KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE I. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 1. (Budapest, 1936)
DRITTER TEIL. Entwicklung der Todes-Tanz- und Toten-Tanz-Motive in der lehrhaften Dichtung des Mittel-alters und in den Urtypen der Todes- und Toten-Legenden - ZWEITER ABSCHNITT. Grundformen der Todes- und Toten-Legenden
welches Barlaam ebenfalls gelegentlich des ersten Besuches dem indischen Königssohn vorhält, ist eines der beliebtesten und verbreitetsten Motive des Mittelalters geworden und seine Wichtigkeit für die Weiterentwicklung des GisantTyps, sowie der Todesgestalt steht erst dann im richtigen Lichte, wenn wir der den Symbolen beigefügten authentischen Erklärung des Verfassers besondere Aufmerksamkeit schenken. Das Einhorn ist der Tod — meint der Verfasser. Die Gestalt des Todes also, als eines wilden Tieres (wilde Kuh, ein Ochse, Stier, Kentaur, Einhorn), welches den Menschen verfolgt, um ihn zu töten, und vor dem sich der Mensch vergebens in die Welt flüchtet, ist ein Motiv der buddhistischen Legendenwelt, welches unter anderen auch durch die weitverbreitete Barlaam und Josaphat-Legende nach dem Abendlande kam. Die Grube, in welche der flüchtige Mensch sich stürzt, ist die Welt. Das Gesträuch oder der Baum, an dessen Ästen er sich festhält, ist der Lebensbaum, ein beliebtes Motiv der Lebensrad-Darstellungen (vgl. auch das Malerbuch zu Athos!) und ist also auch orientalischen Ursprungs. Die zwei Mäuse, Tag und Nacht, welche unaufhörlich an den Wurzeln des im Lebensbaume verkörperlichten „Lebenslaufes" („curriculum vitae", Lebensrad !) nagen, bis sie den Lebenssaft des Menschen bis auf die Neige verzehrt haben, entsprechen dem Aufstieg und Absturz, dem Höhepunkt und Tiefpunkt des Zeitrades. Die vier Schlangen, welche zu Füssen des Menschen aus den „Mauerspalten" der „Gruftwand" des Lebens hervorkriechend das Leben des Menschen bedrohen, sind die vier Elemente, die nach der Erklärung des Verfassers durch ihr unbeständiges und zügelloses Wesen das Gleichgewicht bald verlieren. Sobald im gegenseitigen Verhältnis dieser Elemente eine Störung eintritt, werden die Fugen des menschlichen Körpers zersetzt. Die Schlangenbilder der Elemente finden wir auf allen Totenbildern der mittelalterlichen Legendendarstellungen. Die Anwesenheit der Schlangen im Grabe auf den mittelalterlichen Totendarstellungen hat einen symbolischen Charakter und keinen biologischen Grund. Daher kann mit Sicherheit behauptet werden, dass durch die Barlaam und Josaphat-Legende die textliche Überlieferung des dreifachen Gisant-Typs und der Darstellung der Verwesungsstadien als des untersten Teiles des Lebensrades zwischen Orient und Abendland als Tatsache angenommen werden muss. Der Höllendrache und der süsse Honig der weltlichen Freuden sind bekannte Symbole des christlichen Mittelalters. Unmittelbar nach diesem symbolischen Bilde des Lebens folgt in der Barlaam und JosaphatLegende eine Fassung der Freundschaftsprobe, aber nicht in jenem primitiven Stadium, welches wir durch die arabische Vermittlung des Petrus Alphonsus (S. 101.) kennen gelernt haben. Die Form dieser Parabel, welche Barlaam erzählt, ist ungefähr fünfhundert Jahre früher nach dem Abendland gekommen, als jene des Petrus Alphonsus, und vertritt doch schon eine vorgeschrittenere Stufe der Entwicklung. Während die Freunde Everymans bei Petrus Alphonsus nur fiktiv, durch einen Vorwand erprobt werden, wird Everyman im XIII. Kap. der Barlaam und Josaphat-Legende — wie im Wiener Text — von den „schrecklichen und furchtbaren Kriegern" eines Königs bedroht und gezwungen, die Hilfe seiner drei Freunde (zweier untreuen und eines guten Freundes) in Anspruch zu nehmen. Vom König zur Rechenschaft gezogen, bekommt er von der untreuen „Welt" nur ein Leichentuch, von seiner „Verwandtschaft" wird er beim Tore der Überwelt verlassen und nur „die gute Tat" erweist ihre ewige Treue. Aber in der buddhistischen Parabel der Barlaam und Josaphat-Legende erscheint noch nicht der Tod. In dieser Beziehung ist durch den Einfluss der Arsmoriendi-Bücher der Text der Wiener Handschrift schon ein Vertreter einer späteren Entwicklungsstufe, welche schon der Gesamtlegende näher steht. Barlaams Parabel ist in dieser Hinsicht eine Parallelerscheinung der Makarius-Legende, das Amt des Todes wird noch den „schrecklichen Kriegern" Gottes, den Engeln zugeschrieben. Vor der Erscheinung der von der Barlaam und Josaphat-Legende verbreiteten Parabel von der Freundschaftsprobe scheint dieses Motiv nur in einer primitiveren Form den christlichen Schriftstellern bekannt gewesen zu sein. So z. B. befindet sich in der 15. Homilie (Kap. 48) der „50 Geistlichen Reden" ('OpMca nvevpanxai) des hl. Makarius des Ägypters 1 ein solches Bruchstück der Everymanlegende. Ein reicher Mann wird von den Beamten und Gerichtsdienern des Herrschers ergriffen und vor dessen Richterstuhl geschleppt, indem sie erklären : Du bist eines Verbrechens angeklagt und dem Tode verfallen ! Bei dieser Schreckenskunde verliert er alle seine Besinnung und ist wie betäubt. Beiden Parabeln geht in der Barlaam-Erzählung die Darstellung des Glücksrades und eine Aufzählung der wichtigsten Stände, deren Vertreter alle der Schlauheit „der Welt" zum Opfer gefallen sind, voran. Unsere Legende ist also einer der ältesten textlichen Beweise der engen Verbindung, welche zwischen der Standesliteratur und der Toten- und Todes-Legenden in allen Fassungen im Vordergrund der Betrachtung steht. Nur durch diese schon in den ersten Originalbearbeitungen der Todes- und Toten-Motive bemerkbare Texteinheit der Standesliteratur und der .Szenen der späteren „Gesamtlegende" war die Übertragung der Toten- und Todes-Szenen auf die einzelnen Stände der zu Vadomori-Gedichten ausgebildeten Standesliteratur und das Fortschreiten dieser Motive bis zum Todes- und Toten-Tanz möglich. Wenn man die Barlaam und JosaphatLegende einer eingehenden Betrachtung unterzieht, so kann einem die Beobachtung kaum ent1 * 300, tea. 390; lebte 60 Jahre in der skethischen Wüste ; deutsche Ubers, seiner Homilien s. Bibl. d. Kirchenv. Bd. 10. übers. D. Stiefenhofen München 1913, S. 149.