KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE I. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 1. (Budapest, 1936)
DRITTER TEIL. Entwicklung der Todes-Tanz- und Toten-Tanz-Motive in der lehrhaften Dichtung des Mittel-alters und in den Urtypen der Todes- und Toten-Legenden - ZWEITER ABSCHNITT. Grundformen der Todes- und Toten-Legenden
-— 2?2 — sich aus Italien bald nach ganz Europa verbreitet. Fast gleichzeitig mit dem Original des Textes zu Ferrara erscheint das Motiv in Österreich, in Melk. Ein Laiendichter, der später in das HildegardsKloster eintritt, ein Zeitgenosse Hildegards von Bingen, schrieb zur Blütezeit der mittelalterlichen Mystik ein „Memento mori"-Gedicht, eine aszetische Strafpredigt gegen die Fehler aller Stände, eine bittere Satire der törichten weltlichen Bestrebungen, eine anschaulich grausame Darstellung des schrecklichen Zustandes des Körpers und der Seele nach dem Tod. Das Gedicht hat zwei Abschnitte : I. Nach der Art der Vadomori-Gedichte zählt Heinrich die Fehler und die Sünden der verschiedensten Ständevertreter auf. „Owe armiu phaffhäite" (Zeile 35 ff.) — beginnt er seine Mahnungen an die höhere Geistlichkeit („Den daz vingerl unt der stab ist geben" Z. 61 ff.). Bald spricht er von der niedern Geistlichkeit und von deren Führern, vom Bischof, Pfarrer, Probst, Abt (Z. 66 ff.). Aber auch die weltlichen Stände entgehen dem grimmigen Gericht und Urteil des wahrhaft religiösen Laienbruders nicht (Z. 264 ff.). Frei verkündet er die Ungerechtigkeit der Richter, die Sittenlosigkeit und Eingebildetheit der Ritter, die unbarmherzige Unterdrückung der Armen durch die tyrannischen Fürsten, die Eitelkeit der Frauen niedern Standes, die alles den höheren Damen nachmachen wollen, furchtlos spottet er über den Geiz der Reichen, über die Sittenlosigkeit der Jugend. Er schreibt auch über Rom und tadelt die zu weite Entfernung der oberen und niedern Stände und beschuldigt die unüberschreitbare tiefe Spaltung der verschiedenen Kasten. Endlich bemerkt er, dass er durch die Aufzeichnung der Wahrheit („den Orden hän ich zerbrochen", Z. 440.) diesem Übel ein Ende gemacht hat. II. Den zweiten Abschnitt betitelt er : „Von dem gemäinen lebene", d. h. von der allgemeinen Nichtigkeit des Lebens, von der Vergänglichkeit (Z. 450 ff.). Nach der Art der „Contemptus mundi"-Gedichte schreibt er über das allgemeine Gesetz des Sterbens. Im Zusammenhange mit dieser Darstellung verwendet er die „Gisant-Typ"-Legende (Z.559 —933. Kürschner : Bd. 9. S. 85—96.), deren Motive der französischen Legendenform um eine Stufe näher stehen, als dem lateinischen Gedichte zu Ferrara. Ist der Ursprung der schon mitgeteilten drei lateinischen Gedichten von Jammerruf des Toten, vom Monolog des einen Lebenden bei mehrmaliger Betrachtung des dreimal in verschiedenen Stadien der Verwesung dargestellten einen Tot n und vom Dialog der drei Lebenden vor dem dreimal abgebildeten einen Toten handschriftlich kaum festzusetzen, so ist ihre Entstehung im XII. oder sogar im XI. Jahrhundert gerade durch das Todes-Gedicht Heinrichs bedingt. 1. Er beginnt mit einer Aufbahrungsszene. Kurz nach dem Tode des Gestorbenen werden Vorbereitungen zu seiner Beerdigung getroffen. Der Tote war ein mächtiger Herrscher und jetzt liegt sein Leichnam ruhig hier und wenn er auch drei Reiche regiert hätte, so wird ihm trotzdem nur ein dürftiger Platz in der Erde gegeben, den er mit den Armen, seinen Untertanen teilen muss. Das hier wiederkehrende orientalische Bild vom Tode Alexanders des Grossen, welches durch die Disciplina Clericalis von Petrus Alphonsus verbreitet wurde, ist nicht schwer zu erkennen. Jetzt liegt der Tote bewegungslos da, mit einer prachtvollen Decke zugedeckt und zu Ehren seiner gewesenen Grösse werden Myrrhe und Weihrauch gebrannt. Seine Verwandten und Freunde haben sich um seine Bahre gesammelt und wollen, sein irdisches Dasein wehmütig verlängernd, die Beerdigung je weiter ausschieben. Sie alle haben nur ein Ziel, einen Wunsch, den Toten mit grössfer Feierlichkeit zu bestatten und dann seine Herrschaft und seinen Reichtum unter sich zu teilen. Hiemit endet die erste Everyman-Vision, die Darstellung der Vergänglichkeit der Macht. Der Tote ist der erste Leichnam der „Gisant-Typ"-Legende, ein soeben gestorbener König. Dieser erste Teil (Z. 564—589.) ist die Darstellung einer Sterbeszene der Everymanlegende, in welcher der Tote als Beispiel der Vergänglichkeit zur guten Lehre dient, aber ein stummer Toter bleibt (wie auf manchen altchristlichen Grabschriften, auf denen der den Leichnam betrachtende Lebende monologisiert). 2. Der aufgebahrte Tote wird nicht gleich beerdigt, man verlängert seinen irdischen Aufenthalt um zwei-drei Tage oder er wird noch länger aufbewahrt, als wollte man ihn gegen die Verwesung schützen (Z. 590—591.). So wird aber der Tote der Welt bald unangenehm. Nun müssen sich bald alle scheiden. Die Frau des Toten besucht die Bahre (Z. 597.). Sie muss sehen, wie sich das Antlitz ihres Mannes verändert hat, wie seine Glieder steif, wie seine Augen starr geworden sind. Sie muss betrachten, dass die Mienen ihres Mannes, die ihr so vielmals entgegengespielt haben, unbeweglich sind, dass seine Zunge, die zu ihr so getraut sprechen konnte, trocken im Munde liegt und ewig stumm bleibt. Seine Arme liegen kraftlos und er kann sie niemehr zur Umarmung aufheben (der in „Gisant Stellung" liegende Tote). Was aber am fürchterlichsten ist, sein Bauch ist schon aufgebläht und aus seinen Gedärmen steigt ein unerträglicher Leichengestank empor, der es unmöglich macht, mit ihm in einem Zimmer zu wohnen (vgl. Str. 18.der Altercatio ).Er muss also begraben werden ; diesem Geschick kann niemand entgehen; wir sollen also unsere Tage in Busse verbringen. Der Tote dieses zweiten Teiles (Z. 630—662.) ist der von den Würmern angefressene, halb verweste zweite Leichnam der „Gisant-Typ"-Legende. In ihm wird die Vergänglichkeit der Schönheit vertreten. Er ist derselbe aufgebahrte Tote, aber die Lebenden-Gestalt ist von der e.steren gänzlich verschieden. Der Lebende der ersten Szene war „die Verwandtschaft und die Freundschaft", während dieWeibesgestaltder zweiten Szene, die Frau des Gestorbenen, die „weltliche Schönheit" ist. Der Tote bleibt auch hier stumm. 3. Nun folgt die dritte Szene (Z. 662—880.). Der Sohn des Gestorbenen hat das furchtbare Los seines Vaters schon längst vergessen und geniesst unbedacht seinen grossen Reichtum, den er vom Vater geerbt hat. Der Dichter lässt ihn nach dem Vorbilde der arabischen Grabschrift der „Disciplina Clericalis" (Fab. XXX.) Petri Alphonsi in den Friedhof wandern und den obersten Stein des väterlichen Grabes verschieben. Er sieht aber nur mehr dasGebeinseines Vaters. Weinend spricht der Sohn seinen Vater an, indem er das im Grundwasser verfaulte und von Würmern bedeckte Skelett seufzend betrachtet. Es ist die dritte Totengestalt der „Gisant-Typ"-Legende, derselbe Tote im letzten Stadium der Verwesung als Skelett dargestellt, das einst ein schöner Mann war und jetzt so ungestaltet geworden ist. Hierauf bemerkt der Dichter, dass es sich völlig gleich macht, ob die Natur es zulässt oder Gott befiehlt, dass der Tote wieder sprechen könne, man wird uns im Gedichte die Mahnung doch genau beschreiben, die der Tote sagen würde, wenn er