KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE I. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 1. (Budapest, 1936)
DRITTER TEIL. Entwicklung der Todes-Tanz- und Toten-Tanz-Motive in der lehrhaften Dichtung des Mittel-alters und in den Urtypen der Todes- und Toten-Legenden - ZWEITER ABSCHNITT. Grundformen der Todes- und Toten-Legenden
Zurückkehrend das Gesehene aufzuzeichnen, öderes kehrt ein Geist, bzw. die Seele eines To ten von der Unterwelt auf die Oberwelt zurück, um einem Lebenden über das Los der Seele in der Unterwelt Nachricht zu geben, ihm sein nahes Ende vorauszusagen oder ihn in die Unterwelt zu geleiten. Meistens werden beide Versionen gleichzeitig verwertet : der Tote erscheint einem Lebenden in Vision und zeigt ihm die Unterwelt, durch welche er ihm das Geleite gibt. Von der Isanagi-Isanami-Sage der japanischen Nihongi-Chronik, von der Mahabharata, in welcher der König Vipasit seine Sünden in der Sterbestunde durch eine visionäre Unterweltsreise büssen muss, von der Unterweltsfahrt der babylonischen Istar und von der siebentägigen Vision der Unterwelt und des Elysiums in der persischen Arta-Viräf-Name bis zum XL Gesang der Odyssee, zum VI. Gesang der Äneide, von der Totenbeschwörungs-Szene und Unterweltsfahrt des babylonischen GilgameschEpos bis zum Orpheus-Mythos, zu den „Fröschen" des Aristophanes und zu den schon besprochenen Dialogen des Lukianos ist das Vorherrschen einer unleugbaren Tradition zu beobachten, welche vom Wissenstrieb und von der reichen Phantasiewelt des Urmenschen genährt auch den arabischen, manichäischnestorianisch-gnostisch-christlichen und jüdischapokryphen Schriften des christlichen Altertums ebensowenig abzusprechen ist, wie den kanonischen Büchern des Alten- und Neuen-Testaments und den Werken der Kirchenväter ähnlichen Inhaltes. Die Frage nach dem überirdischen Los der Seele ist fast immer ein wesentlicher Bestandteil der Gesamtvorstellung des Weltgerichts, welche in der Form einer apokalyptisch-prophetischen Vision zum Ausdruck kommt. 1 Das Problem der jenseitigen Belohnung der Guten und Bösen trachtet sogar schon Piaton in den Kapiteln 13—16 des X. Buches seiner Pol it ei a 2 mit der ausführlichen Erzählung einer interessanten Unterweltsfahrt klarzulegen, welche sich zu seinen Zeiten scheinbar einer allgemeinen Bekanntheit erfreute. Der Sohn eines gewissen Armenios, ein Soldat namens Er aus Pamphylien, soll zwölf Tage darauf, dass er auf dem Schlachtfelde leblos liegen blieb und nachdem sein Körper samt anderen Leichen nach Hause befördert und auf den zur Leichenverbrennung aufgerichteten Scheiterhaufen gelegt wurde, von den Toten wieder erweckt worden sein, um den Lebenden über alles im Jenseits Gesehene einen ausführlichen Bericht erstatten zu können. Als seine Seele den Körper verliess, gelangte sie auf einen wundersamen Ort. Es öffneten sich in der Erde und am Himmel je zwei aneinander grenzende und einander entsprechende Spalten. Zwischen diesen sassen Richter, die den Abgeurteilten, denen sie die auf eine Tafel geschriebene Liste ihrer Taten um den Hals hingen, befahlen, nach vollzogener Gerichts1 vgl. den Aniang vom „Muspilli", ca. 830—840. 2 Nr. 614. if. Val. M. 1, 8, ext. 1 ; Macrob. i. s. Sc. 1. 1. 9. Verhandlung entweder rechts in den Himmel hinaufzuschreiten, — wenn sie gerecht waren, — oder links eine Wanderung in die Tiefen der Erde anzutreten, — wenn sie dem Bösen anheimfallen sollten. Als die Seele des visionären Soldaten vor den Richterstuhl trat, wurde er beauftragt, alles genau zu besehen, um seinem Gedächtnis ja nichts entgehen zu lassen und den Lebenden über alles Rechenschaft geben, zu können. Er sah, wie die Seelen durch die eine Öffnung in der Erde verschwanden und von dort bei der anderen Öffnung, — wie von einem langen Weg — staubig und ermüdet, andere wieder heiter und gereinigt zurückkehrten oder in den Himmel stiegen, um sich nach tausend Jahren wieder auf der Erde niederzulassen. Die beiden Ströme der wandernden Seelen trafen zusammen ; die Seelen der Bekannten begrüssten einander und die von oben erzählten, was sie im Elysium, die von unten, was sie auf ihrem Reinigungsweg in den Tiefen erfuhren. Piaton betont, dass die bösen Taten zehnfach bestraft werden, besonders der Verrat, die Vergehen gegen Götter und Eltern und der Selbstmord. Der tote Soldat sah u. a. die Seele des Ardaios, des Tyrannen von Pamphylien, der vor tausend Jahren Mörder seines alten Vaters und seines Bruders war. Er gehört, wie auch viele andere Tyrannen, zu den Unverbesserlichen, die nach der reinigenden Wanderung durch die unterirdische Welt nie zur Öffnung des Himmels emporsteigen dürfen, da sich jedesmal ein schauderhaftes Gemurmel vernehmen lässt, wenn sich eine ungereinigte Seele dem himmlischen Tor nähert und da gleichzeitig wilde Männer (den späteren Teufeln entsprechend) erscheinen, von denen die Ungereinigten gebunden, misshandelt und wieder in den Tartarus geschleppt werden. Dieser Erzählung der Politeia verleiht jener Umstand eine ganz aussergewöhnliche Bedeutung, dass hier im Rahmen der Vision des toten Soldaten ein sozusagen „musikalisches" Weltbild des Universums im Verein mit einer eigenartigen Enumeration irdischer Stände gegeben wird. Von der Zahlenmystik des Altertums und Mittelalters wurde schon behauptet, dass sie die Zahlenverhältnisse der Musiktöne als Zahlenverhältnisse der weltbewegenden Urkräfte der Natur betrachtend das Leben des Weltalls in der Form eines in acht Phasen ablaufenden Kreislaufes am Weltlebensrade dargestellt hatte, wo das erste Stadium zum achten in einem Verhältnis stand, wie der Grundton zur Oktave, wie der Mikroskomos zum Makrokosmos und wo Ausgangspunkt und Endziel der Kreisbewegung dieselbe Stelle am Lebensrade, den Tiefpunkt des Kreislaufes einnahm und am neunten Stadium, auf der Erde ruhte, welche zum unbeweglichen Mittelpunkt des Weltkreislaufes wurde. Nach dem Zeugnis der Regionen der sog. „Seelenleiter" sind die sieben Alter des menschlichen Lebens, nach denen auch auf der schon untersuchten französischen Lebensraddarstellung 3 der Todeszustand in der Gestalt des „Todes Everymans" erscheint und das überirdische Leben eröffnet, Projektionen der untergeordneten Regionen des Weltalls, über denen die achte Region, die Gottheit thront. Die 3 Taf. VI. Fig. 3. vgl. S. 76 ff.