die Ottonen. Die Ottonische Renaissance, die „zweite" gegenüber der „ersten" Karls des Grossen, entwickelte die Ideen Karls zum völligen Siege. Eigentlich war sie keine Renaissance in dem Sinne, wie man das Wort zu gebrauchen weiss. Denn sie war keine „Wiedergeburt" des Germanentums im Schosse des „römischen Imperiums deutscher Nation", sowie auch der zur Zeit des Bischofs Bernward von Hildesheim (t 1022) verbreitete „romanische Stil" eigentlich nicht „romanisch", sondern deutsch ist. Besonders Otto III., der jugendlichträumerische Fürst, der schon Rom zur Hauptstadt des deutschen Reichs erklären wollte, betrachtete sich im Sinne eines „Miles Christi" als einen „Knecht Petri", der dem „Knecht der Knechte Gottes" beistehend auch der geistigen Macht des Papstes teilhaftig zu werden würdig ist und auf seine universellen Vollmachten einen Anspruch erheben darf. Und es erfüllt sich unter diesem jungen Herrscher das Gesetz des Schicksals : der Gegensatz zwischen Römertum und Germanentum wird auf eine ganz radikale fArt überbrückt, Germanen, deutsche Bischöfe besteigen den päpstlichen Thron und behalten dabei ihr eigenes deutsches Bistum ! Die universelle geistliche und weltliche Macht des Zeitalters in deutschen Händen 1 Dabei zitiere ich eine Stelle aus dem Werke von P. R. Rohden, „Gestalter deutscher Vergangenheit". 1 In diesem von Rohden redigierten Sam1 Sanssouci-Verlag, Potsdam-Berlin, S. 100.