KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE I. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 1. (Budapest, 1936)

ZWEITER TEIL. Entstehungsgeschichte der Grundmotive des Totentanzes

rades" abzuleiten. 1 „Jedermann" ist eine Personi­fikation aller Menschenalter (das besitzlos, nackt ins Leben tretende Kind — der Jüngling — Mann — Greis — der besitzlos, nackt aus dem Le­ben scheidende „Mensch"), sowie aller Stände (vom Kaiser und König bis zum Bettler und bis zum Kinde). Deswegen war auch jederzeit eine Vermengung des Lebensrades (Jedermann) und des Glückrades (Standesliteratur) leicht möglich. Das Problem des eigentlichen Wesens der Every­mangestalt lässt sich durch die Entstehungs­geschichte der Standesliteratur lösen. Die Eitelkeit der Stände und die Beglei­chung aller Standesunterschiede durch den Tod ist allgemein menschlich bekannt, daher ist auch der Umfang der Standesliteratur seit den allerältesten Denkmälern der Weltliteratur so ungeheuer zugewachsen, dass sie nur im Rah­men einer enzyklopädischen Zusammenfassung bearbeitet werden könnte. Hier sollen nur jene weitverbreitetsten Werke erwähnt werden, durch deren Nachahmung gerade zur Zeit des Werde­ganges der Totentanzmotive mehrere Stufen der Entstehungsgeschichte der keimartigen Ele­mente bestimmt wurden und deren Entwick­lungsform und Zeit mit jener der Urquellen der mittelalterlichen Kunst übereinstimmen. Eines der wichtigsten Denkmäler ist das Buch Ecclesiastes (Prediger) im Alten Testa­ment. Es ist eines der grössten Vergänglich­keitsgedichte, das mit dem Aufruf „Vanitas Va­nitatum (dixit Ecclesiastes) Vanitas vanitatum, et omnia vanitas" (Prolog. 1, 2) beginnt und endet. Der erste Teil mit dem Titel „Vanitas omnium rerum" ist die Auflösung dieses allge­mein menschlichen Satzes in der Darstellung der Vergänglichkeit der einzelnen Stände. Das erste Kapitel, die Nichtigkeit der Weisheit (Va­nitas studii sapientiae) leitet seine Darstellung wiederholt mit dem Aufruf ein : (Vs, 2—4.) „0 Eitelkeit über Eitelkeit 1 Alles ist Eitelkeit ! (3) Was hat der Mensch mehr von all seiner Arbeit, mit der er sich unter der Sonne abmüht? (4). Ein Geschlecht geht dahin, und ein anderes kommt; die Erde aber steht allezeit fest." Im zweiten Kapitel werden die Eitelkeit und Nichtigkeit der irdischen Freuden erwogen. Während im er­sten Kapitel von der Unzulänglichkeit der Er­forschung ewiger Wahrheiten gesprochen wurde, sind der Grundgedanke des dritten Kapitels die Nichtigkeit und Vergänglichkeit weltlicher Weis­heit („Si unus et stulti et meus — sapientis — occasus erit, quid mihi prodest quod maiorem sapientiae dedi operam ?"), sowie des übermäs­sigen Reichtums („Rursus detestatus sum om­nem industriam meam, qua sub sole studiosis­sime laboravi, habiturus heredem post me, quem ignoro, utrum sapiens an stultus futurus sit, et dominabitur in laboribus meis, quibus desudavi et sollicitus fui ; et est quidquam tarn vanum ?" 1 S. Taf. VI. Fig. 3. 72 ­Vs. 15—19.). Eine dem mittelalterlichen Begriff der Stände nahezu gleichstehende Standesreihe ist im vierten Kapitel enthalten („Vanitas la­borum humanorum"). Hier wird die Eitelkeit der mühevollen menschlichen Beschäftigungen und die Nichtigkeit der königlichen Würde ge­lehrt. Die Reihe der Stände, Berufe und Wür­den wird im fünften Kapitel fortgesetzt : „Va­nitas Iaborum humanorum." Wie innig die Everymangestalt mit der Standesliteratur und der Darstellung des Glücksrades zusammen­hängt, kann durch das sechste Kapitel auch textlich bewiesen werden. Der Grundgedanke ist : die Unbeständigkeit des Glückes, „Vanitas fortunarum". Nach der Standesreihe der vor­angegangenen Kapitel folgt hier eine Erwäh­nung jenes „reichen" Everyman der späteren mittelalterlichen Jedermanngedichte. „Est et alia infirmitas pessima, quam vidi sub sole : divitiae conservatae in malum domini sui. Pereunt enim in afflictione pessima : generavit filium, qui in summa egestate erit. Sicut egressus est nudus de utero matris suae, sic revertetur, et nihil auferet secum de labore suo. .. Quid ergo prod­est ei quod Iaboravit in ventum? Cunctis die­bus vitae suae comedit in tenebris et in curis multis, et in aerumna atque tristitia (5 12—16)." Trotzdem es hier betont wird, dass der Reiche nichts von der Welt mit sich nehmen kann, wird im weiteren Text zur Sammlung der gu­ten Werke gemahnt, die den Menschen allein in die Überwelt hinüberbegleiten. Es ist ein Motiv, das in der späteren Everymanlegende sehr grosse Rolle spielt. (6 1—6): „Est et aliud malum, quod vidi sub sole, et quidem frequens apud homines : Vir cui dedit Deus divitias et substantiam, et honorem, et nihil deest animae suae ex omnibus, quae desiderat : nec tribuit ei potestatem Deus ut comedat ex eo, sed ho­mo extraneus vorabit illud. Hoc vanitas, et mi­seria magna est. Si genuerit quispiam centum liberos, et vixerit multos annos, et plures dies aetatis habuerit, et anima illius non utatur bo­nis substantiae suae, sepulturaque careat : de hoc ego pronuncio, quod melior illo sit aborti­vus. Frustra enim venit, et pergit ad tenebras, et oblivione delebitur nomen eius. Non vidit solem, neque cognovit distantiam boni et mali: etiam si duobus millibus annis vixerit, et non fuerit perfruitus bonis : nonne ad unum locum properant omnia ?" (Der „Gisant-Typ" wird also schon im Alten Testament keimartig mit der Everyman Legende vereinigt). Der zweite Teil der Ecclesiastes führt den Titel : Praecepta sa­pientiae, und enthält Warnungen vor den Ge­fahren des Lebens. Kap. I. De recta vitae via ; Kap. II. De muliere ac rege. Das letztere Ka­pitel ist die Darstellung der Nichtigkeit der Schönheit. („ ... et inveni amariorem morte mulierem, quae laqueus venatorum est, et sa­gena cor eius, vincula sunt manus illius, qui placet Deo, effugiet illam."; wie in der ara­bischen Everyman-Legende die „Vana Pulchri­tudo" der „Visio Heremitae".)

Next

/
Thumbnails
Contents