KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE I. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 1. (Budapest, 1936)
ZWEITER TEIL. Entstehungsgeschichte der Grundmotive des Totentanzes
des Kaisers festzuhalten, den Gestorbenen mit einer Wachsfigur gleichzustellen, die ihn noch als Lebenden oder kurz nach dem Tod auf der Bahre Liegenden verbildlicht, ist eine Idee unverkennbar orientalischen Ursprungs. Diese in Rom verbreitete Mode scheint die Ursache zu sein, warum die Leiche eines Casars im Mittelalter zu einem Gisant-Typ ex offo wurde und warum der Name Casars in den Nichtigkeitsgedichten (mit der Redensart „Ubi sunt?") fast ausnahmslos erwähnt wird. Sogar in dem Sermon XLVI1I der Sermones ad fratres in eremo, welche erst nachträglich dem hl. Augustinus zugeschreiben wurden, 1 wird erzählt, dass Augustinus unter dem Präfekten Pontianus (?) in Rom in ein Grabmal geführt wurde, wo er die Leiche Cäsars als ein Beispiel der Nichtigkeit der Macht betrachtete. Dieser Sermon, sowie auch andere Stücke derselben Sammlung sind auch deswegen besonders wichtig, weil hier (wahrscheinlich im Laufe des XII —XIII. Jahrhunderts) als in einer Vorstufe der „Gesamtlegende" die Standesreihe mit der Everymanlegende, mit der Gisant-Typ-Legende und mit der Altercatio animae et corporis in Verbindung trat. 2 Die klassiche Formel des dreifachen Gisant-Typs kehrt noch in der Pseudo-Augustinus-Schrift „Speculum peccatoris" wieder, welche im X. Jahrhundert von einem Unbekannten geschrieben und erst nachträglich dem hl. Augustinus zugeeignet wurde. 3 Nach einer Betrachtung der Letzten Dinge folgt eine ausführliche Beschreibung des Zersetzungsprozesses und als drei Stufen der Verwesung der „Pulchritudo" werden „putredo, cinis et vermis" aufgezählt: „Quando enim homo fit non homo, hoc est, quando aegrotescit, aegrotando aegritudo ereseit, peccator expavescit, cor contremescit, caput obstupescit, sensus evanescit, virtus exarescit, vultus pallescit, facies nigrescit, oculus tenebrescit, auris surdescit, nasus putrescit, lingua fatiscit, os obmutescit, corpus tabescit, caro marcescit : func carnis pulchritudo fetor efficitur et putredo, tunc homo solvitur in cinerem, et vertitur in vermem " „Post hominem vermis, post vermem fetor et horror. Sic in non hominem vertitur omnis homo." 4 Eine wundervolle Vereinigung des Lebensrades oder Menschheitsrades mit dem GisantTyp-Vorgang ist das dem hl. Anseimus von Canterbury (1033—1109) zugeschriebene Gedicht mit dem Titel „Aliud Carmen de Contemptu Mundi." 5 Der Aufstieg des Menschen auf dem Lebensrade beginnt mit seiner Entstehung im Mutterleibe und der Niedergang endet mit der Rückkehr zur „Mutter Erde." Es entsteht ein vollständiges Gisant-Typ-Rad, da die Verwesungsstadien als Fortsetzungen oder Paralleler1 Migne. Patr. lat. 40. Appendix. Sp. 1330-1. 2 darauf wollen wir noch zurückkommen. 3 Migne, Patr. lat. 40. Sp. 983. ff.; Kap. V. Sp. 987-988. 4 Bernard. Meditationes, cap. 3. 5 Migne, Patr. lat. 158, Sp. 705—707; bzw. Sp. 706 C—D. scheinungen der Lebensalter den Lebensaufstieg mit einem Todes- und Verwesungsabstieg zur gänzlich abgerollten Kreisbewegung ergänzen. Der typische Legendenspruch ist unverbleiblich. „Die homo, die pulvis, quare putredo superbis? Die quid sis, quid eris; memor esto quod morieris. In cinerem vermis post mortem regredieris : Despice quod sequeris, cognosce viam rationis. An leges nescis humanae conditionis ? Corpus humo fit : Corpore semen : Semine sanguis : Sanguine corpus : Sic hominis corpus matris concrescit in alvo : (Sp. 707 A). Sic hominis corpus terrae putrescit Corpore tabes : [in alvo : Tabeque vermis : Verme cinis fit : Pulvere terra. Sic hominis corpus de terra matre creatur : Sic hominis corpus in lerram regredielur." 6 Eine der bedeutendsten Wendungen der Entwicklungsgeschichte der Gisant-Typ-Legende bis zur Legende der drei Lebenden und drei Toten ist die „Disciplina C 1 e r i c a 1 i s" von Petrus Alphonsus'.. im XII. Jahrhundert. Das Werk ist eine Übersetzung der arabischen Sprüche und Erzählungen eines orientalischen „Philosophen", namens „Enoch" (arabisch : Edric). Die Neuerungen dieser Legendenfassung sind : 1. In der XXX. Fabel der Sammlung wird eine Grabschrift zitiert, in welcher der im Grabe liegende Tote dem Vorübergehenden erzählt, wie man ihn beweint hat, als er gestorben ist, als er aus der Mitte seiner Freunde und Verwandten vom Tod verschleppt wurde ; wie man ihm die letzte Ehre erwiesen hat, während sein Körper unter der Erde nach und nach der Verwesung zum Opfer fiel. Endlich fordert er den Leser auf, das Grab zu öffnen und nachzusehen, wie weit sein einst so schöner Körper bis zur Unkenntlichkeit verwandelt und vernichtet wurde. Hier werden also die drei Verwesungsstadien im Rahmen einer zusammenhängenden Erzählung aneinander gereiht. Der schrittweise ablaufende Übergang zur Darstellung des deutschen Heinrich und zu den französischen Variationen von drei Lebenden und Toten ist klar. Diese Form führte aber nicht nur zur bekannten Erzählung der Legende von den drei Lebenden und Toten, sondern sie half auch zur Erweiterung der Everyman-Legende. 2. Diese Everyman-Legende wurde in der keimartigen Form der Freundschaftsprobe im Rahmen der I. Fabel in diese Sammlung der Sprüche des orientalischen Philosophen ebenfalls aufgenommen. Die Darstellung des Todes 6 Ähnliche Motive finden sich auch im Werke Exhortatio ad Contemptum Temporalium. Migne, Patr. lat. 158. Sp. 677 ff.; bzw. Sp. 684-685 ; vgl. Étienne Gilson : Les idées et les lettres. Paris, 1932. „Ubi est?" S. 17. Anm. 1. 7 Ein Jude namens Moses Sepharda ; Mediziner, Leibarzt Alfons' I. v. Aragonien* 1062, t ca. 1140; vgl. ed. v. Labouderie Paris 1824 und F. W. v. Schmidt 1827.