KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE II. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 5. (Budapest, 1944)

Erster Abschnitt: Germanische Weltanschauungs-elemente im Totentanz

„Soll und haben" von dem Herrn Specht, einem Kontoristen der geachteten Firma Schröter, in seinem possierlich eingerichteten Zimmer eine „Gartenlaube" errichten. An einem Haken der Decke hängt ein ungeheurer Reifen, von dem ein Bindfadensystem zu den auf dem Boden in der Runde stehenden Tongefässen führt. Herrn Spechts Treppenwitze und gewagte Bemerkun­gen wurden nämlich von seinen Kollegen nur da­mit zurückgewiesen : „Kürbis ! Kürbis !" .... Nun, und jetzt will er sich aus Rache im Zimmer eine Laube aus Efeu, Bohnen und Kürbisblüten zu­rechtmachen. Als aber Anton Wohlfahrt, der Held des Romans, eintritt, entdeckt er „in den Töpfen einige schwache Efeuranken,.. welche bestäubt und verkommen, wie die Überreste dämmeriger Traumbilder aussahen, welche dem erwachenden Menschen noch einige Augenblicke an den Fäden seiner Seele hängen, um gleich darauf für immer zu vergehen". Freilich auch die erhofften Kürbisblüten befinden sich noch in einem embryonalen Zustand und sehen aus, wie magere, spargelähnliche Gebilde. Als dann zu Ehren des Herrn Pix, mit dem sich Herr Specht gerne versöhnen möchte, ein kamerad­schaftlicher Festabend veranstaltet wird, werden die noch immer leer stehenden Bindfäden von Anton mit künstlichen, papierenen, trichterför­migen Kürbisblüten und falschem Laub aus­geschmückt. Nur mit einer solchen leer stehenden, küm­merlich mit papierenen Blüten gesmückten, exo­tischen Zimmerlaube wäre jene Literaturge­schichte zu vergleichen, die mit dem Studium der Werke einzelner Dichter oder Zeitalter nicht zugleich auch das poetische Erlebnis der Werke verbinden würde. Es kann also nicht genug eindringlich betont werden, dass man sich auch mit dem Studium der Totentanz-Literatur parallel unbedingt das persönliche Durchlesen und folglich auch Wie­dererleben der einschlägigen Texte und die Be­trachtung der betreffenden Bilder zur Aufgabe stellen muss. Man kann sich auch mit Über­setzungen und Übertragungen abhelfen, ..aber auch dann muss man an der Hand einer Über­tragung ins heutige Deutsch auch den Text im Original verstehen, die Bilder durch persönliche Betrachtung schmecken, ja geniessen lernen 1 Daher teile ich die wichtigsten Texte im Original und die Bilder in Reproduktionen möglichst mit 1 Sicherlich ist ja die Literatur und auch die Literaturgeschichte ein festes System, — darauf bezieht sich ja die Gleichheit des Wortes mit „littera t u r a". Literatur und Poesie bedür­fen ja zweifelsohne eines Systems, eines Rah­mens, einer Form. Aber es sollen die Hilfswis­senschaften der Literaturgeschichte, die Philolo­gie, die Handschriftenkunde, die Forschung nach genügender Lösung von Entstehungs-, Verfas­ser-, Überlieferungs- und Sprachproblemen nicht aus ihrer vermittelnden Rolle zum Hauptzweck und -Ziel unseres Literaturstudiums erhoben werden. Ein Literaturstudium, das sich nur in der Hingabe für die Hilfwissenschaften der Literatur­geschichte auslebt, das nur die verschiedensten literaturgeschichtlichen Monographien einzelner Zeitalter durchstöbert und dabei die Werke selbst nie kennenlernt, verdient das ironische Wort des Herrn Pix: Kürbis! Kürbis! .... Und am Ende sind es nicht einmal echte Kürbisblüten, sondern nur unechte Verstümmelungen des pulsenden Le­bens, überzogen, übertüncht mit einem dicken Bibliotheks- und Museenstaub 1 Daher bewegen sich unsere Ausführungen meist auf dem Gebiete der Motivgeschichte. Denn diese ist keine „Hilfs­wissenschaft". Sie steht mit dem Wesen der künstlerischen und poetischen Darstellung in Be­rührung und reproduziert ohne Vorurteil das grundlegende Verhältnis zwischen Natur und Kunst, ja das Systemlose im Werden eines vor Jahrhunderten ablaufenden Entwicklungs­prozesses. Das Erleben, der poetische, der künstle­rische Genuss widerstrebt also einem erklügel­ten System, ja er erstribt vom eisigen Hauch eines solchen, wie die ganze Pflanzen- und Blumen­welt nach dem ersten eisigen Herbstwind. Der Kunstgenuss — und ein solcher ist ja auch das selbstverlorene Lesen und Vertiefen in die Texte und Bilder des Totentanzes — gleicht einem leichten Traum, der momentan zergeht, wenn er von unserem „wissenschaftlich begründeten" Selbstbewusstsein berührt wird. Und doch 1 — Für Literatur und Kunst ist der Begriff „System" nicht ganz fremd. Ja, das Systemlose wird zu keiner Kunst 1 Und der grosse Strom des literarischen Lebens, der Poe­sie als einer Abspiegelung des Ewig-Schönen und Ewig-Menschlichen, fliesst im Flussbett einer für alle Kunsterscheinungen gleichartigen, ele­mentaren Konstruktion, man könnte sagen : in Dimensionen. Ich erlaube mir nur eine erläuternde Ana­logie aus dem Reiche der Musikkunst. Die Mu­sik verläuft in vier Dimensionen. Die Höhe und Tiefe ihrer notwendigsten Erscheinungsmaterie, der Töne, bildet die erste Dimension, welche sich nicht nur auf den höheren oder tieferen Klang der Musiktöne bezieht, sondern — was damit meist zu gleicher Zeit erscheint — auch am höheren Aufschwung oder tieferen Nieder­schlag der Gesamtstimmung und -Expansion eines Werkes, in seinem Gesamtbereich betrach­tet, ohne Mühe klar wahrzunehmen ist. Die zweite Dimension, die musikalische Kürze und Länge, bringt den Rhythmus in das musikalische Erlebnis. Was wir unter der dritten Dimension, der musikalischen Breite verstehen, das äussert sich in der Ein-, Zwei- und Mehrstimmigkeit. Und was heute so vielmal und so gern ver­nachlässigt wird, die vierte Dimension der Mu­sik, die Form, kann ebensowenig aus keinem Kunstwerk fehlen, wenn es überhaupt Werk sein will. Und weil sich in der Poesie und Literatur ebenfalls um Töne, um Sprechtöne handelt, die wie Musiknoten abgeschrieben und still, mit

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