KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE I. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 1. (Budapest, 1936)

DRITTER TEIL. Entwicklung der Todes-Tanz- und Toten-Tanz-Motive in der lehrhaften Dichtung des Mittel-alters und in den Urtypen der Todes- und Toten-Legenden - ZWEITER ABSCHNITT. Grundformen der Todes- und Toten-Legenden

-244­neunte Region, die unterste, der Ausgang und Mittelpunkt aller Lebenskreisläufe, vertritt auf der erwähnten französischen Zeichnung die „Mutter Natur", indem sie die Rolle der antiken „Moira", der Parzen spielt. In der Vision des toten Soldaten bei Piaton sehen die Seelen, welche von ihrer Wanderung durch Erde und Himmel auf die Erde zurückkehrend nach einem siebentägigen Aufenthalt auf dem „Orte der Mitte" (auf der Erdoberfläche zwischen Unterwelt und Himmel) am achten Tage in einen neuen irdi­schen Leib fahren sollten, einen mächtigen und ge­raden Lichtstrahl, der durch Himmel und Erde in der Mitte durchziehend, als die Achse des ganzen Weltalls betrachtet werden kann, da sich das All um ihn in der Gestalt einer mächtigen, acht inein­ander geschobene Spulen umfassenden Spindel dreht. Es ist die Spindel der „Schicksalsnotwendigkeit" (íAváyxrj), deren Stiel und Hacken aus Stahl, die acht Spulen aber aus verschiedenen Metallen gebil­det erscheinen, wie die einzelnen Tore der orienta­lischen „Seelenleiter". Das All ist eine einzige Spin­del, welche sich in der Hand der Schicksalsnotwen­digkeit im Kreise bewegt, deren äusserste Spule aber inwendig ausgehöhlt noch sieben andere Spulen um­schliesst, welche alle der Reihe nach kleiner sind und ineinander passen, wie die gleichgeformt inein­ander passenden Fässer. — Das irdische Leben mit seinen sieben Lebensaltern ist die projektierte Wan­derung durch die sieben Regionen dieser inneren und untergeordneten Weltallsspulen. Der Tod ist ein Heraustreten aus den Regionen dieser sieben unter­geordneten Spulen und ein Übergang in die achte Region. — Die inneren Spulen, welche samt der äusseren und grössten die acht Regionen des Welt­alls verbildlichen, die mit der unbeweglichen Licht­strahlachse, mit der im Mittelpunkt des Weltalls lie­genden, unbeweglichen Erde also zusammen neun Stadien bilden, haben von oben gesehen eine Kreis­form, — was die Ursache sein dürfte, warum das All mit einem Kreissystem greifbar gemacht werden kann, — sind aber von verschiedener Grösse, Farbe und Bewegungsgeschwindigkeit. Die äussere Spule ist die grösste, der Reihe nach folgen dann nach Grösse die sechste, vierte, achte, siebente, fünfte und dritte. Die grösste Spule ist bunt, die siebente ist am glänzendsten, die achte leiht ihren Schein von der siebenten, das Licht der zweiten und fünften ist ein­ander gleich und zeigt eine hellgelbe Farbe, am weissesten ist die dritte, rot die vierte und minder weiss die sechste. Die ganze Spindel dreht sich in ein und dieselbe Richtung, aber die inneren Spulen haben der äussersten gegenüber eine entgegenge­setzte Kreisbewegung. Nach der Geschwindigkeit der Kreisbewegung gibt es auch Unterschiede. Am schnellsten dreht sich die achte Spule, nach der Reihe folgen die siebente, sechste und fünfte, welche gleich schnell kreisen. Nach der Ordnung der Ge­schwindigkeit folgt dann die vierte, dritte und zweite. Am Rande der einzelnen Spulenkreise steht je eine Sirene Wache, deren Amt mit jenem der etruskischen Torwächtergenien und der Torhüterdämonen der orientalischen Seelenleiter übereinstimmt. Diese Sire­nen, welche sich samt den Spulen drehen und Hü­terinnen der einzelnen untergeordneten Regionen, so­mit auch der sieben Alter des Menschenlebens sind, geben je einen Ton von verschiedener Höhe von sich. Diese Töne sind in ihrem Verhältnisse zuein­ander konsonant. Die Sphärenmusik hängt also schon nach den Vorstellungen der griechisch-römischen Antike mit einem Kreis- und Zahlensystem zusam­men, da auch hier Töne verschiedener Höhe in einem Verhältnisse zueinander stehen, wie Regionen des Universums und ihre Projektionen, die sieben Men­schenalter, wie Tore der Über- und Unterwelt, wie Metalle, Farben, Phasenordnung und Kreisbewe­gungsgeschwindigkeit. Die personifizierte Zerlegung des in dem antiken Moira-Tod verkörperten Lebens­radbegriffes, die drei Parzen, Lachesis (Vergangen­heit), Klotho (Gegenwart) und Atropos (Zukunft), dre­hen auf drei Thronen sitzend, in weisse Kleider ge­hüllt und mit bekränzten Häuptern, das Radsystem des Weltalls, u. zw. Klotho die äusserste Spule mit der rechten Hand, Atropos die sieben inneren Spu­len mit der linken Hand und Lachesis beide Syste­me mit beiden Händen. 1 Die Altercatio animae et corporis also ge­hört als eine Vertreterin der Visionenliteratur und Vorläuferin jener Gesamtlegende, in wel­cher der visionäre Everyman den Untergang der dem Gisant-Typ- und Lebensrad abgelauschten drei Nichtigkeiten betrachtet, zu einer traditio­nellen Visionengruppe, welche im Rahmen der Zielsetzung eines Jenseitsberichtes das über- und unterirdische Los der vom Körper abgeschiede­nen Seele zum Bestandteil eines universalen Weltbildes macht, das auf den Grundlagen der Zahlenverhältnisse musikalischer Harmonien zum Ausgangspunkt der Verbindung des Todesbe­griffes mit der Mystik eines mit Zaubermusik begleiteten Zaubertanzes wird. Denn schon sogar Piaton verbindet in den Vi­sionen des Er die musikalische Zahlenmystik mit einer Reihe von Ständen, irdischen Lebensformen, welche sich die in einen neuen Körper zurückkeh­renden Seelen nach der Vorsehung der Götter selbst wählen und somit die ganze Verantwortung für ihr künftiges Erdenleben restlos auf sich laden müssen. Ein Prophet nimmt die Lebensformen, unter denen sich die Schicksale der Menschheit vom Tyrannen bis zum Bettler, ja sogar die Lebensweisen ver­schiedener Tiere vertreten sind, und streut sie vor die Seelen, die nach einer vorausgeschickten Ver­losung der Reihe nach nicht nur menschliche, son­dern auch tierische Lebensformen wählen dürfen. Eine gereinigte Seele wählt u. a. das Tyrannenlos, bereut es aber sogleich. Die Seele des Orpheus wählt das Leben eines Schwans, Thamyras das einer Nachtigall, Aias, der Sohn des Telamon, wird zu einem Löwen, Agamemnon zu einem Adler, Atalante wählt das Los eines Ringkämpfers, Epeios, der Sohn des Panopeus, will zu einer Künstlerin werden und Thersites verwandelt sich in einen Affen. Zuletzt kommt Odysseus und wählt ein Schicksal, das ihm ermöglicht, aus seinem künftigen Leben die Öffentlich­keit auszuschliessen. Nach der Wahl des künftigen Standes treten die Seelen vor Lachesis, die ihnen der gewählten Lebensform entsprechend eine Gottheit, einen Genius zum Wächter ihres bevorstehenden irdischen Lebens und zum Vollstrecker der standesgemässen Taten bestimmt. Er ist eine Parallelerscheinung der etrus­kischen Genien und der Prototyp der späteren Every­mantodesgestalt, da er mit seinem Schützling gleich­geartet erscheint. Nicht ausser acht zu lassen ist der 1 vgl. die Tätigkeit der unter dem besprochenen franz. Lebensrad stehenden „Mutter Natur".

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