KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE I. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 1. (Budapest, 1936)
ZWEITER TEIL. Entstehungsgeschichte der Grundmotive des Totentanzes
auftretende und an den Kreuzwegen vorüberziehende Mond- und Unterweltsgöttin Hekate auf Münzen aus Thyatira mit Schlangenhaaren und mit je einer Fackel in beiden Händen ebenfalls auf einem Löwengespann fahrend abgebildet wurde. Wie es unsere späteren Darlegungen zeigen werden, ist der Mystik der gnostischen Geheimlehre in der Neuformung der Toten- und Todes-Motive eine wichtige Rolle zuteil geworden. Ist die „Trilogie" des Kumaner Grabes, sowie das Bild Fig. 9 bei Kastner ein Auswuchs der gnostischen Kunstvorstellungen der ersten christlichen Jahrhunderte, so können uns diese Darstellungen in unserem Standpunkt bezüglich des Vorhandenseins einer antiken Skelett-Todesgestalt nicht unterstützen oder bestärken. Es bleibt uns nur übrig so lange, bis die Geschichte und Interpretation jener Bildwerke unsicher ist, wenigstens das zu zeigen, dass es auch in der antiken Kunst nicht unwahrscheinlich war, dem Seelenführer Merkur — der auf den fraglichen Grabdenkmälern die Rolle des mittelalterlichen Todes spielt — die Gestalt eines Skelettes zu geben. Das Christentum tritt zu einer Zeit auf, wo der heidnische Glaube in seinem Formalismus versteift seine Glaubwürdigkeit gerade vor seinen eigenen Untertanen gänzlich verloren hatte. In der Suche nach dem wahren Gott brachte es das römische Imperium so weit, dass es die verschiedensten Götzen weitlegendster Länder in seine Tempel einführen liess in der Hoffnung, unter den vielen Göttern doch auch den wahren Gott antreffen und verehren zu können. Warum ihre Religion in Misskredit gekommen, das wissen Griechen und Römer schon kurz vor Christi Auftreten nur allzugut. Sie sind dessen immer lebhafter bewusst, dass ihre Götter eigentlich nur Menschen sind, die einst einen mehr oder weniger günstigen Ruhm erwarben und schon längst gestorben sind. Der Ruhm machte sie zu Göttern. Es ist selbstredend, dass dieser merkwürdige Verfall der Unbefangenheit des heidnischen Glaubens von den frühchristlichen Apologeten zum Vorteil der Mission des christlichen Glaubens ausgebeutet wurde. Schon in Tertullians Schrift „Uber die Schauspiele" 1 wird mit besonderem Nachdruck hervorgehoben, dass beiderlei Arten der heidnischen Spiele, u. zw. die heiligen Spiele zu Ehren der Götter und die Leichenspiele zu Ehren eines Toten Idololatrie im eigensten Sinne des Wortes wären, da doch alle heidnischen Götter nur vergötterte Verstorbene sind (Kap. 6). Dasselbe wiederholt er im 12. Kapitel, in welchem er vom ernstesten der Schauspiele berichtet, nämlich von der 1 „De spectaculis", mit Benützung Suetons noch vor seinem Werke „De idololatria" gegen 198 entstanden ; vgl. Migne, Patr. lat. I—II. Paris, 1844; Corpus script, eccl. lat. hg. von der Wiener Akad. d. Wiss. Bd. 20, Reifferscheid und Wissowa, Wien 1890 ; Bibl. d. Kirchenväter ; Tertullians Schriften, Bd. 1. übers, v. H. Kellner, München 1912, Kösel. S. 110, 116. 118. „Totenspende" (munus). Anfänglich opferte mart den Verstorbenen Menschen, um so die Geister durch Menschenblut zu versöhnen. Später veranstaltete man am Tage der Totenopfer Gladiatorenkämpfe, welche sich bei den Grabeshügeln abspielten. Was also den Verstorbenen geopfert wurde, das sah man als einen Totendienst an. Aber auch das ist Götzendienst, „weil der ganze Götzendienst nur eine Art von Totendienst ist". Götzendienst, wie Totendienst richtet sich an verstorbene Personen. 2 Aber Tertullian Iässt uns auch darüber nicht im Zweifel, dass in den Götterstatuen, welche „kalte, den Toten ganz gleiche Bilder" sind, unter dem Namen verstorbener Menschen die nichtswürdigen Geister, die Dämonen hausen. 3 Schon diese Bemerkung allein würde genügen, um zu beweisen, dass Merkur ausser der vollen Figur auch eine Skelettgestalt besass, indem er schon im klassischen Altertum dem griechischen Hermes gleichgestellt wurde, der als Sohn des Zeus und der Maia ein Mensch und Kurier der Götter war, als Vollstrecker des göttlichen Willens und Urteils Argus getötet ('Agysicpóvvrjg) t den Asclepius vom Scheiterhaufen befreit hat, als Herr der Träume die Augen der Menschen durch die Berührung mit seinem Stabe zum Schlafe zu verschliessen vermag. Denn die „Dämonen" waren doch auch Larven und die Larven hatten Skelettgestalt. Folglich war es auch nicht unmöglich, den in der „leichenartigen" Statue eines Götzen wohnenden Dämon als ein Skelett aufzufassen. Die Ableitung des Götterkultes vom Heldenkult, von der Vergötterung der Verstorbenen, wird von ihrem Urheber, von Euhemerus, dem Vertrauten des Mazedonenkönigs Cassander, Euhemerismus genannt. Eírjgegos (ca. 340—260 v. Chr.) erzählt in seiner Schrift íepá ävaygacprj i dass er südwärts von Arabien, auf der Insel Panchaea, im Tempel des Zeus Triphylius eine „heilige Schrift" fand, welche auf eine Säule graviert die ganze Urgeschichte der Menschheit von Uranus angefangen enthielt. Aus ihrem Bericht stellte es sich heraus, dass die Götter, wie Uranus, Saturnus, Jupiter eigentlich Helden sind, die in der Urgeschichte der Menschheit grosse Rolle spielten und erst nach ihrem Tode für Götter gehalten wurden. Ähnliche Anschauung vertritt der Geschichtsschreiber Diodorus Siculus (ca. 21 v. Chr.), Quintus Ennius (* 239 v. Chr.). 4 Wenn wir uns an die weiteren Berichte der altchristlichen Literatur halten und uns die allgemeine Gültigkeit des obigen Satzes von der Identität des Götzen- und Totendienstes immer klarer vor Augen stellen, können wir die Wahrscheinlichkeit der Skelettgestalt Merkurs nicht mehr für unmöglich halten. Der Sizilianer 2 dasselbe auch im Apologeticum ; Bibl. d. Kirchenv. Tertullian Bd. II. übers. Kellner. München 1915. S. 75 ff. ; bzw. 421 ff. ; im 12. Kap. 3 De spect. cap. 10; Apolog. cap. 10. 4 Cic. n. d. 1, 42, 119. vgl. Auguslin. civ. D. 7, 26.