KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE I. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 1. (Budapest, 1936)

ZWEITER TEIL. Entstehungsgeschichte der Grundmotive des Totentanzes

alles verlassen muss, was er hier in der Welt liebte und was er nicht mitnehmen kann, und wenn der Tod nur deswegen schrecklich ist, weil er mit einer furchtbaren Enttäuschung ver­bunden ist, und weil jeder Sterbende erst in der Sterbestunde einsieht, was er in der Welt hätte lieben sollen und was er hätte meiden und entbehren müssen: was wäre, wenn der Mensch so lebte, dass er in der Sterbestunde wenig­stens keine Enttäuschung hätte und dem Tod dadurch diesen Stachel des Schreckens ent­reissen könnte ? Der Begriff des „guten" und des „schlech­ten", „sündhaften" Lebens ist uralt und es galt nur an einem Beispiel dichterisch zu zeigen, wie es jenem Menschen geht, der „schlecht" lebt. Das „schlechte" Leben liegt eben in der Blindheit, die nur in jenen weltlichen Freuden ihr Glück sucht, welche mit dem Tod aufhören müssen. Die Eitelkeit dieser Lebensweise liegt gerade in der Unvermeidlichkeit des Naturge­setzes der Vergänglichkeit, während jener Mensch, der gut leben will, sich von diesen eitlen Freuden abwenden und ihre Lockungen als An­fechtungen abwehren muss. Die lockenden und eitlen Freuden der Welt werden nicht nur im Mittelalter nach ge­wissem Gesichtspunkt geordnet : „concupiscen­tia carnis, concupiscentia oculorum et superbia vitae" (l.Joh. 2. 16.). Auch im heidnischen Al­tertum werden „Nichtigkeiten" aufgezählt : Nich­tigkeit des Reichtums, Nichtigkeit der Liebe, Schönheit, Stärke, Mach, Nichtigkeit der Freund­schaft, der Treue, der Freunde usw. Anfangs, noch vor der Entstehung des Begriffes der Everymangestalt, wurde die Ent­täuschung des Menschen zur Todesstunde durch „Beispiele" dargestellt. Das Leben und Sterben eines Reichen, Starken, Schönen, die Sterbestunde eines Königs wurde gezeigt und auf alle Sünder verallgemeinert. Der Schluss war meistens die jenseitige Strafe des Sünders, die als „zweiter Tod" bezeichnet wurde gegenüber dem „ersten Tod", dem kör­perlichen Tod. Diese "Beispiele" der Enttäu­schung des Sünders in der Todesstunde sind im­mer vereinzelte Darstellungen einer Nichtigkeit, während die später entstandene „Everyman­Legende" die Enttäuschung Everymans auf mehrere „Nichtigkeiten" ausbreitet. Die drei Nichtigkeiten der späteren Every­man-Legende werden im ersten Dialog der To­tengespräche von Lukianos am genauesten be­schrieben : die Nichtigkeit der Weisheit, des Reichtums, der Schönheit und körperlichen Stär­ke. Als Diogenes dem Pollux den Auftrag ge­geben hat, Menippus in die Unterwelt zu rufen, übergibt er auch die Botschaft an die Philo­sophen, Reichen und Schönen, dass sie ihr eit­les Leben mit einer furchtbaren Enttäuschung enden müssen. Nur die Armen werden im Tod ihren Trost finden, denn sie waren besitzlos und werden in der Unterwelt mehr Recht haben, als sie in ihrem Leben jemals gehofft hätten, -79 ­denn sie werden da den Königen, Fürsten der Welt gleichgestellt. 1 Diogenes : Dürft' ich dich auch noch mit einem Auftrag an die besagten Philosophen selbst be­schweren ? Pollux : Herzlich gerne, sage nur ! Diogenes : Um es kurz zusammenzufassen : leg' es ihnen recht nahe, dass sie doch endlich ein­mal aufhören sollen, die Zeit mit Possen zu verder­ben, sich über die Universalia zu zanken, einander Hörner aufzupflanzen, Krokodile zu machen und junge Leute auf dergleichen läppischen Spitzfindig­keiten einen Wert legen zu lehren. Pollux : Aber sie werden sagen, ich sei ein ungelehrter Dummkopf, dass ich mir herausnehme, ihre Weisheit zu hufmeistern. Diogenes: So sage du ihnen in meinem Na­men, sie sollen an den Galgen gehen. Pollux: Ich will alles getreulich ausrichten, Diogenes. Diogenes : Auch an die Reichen, liebes Pol­luxchen, hätte ich dir noch ein Paar Worte aufzu geben. Sag' ihnen in meinem Namen : ihr Narren, wofür hütet ihr euer Geld ? Was plagt ihr euch mit Anrechnung eurer Zinsen, und wozu häuft ihr Tau­sende auf Tausende an, da ihr doch in kurzem mit einem einzigen Obulus im Munde ins Reich der To­ten wandern müsst ? Pollux : Gut ! Es soll ihnen gesagt werden. Diogenes: Und den Schönen und Starken, dem Megillus von Korinth und dem Ringer Damo­xenus sage: es gebe bei uns weder gelbes Haar, noch schwarze, blitzende Augen, noch blühende Ge­sichtsfarbe, noch straffe Sehnen und breite Schultern mehr, sondern nichts als kahle Schädel, die einan­der der Schönheit halber nichts vorzuwerfen haben. Pollux : Auch diesen Auftrag will ich mir nicht verdriessen lassen. Diogenes : Und den Armen, unter denen so viele sich gar nicht darein finden können und im­mer über ihre Dürftigkeit wehklagen, sage, sie sol­len dem Winseln und Heulen ein Ende machen und erzähle ihnen, wie hier alle gleiches Standes sind, und sie würden sehen, dass die dortigen Reichen bei uns keine Vorzüge haben." Diese Formulierung der Nichtigkeiten ist sehr wichtig, da sie von Lukianos samt den Dar­stellungen des Zustandes der Seelen in der Unterwelt im Tartarus, den Eleusinischen My­sterien entnommen wurde und ebenso aus dem Orient stammt, wie die spätere arabische Everymanlegende von der Freundschaftsprobe. Im Orient waren die Nichtigkeiten seit uralten Zeiten bekannt und wurden auch durch die jüdische Literatur und Lebensanschauung verbreitet. Ähnliche Stellen, wie bei Lucian, Dar­stellungen einzelner Nichtigkeiten, sind in der hl. Schrift in grosser Anzahl zu finden : Baruch. 3, n. ie —19: (11.) Du bist alt geworden in fremdem Lande, verunreinigt bist du mit den To­ten, wurdest zu denen gezählt, die in die Unterwelt hinabsteigen .... (16.) Wo sind die Herrscher der Völker, und die, welche über die Tiere auf Erden gebieten, (17.) die sich an den Vögeln des Himmels spielend ergötzen, (18.) die Silber und Gold anhäufen, 1 Lucians von Samosata sämtl. Werke, übers, von Wieland. II. Teil. Lzg. 1788. S. 197-199.

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