KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE I. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 1. (Budapest, 1936)
ZWEITER TEIL. Entstehungsgeschichte der Grundmotive des Totentanzes
man, auch in das überirdische Leben des Toten eingreifen zu können. Wie schon erwähnt, konnte nach antikem Glauben die Seele des Toten so lange nicht in die Unterwelt aufgenommen werden, bis der Körper mit Erde nicht bedeckt war. Deswegen wurden die Toten im klassischen Altertum so sorgfältig beerdigt, und man betrachtete es als höchste sittliche Pflicht, auf einen unbegrabenen Totenkörper wenigstens drei Handvoll Erde zu werfen. 1 Zur Zeit, als die Römer diesen Glauben verspotteten, entstand dann die Vorstellung der ganzen Welt, als eines Grabes, das jeden Körper, beerdigten und unbeerdigten, gleichsam bedeckt, sowie auch die Seele in das Universum, in die Seele des Weltalls aufgeht. So sagt z. B. Lucanus Pharsalia, VII, 819 : „Coelo tegitur qui non habet urnam". Seneca zitiert einen Vers von Maecenas : 2 „Nec tumulum euro ; sepelit natura relictos". 8 Wenn also der Körper noch nicht begraben war, musste die Seele auf der Welt umherirren. Da auch in der antiken Zeit der Tote nicht sofort begraben wurde, so musste jede Seele einige Tage auf der Erde umherirren, solange man ihren Körper nicht beerdigt hat. Wie wir schon im Abschnitt über die Totendarstellungen behaupteten, hat man jene Seelen, die soeben gestorben sind, aber erst in einigen Tagen nach den Beweinungszeremonien begraben werden, Lemuren genannt. Wie es das Bild der Tänzerin in Kumä beweist, hat man sich die Lemuren als halb verweste Körper vorgestellt, da sie ja nur seit einigen Tagen gestorben sind und ihr Körper noch nicht vollständig verwest ist. Das war auch der Glaube der Römer. Apuleius vertritt die Meinung, dass die Seelen der Verstorbenen unmittelbar nach dem Tode als „Lemures" bezeichnet werden, und jene Seelen, die schon seit längerer Zeit gestorben sind, je nach ihrem guten oder schlechten Vorleben und je nach dem, ob sie begraben sind oder nicht, nach der Weise, wie sie von den Angehörigen geehrt werden, die gütigen „Lares" oder die bösen „Larvae" genannt werden. Bleibt ihr Wesen unsicher, so heissen die Seelen mit einem indifferenten Namen : Manes. 4 Dass aber die Begriffe über das Wesen der Toten nicht rein behalten blieben, ist auf den Volksglauben der Römer zurückzuführen, der die Larven und Lemuren gleichgestellt hat. 5 Im Volksglauben sind beide „Gespenster". Grosser Unterschied herrscht zwischen dem offiziellen Kult und Begriff der Lemuren und 1 vgl. Horaz Od. 1. 28, 36. 2 Epist. Mos.. 92, 35, Buch 14, 4, 35. 3 s. bei Madách in der „Tragödie des Menschen" ist die Erde auch ein grosses Grab. 4 Apul, de deo Socr. 15., apol. 64. Serv. Aen. III. 63. Augustin. civ. d. IX. 11 ; Mart. Cap. II. 162.; vgl. Wissowa : Rel. und Kult 2174, 239 ff.; Bickel d. altröm. Gottesbegr. 65. 5 „Faba Lemuralibus iacitur larvis" Fest. 87 M.; vgl. Augustin. civ. d. IX. 11. zwischen der Volksauffassung der Lemuren und Larven. Offiziell sind die Lemuren wie die Götter, so mächtig. Man identifiziert sie mit den guten Lares, da sie ja Seelen sind, deren Körper auf der Erde noch unbegraben liegt, aber in grosser Ehre gehalten und begraben wird. Wenn sie schon begraben sind, können sie sich noch immer verkörperlichen (ßicuoSävaxoi) und als gute oder grausame Dämonen mit göttlicher, Kraft die Menschen bestrafen. Schol. Pers. 5, 185 : „Lemures dicuntur dii manes, quos Graeci daigovas vocant, velut umbras quasdam divinitatem habentes". Porphyrio : zu Hör. epist. II. 2, 209 „umbras vagantes hominum ante diem mortuorum (= äaiQoi) et ideo metuendas". Schob Acr. zu dieser Stelle : „umbras terribiles biothanatorum (äwQoi ßiaioßavaxoi)ß Jene Stelle, zu der diese Erklärungen gegeben wurden, lautet : Horaz, epist. II. 2, 209 nocturnos lemures portentaque Thessala rides. Bei Persius werden aus den göttlichen Lemuren schon den Larven ähnliche, schwarze Gespenster : Persius 5, 185 : „tum nigri lemures ovoque pericula rupto". Die Lemuren haben also schon einige Eigenschaften des Ker-Todes, d. h. des durch die Sarpedonlegende in den etruskischen schwarzen Genius übertragenen Thanatos-Todes : sie sind Götter und haben schwarze Farbe. Die Lemuren wurden auf den LemuriaFesten auch durch einen den Göttern ziemenden Kult verehrt. Im Volksglauben wurden die Lemuren mit den „Gespenstern" des Volkes, mit den Larven identisch. Bei Plautus bedeutet das Wort lärua soviel, wie Gespenst.' Von Varro wird erzählt, dass er einen Teil der guten Lares, der viel Ähnlichkeit mit den „Genien", also mit den etruskischen schwarzen Genien hatte, für Larven gehalten hat : Arnob. III. 41 : Varro . . . laruas esse dicit lares, quasi quosdam genios et funetorum animas. Sie sind als Seelen der Verstorbenen schon sehr den etruskischen Genien, also auch dem Moira- und Thanatos-Begriff (Sarpedonlegende) nahe gerückt worden. Wenn also die etruskische Genienreihe vom Gesichtspunkt der Seelenwanderung aus betrachtet zu einem szenisch aufgelösten Lebens- oder Glücksrad wird, so konnte dieser Vergleich zwischen den Larven, Laren und Genien zur Aufnahme des „Iarvale simulacrum" in den Begriff des Glücksrades, der Standesreihe, ja sogar des Lebensrades führen und so konnten die Larven Lebensgefährten der Lebenden werden, wie das auch im Virgil-Kommentar des Servius Maurus Honoratus (ca. 390. n. Chr.) zum Ausdruck 6 vgl. E. Norden : Hermes XXVIII 1893 372 ff.; Corp. gloss, lat. VI. 635. 7 vgl. Walde Etym. Wörterb. 413. 415.