KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE I. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 1. (Budapest, 1936)
DRITTER TEIL. Entwicklung der Todes-Tanz- und Toten-Tanz-Motive in der lehrhaften Dichtung des Mittel-alters und in den Urtypen der Todes- und Toten-Legenden - ZWEITER ABSCHNITT. Grundformen der Todes- und Toten-Legenden
Reinigungswege durch die unterirdische Welt und auf dem Weg der Apotheose durch die überirdischen Regionen im Kreise um die Achse des Weltalls vollbringen. Das magische Zaubersystem des Oxforder „organiolus", das die magischen Zahlen in eine obere und untere („sub terra") Region teilt, ist letzten Endes eine praktische Verwendung dieses mit dem orientalischen Weltbild verwandten, antiken Weltsystems. Eine ebenso exotisch-praktische Verwertung des von den Johannesakten her im Mittelalter recht wohl bekannten mystischen Zaubertanzes und seiner Beziehungen zu dem soeben beschriebenen antik-orientalischen „musikalischen Weltbild" waren die schwärmerischen Lehren und Gebräuche der Sekte der „Chor izanten" (Chorisantes, Dansatores), deren Mitglieder „durch anhaltendes, wildes Tanzen religiöse Begeisterung und Visionen hervorrufen" wollten, 1374 am Niederrhein und in den Niederlanden auftraten, aber durch das energische Machtwort der Kirche bald verdrängt wurden. 1 Mit Bezug auf den Namen dieser Sekte ist es vielleicht nicht allzu gewagt, wenn wir jener auf S. 158 erwähnten, der Handschrift Paris Bibl. Nat. Grec. Nr. 1128, armoire XVII, 95 (fol. 43b, 58a ; saec. XIV.) entnommenen Angabe in der Geschichte des mystischen Zaubertodestanzes der Johannesakten eine besondere Wichtigkeit beimessen. Obzwar auf der Illustration der Engel „die Seele vom Körper trennt", wäre — nach meinem Gutachten — die Aufschrift ,,mng I/JV'/JI A rov aujjxatog yjnoigfxca" doch eher so zu übersetzen : „Wie die Seele von der Stelle bewegt, d. h. aus dem Körper getanzt wird" ; und diese Ubersetzung dürfte auch trotz des o> im yawCtexai stichhaltig sein, das doch schliesslich auch als ein Schreibfehler angesprochen werden könnte. In diesem Falle wäre diese Illustration — gerade zur Zeit der Entstehung des ersten Todes-Tanzes — ein wichtiger Beweis für die Aufnahme des Zaubertodestanzes der Johannesakten in die Sterbeszene der MigneLegende, welche textlich ohnedies mit dem Begriff der Musik und des Reigentanzes der Engel vereinigt war. Eben weil die Motive orientalischer und antiker Hadesfahrten im Mittelalter ein so vielgestaltiges Leben führten undaussereinzelnen Eigenarten wirklich orientalischer Abstammung 2 auch die Motive des Tanzes und der Musik als ihr unverbleibliches Emblem betrachtet werden konnten, 3 darf mit Sicherheit angenommen werden, dass der Illustrator der erwähnten (vgl. 1 M. Buchberger, Kirchl. Handlexikon. Freib. i. Br. 1907, I. 913 ; Hahn, Gesch. der Ketzer im Mittelalter. Bd. II. (1847) S. 550 ff.; P. Fredericq, De secten der geeselaars der dansers. Brüssel 1897. 2 s. z. B. die Unterweltsbrücke in der Hadesfahrt des Ritters Hoenus i. J. 1153 und das Gilgames-epos. 3 s. z. B. die Fahrt Gawans in das Totenreich „Schastelmarveil", das Leben im Schlosse Klinschors, sowie auch bei Artus oder König Artur im Berge ; vgl. Ernst Martin, Zur Gralsage. Strassb. Trübner 1880 ; Bousset, Die Himmelsreise der Seele. Arch. f. Religionswissenschaft IV. S. 136 ff., 299 ff. S. 158) griech. Handschrift zu Paris den einfachen Obergang der Seele ins Jenseits eigentlich mit dem Begriff des mystischen Todestanzes der Seele und des Todesengels ersetzen wollte. Dem orientalischen Milieu entsprechend ist auch in der altjüdischen Überlieferung das Vorhandensein einer Vision nachweisbar, welche die Schicksale der Seele eines Reichen und eines Armen einander gegenüberstellte und welche auch in der bekannten Parabel Christi Verwendung fand. Die Auffassung und Vorstellung des Alten Testaments über Unterwelt und über Seelenschicksal war auch in der Hinsicht einer Weiterbildung apokalyptischer Jenseitsberichte der Ausgangspunkt zu jenem phantastischen Weltbild, das sich in den altchristlichen Apokryphschriften entfaltet. In dem äthiopischen HenochBuch 4 durchwandert Henoch nicht nur das Universum (Kap. 17—19), sondern auch die Unterwelt, wo Raphael der Herr der menschlichen Seelen, Saraquiel (Sariel) der Herr der Verdammten, Gabriel der Engel des Paradieses ist. Die Seelen der Verstorbenen werden in einem Berg bis zum Jüngsten Gericht untergebracht, wo für sie vier von einander getrennte Orte bereitstehen. Nur ein Ort gehört den Seligen, den Kindern des Lichtes, die andern drei sind die Wohnungen der Verdammten (Kap. 20—36). In diesem Teil des äthiopischen Henochbuches, sowie in der ersten Parabel des Henoch wird auch das Land der Seligen beschrieben, wie es Henoch in seinem ekstatischen Traume sieht (Parabola Prima Kap. 39—40). Die Engel, welche um den Thron Gottes stehn, verteidigen nicht nur die Lebenden, sondern auch die Seelen der Toten gegen die Nachstellungen der Teufel. Ihnen ist es auch überlassen, die Seele des Verstorbenen auf einer Waage abzuwägen und erst nach dieser Probe in das Reich der Seligen einzulassen oder sie in die Hölle zu stossen. Besonders merkwürdig sind die kosmologischen, astronomischen Visionen des Henoch nach seiner Assumptio (Kap. 72 ff.). An den siebengradigen überirdischen Seelenweg knüpft die Beschreibung der Wanderung des Henoch durch die sieben Himmel im slawischen HenochBuch. 6 Im ersten Himmel sieht Henoch den Weltozean, im zweiten die in Fessel gelegten, gefallenen Engel, im dritten sieht er das Paradies und den Ort, wo die Verdammten in Hitze und Kälte von gewaffneten Engeln gequält werden. Im vierten Himmel sieht Henoch den Sternenhimmel mit Sonne und Mond, im fünften das Reich der Weltungeheuer, im sechsten sind jene Engel versammelt, die über Sonne, Mond und Sterne herrschen und im siebenten Himmel stehen die Chöre der Engel und der himmlischen Mächte. Von hier schreitet Henoch in den achten Himmel, wo ihm Gott die Geheimnisse des Universums offenbart (Kap. 3—23). Henoch wird dann wieder auf die Erde gesendet, um diese Geheimnisse den Erdenkindern zu verkünden (Kap. 33). Die syrischen Apokalypsen des Baruch, die Esra-Apokalypse und die Ascensio Isaiae bieten ebenfalls einen reichen Stoff für das Verständnis jener mittelalterlichen Visionen, zu deren Familie auch die Altercatio animae et corporis zu rechnen wäre. 6 4 Stephan Székely, Bibliotheca Apocrypha. Freiburg, i. Br. 1913. S. 176 if. 5 Székely, a. a. 0. S. 230 ft. 6 vgl. Székely, a. a. 0. 261 If., 284 ff„ 456 ff.