KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE I. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 1. (Budapest, 1936)
ZWEITER TEIL. Entstehungsgeschichte der Grundmotive des Totentanzes
- 59 Ausdruck gebrachte Gisant-Typ-Rad, welches fast ausnahmslos kosmographische Vorbilder hatte, war scheinbar den Griechen, wie den Römern unter dem Namen „Kreislauf der Sterblichen" recht wohl bekannt. Während aber nach Heraklitos der Lebensinhalt des Lebensflusses unwiderruflich an uns vorüberfliesst, ist der „Kreislauf der Sterblichen" z. B. bei Celsus 1 zu einem System von Evolutionsgesetzen, zu einer festgesetzten Ordnung der Weltperioden geworden, nach welcher in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft immer dasselbe entsteht. Dieser Hinweis auf das „Zeitrad", auf die sich wiederholenden Lebensvorgänge, welche aus der Vergangenheit in die Zukunft münden, zeigt, wie naheliegend der Zusammenhang zwischen dem Gisant-Typ-Rad und den zur Zeitrechnung dienenden Himmelserscheinungen ist. Wie später der Wechsel der Jahreszeiten, des Tages und der Nacht zur Erklärung der Auferstehung herangezogen wurde 2, so äusserte sich auch im Gisant-Typ- und Lebensrad-Begriff des Heidentums nicht nur ein bewussfer Betrachtungswille, der sich auf den Verwesungsgang richtete, sondern auch der Glaube an eine Wiederkehr des Lebens. Die Hekate-Gestalt des griechisch-römischen Altertums ist der mythologische Ausdruck dieses mit dem Zeitrad kombinierten GisantTyp-Rades. 3 Die Angaben von einem heidnischen Hekate-Kult sollen hier (auf Grund des Peez-Lexikons) vom Standpunkte des Gisant-Typund Zeitrades aus eingehend besprochen werden. 'Exccrtj („die Weitleuchtende"), eine Mondgöttin von Thrakien, war nur in den unteren Volksschichten beliebt. Als die Tochter des Perseus (Perses) und der Asteria oder des Zeus und der Demeter, als Unterweltsgöttin oder Göttin der Toten und die Tochter des Tartarus 4 hatte sie in der mythologischen Vorstellung, sowie in der antiken darstellenden Kunst eine ältere und eine jüngere, derivate Erscheinungsform. Die ältere Gestalt der Hekate, welche die Rolle einer mystischen Göttin spielt und als Gottheit des Glückes und Sieges weise Einsicht den Richtern, Erfolg auf der Jagd, Glück am Meer und Gedeihen Menschen und Tieren schenkt, erlebt unter orphischem Einfluss eine Vermengung mit anderen Göttinnen. So wird sie die Dienerin der Demeter, deren Tochter sie suchen hilft. 5 Dieser mythologische Zug unterzieht die alte Erscheinungsform der Hekate einer grossen Umwandlung. Sie wird zur Unterweltsgöttin, Göttin der Geister, der Magie, der Hexerei. In dieser verwandelten Form der älte1 von Origenes zitiert : Contra Celsum IV. 65.. vgl. im zweiten Origenes-Band der Bibl. d. Kirchenv. Ubers, v. Koetschau. München 1912. S. 384. 2 wie z. B. im 1. Klemensbriel ca. 160 an die Korinther geschrieben, Kap. 24; Bibl. d. Kirchenv. Die apostolischen Väter. Übers, von Fr. Zeller, S. 42—43. 3 vgl. Peez Vilmos : Ókori lexikon. Budapest 1902. Bd. I. S. 871 ab—872 a. 4 Hesiodos, Theog. 411—452. 5 Hymn. Horn, in Cer. 25. 52. 441. ren Gestalt heisst sie Crataeis (Koarmtg), die mit den Seelen der Verschiedenen die Kreuzwege nächtlich aufsucht (trivia) und in die Gräber einkehrt, welche sie unterwegs zu beiden Seiten der Landstrasse findet (xvpßidia). Die Hunde heulen, wenn sie irgendwo vorüberzieht, weil sich die Hunde der Unterwelt in ihrer Begleitung befinden. Von dieser älteren Gestalt, welche (besonders zur Zeit des Neumondes) ursprünglich in Klein-Asien (in der Provinz Caria und in den Nachbarprovinzen), später durch die Vermittlung der Cydas-Inseln auch in Griechenland (Argolis, Arkadien, Salamis, Attika, Thessalia) verehrt wurde, erzählt Hippolytus von Rom, 6 wie sie die Magier angerufen und beschwört haben. Wenn das Volk die Hekate im Feuer von einem tosenden Schwärm der Geister begleitet durch die Luft reiten zu sehen wünschte, so Hess irgendein Mitspieler des Magiers einen mit Werg umwickelten und in Brand gesteckten Habicht los. Die Zauberformel, nach welcher das geschah, lautete : „Unterirdische, irdische, himmlische Bombo, erscheine, Göttin des Wegs, des Dreiwegs, o nachtwandelnde Leuchte, Feindin des Lichts, doch Freundin der Nacht und traute Genossin, Die sich erfreut am Hundegebell und vergossenem Blute, Die durch Leichen hinwandelt und über die Gräber der Toten, Dürstend nach Blut, und Grauen einjagt den sterblichen Menschen, Gorgo, Mormo, Mene, du vielgestaltige Göttin, Komme, wir flehen, und gnädig erscheine bei unserem Opfer." Die Bemerkung von einer „vielgestaltigen" Göttin ist schon als eine Allusion auf die jüngere Form der Hekate aufzufassen. Die ältere Form hatte nämlich nur eine Gestalt, welche an die sitzende Weibesgestalt der Athene erinnert (z. B. auf einem Terracotta-relief zu Athen aus dem VI. Jahrh. v. Chr.), meistens eine Fakkel in der Hand hält (auf antiken Vasen) oder auf einem Löwengespann dahinfährt (auf Münzen aus Thyatira). Ein neuer Typus der Darstellung der Hekate hängt mit ihrer Wesenheit als einer Mondgöttin zusammen. Der zunehmende Mond, der Vollmond und der abnehmende Mond gab eine ganz besondere Darstellungsmöglichkeit der Göttin Hekate, welche dem Zeitrad entspricht und auch mit dem Gisant-Typ-Rad in Verbindung trat. Den drei Mondphasen entsprechend wurde auch Hekate dreileibig aufgefasst. Diese Form hat zwei Abzweigungen. Sie wurde entweder dreimal nebeneinander abgebildet oder mit einem Leib, aber drei Köpfen. Das älteste Beispiel jener dreileibigen Hekate, deren Darstellung den Hekate-Begriff in drei voneinander abgesonderten weiblichen Gestalten zerlegt, ist 6 Philosophumena, IV. 35—36. Bibl. d. Kirchenv. 40. S. 72—73; ca. 222—235 entstanden.