KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE I. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 1. (Budapest, 1936)
DRITTER TEIL. Entwicklung der Todes-Tanz- und Toten-Tanz-Motive in der lehrhaften Dichtung des Mittel-alters und in den Urtypen der Todes- und Toten-Legenden - ZWEITER ABSCHNITT. Grundformen der Todes- und Toten-Legenden
— 234 — Seele in der Todesstunde. Wir handeln also unbedingt sachgemäss, wenn wir behaupten, dass an der Wiege dieses Motivkomplexes jene Vorstellungen Pate gestanden haben, welche die Seele noch im Laufe des Lebens, im Körper selbst, einen Protest gegen die Herrschaft des Körpers erheben Hessen. Das Motiv vom „Doppelgänger", wenn der visionäre Mann sich selber, seine eigene Seele in Vision erblickt, ist keimartig schon in den bekanntgewordenen ägyptischen Totenbüchern zur Darstellung gelangt. Ägyptische Betrachtungsschriften wählen häufig die Form des Gespräches mit der Seele. In einem dieser ägyptischen „Soliloquia", in denen der Verfasser mit seiner eigenen Seele dialogisiert, finden sich schon Ansätze zu jener Motivvariation, welche uns die Altercatio animae et corporis bietet. Die Schlussverse eines derartigen ägyptischen Gespräches mit der Seele lauten : Vor mir der Tod, er reicht mir seine Hand, Wie einem Kranken, der Genesung fand, Und dem von neuem glänzt das Morgenrot. Vor mir der Tod, er küsst mein Angesicht, So köstlich ist sein Hauch wie Myrrhenduft, Wie kühler Abendwind im Segelboot. Vor mir der Tod, er scheucht hinweg das Weh, Wie Lotosblumenduft auf glattem See, Wie Becher Weins, den mir der Freund entbot. Vor mir der Tod, er kühlt den heissen Leib, Wie Maienregen auf dem staub'gen Weg, Wie den, der heimkehrt aus der Kriegesnot. Vor mir der Tod, die Wanderschaft ist aus, Er grüsst, wie den, der lang gefangen war, Und der nun heimkehrt, grüsst sein Vaterhaus. 1 Teilweise durch die Schriften der griechischrömischen Philosophen vermittelt gelangte die Idee des Gespräches, welches der Verfasser mit sich selber führt, über ein philosophisches Werk des Marcus Aurelius Antoninus (121 —180 n. Chr.; vgl. den Rahmen der 12 Bücher mit dem Titel: t« eig éavxóv) bis in die Literatur des christlichen Altertums und Mittelalters. In der festen Überzeugung, dass sich die Angaben für eine ständige Tradition in der Geschichte dieser Gespräche mit der Seele noch während ihres Aufenthaltes im Körper in einer selbständigen Studie leicht zu vermehren Hessen, sollen hier nur die wichtigsten Vertreter des Motivs angeführt werden. Eines der ausgebildetsten Werke ist jenes vom Ven. Hildebert de Lavartino (14133) mit dem Titel : „Liber der querimonia et conflictu carnis et spiritus seu animae" 2 1 vgl. J. Scherr, Illustrierte Geschichte der Weltliteratur. Bd. I. Stuttg. 1926. S. 58. 2 veröffentlicht durch J. J. Bourassé Paris 1854 bei Migne, Patr. lat. CLXXI, Sp. 989—1004, nach einem Mscr. Corbeiense, nach einer Hschr. Paris, Bibl. Nat. cod. 4103 (bibl. royl.), nach cod. San-Victorinus 272 und cod. Peroniano bibliothecae monasterii Sancti Taurini Eboricensis Nr. 19, sowie nach der Ausgabe, die Jac. Homeyus, Augustinianus Biturensis i. J. 1684 aus der Hschr. Paris, Bibl. royl. Nr. 223 erscheinen liess, Hildebert v. Lavardin, Erzb. v. Tours, der frühere Bischof von Le Mans, gibt seinem Dialog der Seele und des Körpers einen altherkömmlichen Rahmen. Als er einst nach einem Brand den Renovierungsarbeiten, den Bauvorbereitungen seines erzbischöflichen Palastes beiwohnt, erscheint ihm plötzlich in Vision die traurige, aber hehre Gestalt seiner eigenen Seele, die er anfangs nicht erkennt. Die Seele macht dem Körper Vorwürfe, warum er eine so unsichere und üole Wohnung für sie bereite. Sie bricht in einem Jammerruf aus, der im Gegensatz zu den späteren prosaischen Textteilen, welche der Körper, d. h. der Verfasser selbst spricht, in Distichen abgefasst wurde und das traurige Los der Seele beschreibt, welche vom Körper verführt in ihr sicheres Verderben eilt, in die Verdammnis gestürzt wird. Der Körper, welcher mit seinen unordentlichen Neigungen dem Heile der Seele im Wege steht, ist ein düsteres Gefängnis der Seele und obwohl er ihr dienstbarer Gefährte auf Erden sein sollte, spielt er sich zum ärgsten Feind der Seele auf. Der Körper entschuldigt sich mit dem Einwand, dass er ja nur ein Werkzeug der Seele sei und diese mit ihren überlegenen geistigen Kräften den Körper unterjochen und dientsbar machen sollte. Der Anfang der Schrift lautet : „Incendio domus mea corruerat, et reficiendi sollicitus anhelebam ; etc. Ende : Cum placeat carni quod vivificatur, ametque / Hoc animae obsequium, tarnen evenit ut diuturnis / Fracta malis, vitam fastidiat, abdicet annos, / Malit obire semel, quam saepius, atque suprema 1 Morte rapi, quam tot pereuntibus esse superstes. / Sed licet his instet, non est homicida voluntas, / Donee declinet faveatque uxorius illi / Spiritus, hoc stimulis, et blanda lite subacto, / Gignitur excessus, quia dum clamat, eamque / Spiritus exaudit, consensu culpa creatur, / Inque creando nefas, caro fit vir, spiritus uxor". Der Anfang des Jammerrufes der Seele : 3 „Angustae fragilisque domus, jam jamque ruentis, Hospita, servili conditione premor : Et tanquam gravibus vinclis, seu carcere clausa, Spem libertatis vix superesse licet. Triste jugum cervice gero, gravibusque catenis, Proh dolor! ad mortem non moritura trahor". etc. Der Anfang des zweiten Teiles vom Planctus Animae : „Heu, quam turpe nefas, quam reprimen[dum" 4... Dasselbe Thema behandelt Petrus von Blois (Petrus Blesensis, geb. ca. 1130 zu Blois und t nicht vor 1204), der Lehrer und Siegelbewahrer am königl. Hofe zu Sizilien und in England, der Archidiakon von Bath, London und Dekan von Wolverhampton. 6 In seinem Gedichte „Cantilena de lucta carnis et spiritus" 6 spricht zwar weder der Körper, noch die Seele, an der Hand der Ausführungen des Gedichtes tauchen aber doch Motive auf, welche schon 3 Migne, Patr. lat. CLXXI, Sp. 991. 4 vgl. Dreves, Analecta hymnica L, S. 420—422, Nr. 321 (4), 322 (5); Chevalier, Repertórium hymnol. in den Analecta Bollandiana Bd. XXV11I. (1909) Nr. 35249: und in demselben Repert. hymnol. von Chevalier, Anal. Bolland. XXIX. (1910) Nr. 378442 auch der zweite Teil verzeichnet. 5 vgl. Petri Blesensis Bathoniensis in Anglia archidiaconi op. omnia Migne, Patr. lat. CCVII, Paris 1855. Sp. 1127-1130. 6 vgl. Chevalier, Repert. hymnol., Analecta Bolland. XHl. (1894), Nr. 14025.