KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE I. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 1. (Budapest, 1936)

ERSTER TEIL. Einführung in den Stand der neuesten Forschungsergeb nisse

viduellen Erfindungen viel häufiger zur Geltung kommen. In der sog. „Gesamtlegende" war die Darstellung der Todesgestalt z. B. noch ganz unsicher. In Pisa ist der Tod noch weiblich, furienhaft, während er in Subiaco — zwar ebenfalls weiblich — zu einem Skelett wird. Die spätere Todesgestalt ist geschlechtloses Ske­lett und eher männlich, als weiblich. Wenn die Forschung die Grenze des „Allgemein-Mensch­lichen" erreicht hat, das Typische aufhört und das Individuelle noch in voller Freiheit waltet, dann soll erst nach einer Entstehungsquelle ge­sucht werden. Auch das Individuelle fusst teil­weise im „Allgemein-Menschlichen", im Unter­bewusstsein. Die genialsten Erfindungen, die kunstvollsten Neuerungen eines Dichters oder Künstlers haben teilweise allgemein mensch­liche Grundlage. Nachdem also der Forscher das Individuelle vom späteren „Allgemein­Menschlichen" losgelöst hat, muss er jene unter­bewussten Quellen suchen, aus denen das In­dividuelle kam. III. Das „Allgemein-Menschliche" 1 Alle Werke der Vergänglichkeitsliteratur, auch ausserhalb der Totentänze, haben gemein­same Grundgedanken, welche nicht durch Tra­dition übernommen werden müssen, welche je­dem Menschen verständlich, für jeden Dichter und Künstler zugänglich sind. Diese „allgemein menschlichen" Gedanken können in der Toten­tanzforschung in Betracht kommen, insofern sie auch durch andere Motive spezialisiert werden. „Alles ist vergänglich". Das ist ein „all­gemein menschlich" bekannter Satz, den jeder Mensch selber erfahren, an allen Dingen der Welt, in allen seinen Taten, an seinen Mitmen­schen, am Wechsel der Zeit, der Natur, am ganzen Dasein beobachten kann. Es würde nie­mandem einfallen einen Dichter des Plagiats zu verdächtigen, wenn er über diesen Satz schreibt. Allgemein menschlich ist also selbstver­ständlich auch der Satz, dass „jeder Mensch sterben muss." Das ist der bekannte „Jeder­mann-Satz," den man schon seit uralten Zeiten in der „Jedermann"- oder „Everyman"-Gestalt verkörperlicht. In diesem Satz kommt die All­gemeinheit ohne Ausnahme zur Geltung. Das „Ohne Unterschied des Alters oder des Standes," ist nur die Variation des Jedermann-Satzes. Im „Sterben ohne Ausnahme" ist schon die Grund­lage des „Zeit- und Glücksrades," der „Stan­desliteratur" und der „arabischen Nichtigkeiten" vorhanden. Als Quelle der zweiten allgemein mensch­lichen Idee gibt die Betrachtung menschlicher Leichname, Skelette, Knochen, Schädel gele­gentlich einer Beerdigung oder Exhumierung jedem Menschen Gelegenheit, das „allgemein menschliche" Beispiel oder Symbol der Sterb­lichkeit, das Skelett, den Leichnam, kennen zu lernen. Auch die Darstellung eines Leichnams, die Idee, dass der Leichnam oder das Skelett ein ebenso allbekanntes Beispiel des Todeszu­stades, des Totseins ist, wie die „Jedermann"­oder „Everyman"-Gestalt des absterbenden Le­bens, beruht auf keiner Tradition. Sie ist jeder­zeit, jedem Menschen geläufig. Auch die Todesfurcht lernt jeder Mensch kennen. „Die Notwendigkeit" des Sterbens ist die Ursache der Furcht. Die Todesfurcht ist eine Scheu vor dem gänzlichen Vergehen und Auflö­id das Traditionelle im Totentanz sen ins Nichts. Der Mensch fühlt instinktiv, dass der Tod für ihn etwas Erniedrigendes bedeutet, er fühlt, dass ihm ursprünglich nur das Leben gebühre und dass der Tod, das Vergehen des Körpers, so beschämend ist, wie eine Strafe das Kind beschämt. Die Todesfurcht ist eine Scheu vor einer unerbittlichen, tötenden Macht. Dass diese Macht in irgend einer Form vorhan­den ist, kann von jedem Menschen von jeder Tradition unabhängig wahrgenommen werden. Die Personifikation der Todesmacht ist also auch allgemein menschlich. Diese allgemein menschlichen Ideen und Vorstellungen sind aber nur Grundlagen der Totentänze, können die Entstehung der Toten­tänze nicht restlos erklärbar machen. Schon die etruskische „Genienreihe" ist eine Zusammen­fügung der „Standesreihe" mit der in den Ge­nien personifizierten Todesmacht, trotzdeoa wäre es fehlerhaft, die „Genienreihe" einen Toten­tanz zu nennen. Der Unterschied zwischen der Genienreihe und dem Totentanz ist der, dass die Genienreihe, sowie der Totentanz aus­ser den „allgemein menschlichen" Motiven auch traditionelle Motive aufweisen, welche in beiden Fällen eine lokale Bedeutung haben. Traditionelle Motive sind die Waffen des Todes und der Toten im Totentanz. Traditionell ist der Bogen und Pfeil, sowie die Lanze des Todes. Traditionell und nicht allgemein ist das Motiv des Tanzes, in dem die grosse Bedeutung der Musik im Menschenleben zum Ausdruck kommt. Die „allgemein menschlich" bekannte Todesmacht hat ein schreckliches Lockmittel, die Musik, da nach uralter Auffassung die Mu­siktöne mit den Urgesetzen des Weltalls und der Natur identisch sind und da das Leben ge­rade von dieser Seite aus am leichtesten zu ver­nichten ist. Die Zahlverhältnisse der Musik sind Zahlverhältnisse der Naturgesetze und nach orientalischer Anschauung lässt sich durch die Variierung einzelner individueller Zahlen mit den in der Musik geltenden Zahlverhältnissen der Naturgesetze der Zeitpunkt des Todes einzelner Menschen ausrechnen. Der Tanz hat also eine prophetische Kraft und wer den „Todes-Tanz" und die „Todes-Musik" vernimmt und tanzt, dem wird seine Zukunft geoffenbart. Das sind

Next

/
Thumbnails
Contents