Mikó Árpád szerk.: Pannonia Regia, Művészet a Dunántúlon 1000-1541 (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2006/4)
DEUTSCHER AUSZUG - Takács, Imre: Die Werkstätten der Gotik im 13. und 14. Jahrhundert
im Herbst 1213 weilte er - in Abwesenheit des Königs Andreas - in der curia der Königin Gertrudis, wo Bertbold von Meran, Erzbischof von Kalocsa, eine Rechtsangelegenheit zu seinen Gunsten entschied, 1217 zog er mit den Kreuzfahrern unter König Andreas II. nach dem Heiligen Land. Erst in den zwanziger Jahren scheint in den Quellen der Wiederaufbau des Klosters mit Unterstützung des Königs auf. 16 Die königliche Schenkungsurkunde, die 1224 anläßlich der Weihe erlassen wurde, spricht von einem Neubau von Grund auf. 17 Die Bauarbeiten wurden gewiß bereits in den Jahren nach 1210 in Angriff genommen und wahrscheinlich von der Krypta im Osten ausgehend über die nordöstlichen Teile des Schiffes in Richtung des anscheinend spätesten Südportals fortgesetzt. Diesem angenommenen Bauverlauf entsprechen die Änderungen der Bauornamentik ebenso wie die Spuren von Entwurfänderungen. Die Kapitelle an den Ostpfeilern der Unterkirche und des Mittelschiffes sind von einem reich gegliederten Laubwerk mit Knospen überzogen, wie wir es von der Palastkapelle von Esztergom kennen (Abb. 7-8). An der Nordseite des Mittelschiffes läßt sich aber an den oberen Zonen, und an der Südseite auch an der Basis der Pfeiler vor der Unterkirche die Anwesenheit jener neueren Werkstatt nachweisen, die an den Südpfeilern und am Südportal, an der sogenannten porta speciosa, das naturalistisch gelöste Blattwerk im klassischen Stil der Gotik schuf (Abb. 9). Trotz der drastichen Reinigungen und der bildhauerischen Bearbeitung der Oberflächen im vorigen Jahrhundert ist es an den Kapitellen der Südseite der Kirche (Abb. 10) erkennbar, daß den Meistern der aus kapriziös schlängelnden Ranken herauswachsenden fleischigen Rebenblätter und der grazil nach oben strebenden, oben an der Spitze als volle Knospen aufspringenden schmalen Blätter am besten die in Reims erarbeiteten Varianten der klassischen gotischen Ornamentik bekannt waren (Abb. 11). Dieser Ornamentstil läßt sich in ihrer unberührten frischen Form an einem Säulenkapitell des Gewändes und an einem Kragstein des Türsturzes (IV18, 19.), die jüngst zum Vorschein kamen, sowie an den meist im Originalzustand erhaltenen Archivolten des Portals (Abb. 12-13) beobachten. Der durchbrochene naturalistische Blätterschmuck und die Akanthusreihe der Archivolten läßt sich ebenso aus Detailformen des 1211 begonnenen Chors der Reimser Kathedrale ableiten wie die Formgebung der Köpfe beim Ansatz und am Scheitel des mittleren Bogens (Abb. 14). Ein ähnlich bearbeitetes Fragment wie die durchbrochenen Blätterranken der Archivolte findet sich auch unter den Funden der Abtei Pilis (Abb. 15). Wenn man annimmt, daß sich das Weihedatum 1224 nicht nur auf den Chor, sondern - wie es auch in der Urkunde behauptet wird - tatsächlich auf das gesamte Kloster bezieht, dann kann das Erscheinen einer Steinmetzgruppe aus Reims in Pannonhalma in der letzten Phase der Bauarbeiten, kurz vor der Vollendung, als ein hervorragendes Ereignis der Rezeption der klassischen Gotik in Mitteleuropa gelten. 18 Das prächtigste bekannte Denkmal der klassischen gotischen Kunst in Ungarn ist das Denkmal der Königin Gertrudis in Pilis (IV-21.), Der Stil der konstruktiven Glieder und der Figuren der vergoldeten Tumba mit rotmarmornem Sockel und Deckplatte 19 läßt sich ebenfalls vom plastischen Schmuck des Chores und der Fassade des nördlichen Querschiffes der Kathedrale von Reims herleiten. Die Übereinstimmung der stilistischen Quelle der beiden Denkmäler kann wohl kaum ein Spiel des Zufalls sein. Die Erforschung der künstlerischen Verbindungen zwischen dem Königreich Ungarn und den Zentren der französischen Gotik, die zunehmend rege erscheinen, stehen noch aus, aber es wäre denkbar, daß dabei - wie seinerzeit unter König Béla III. auch dynastische Verbindungen eine wichtige Rolle spielten. Durch die zweite Ehe mit Yolande de Courtenay geriet König Andreas II. nicht nur mit den lateinischen Kaisern von Byzanz in Verwandtschaft. Der französische Zweig der Familie, die kurz darauf für Reims einen Erzbischof gab, konnte genauso gut mit dem ungarischen Königshof in Verbindung kommen. Es ist leicht möglich, daß das gravierte Rittergrabmal mit dem Bruchstück des Wappens der Courtenay, das im Kapitelsaal der Abtei von Pilis zum Vorschein gekommen ist, ein hervorragendes Denkmal dieser familiären Verbindung ist (IV-22.). Ein spezielles Problem der französisch-ungarischen künstlerischen Verbindungen, die sich durch immer mehr Denkmäler dokumentieren lassen, ist die Beurteilung der Person und der Rolle des Villard de Honnecourt. Nach der bekannten Hypothese von László Gerevich war das Ziel der Ungarnreise des pikardischen Reisenden die Ausführung des Grabmals der Königin Gertrudis. Zwischen den Umständen der Reise von Villard und der Errichtung des Grabmals lassen sich tatsächlich mehrere Übereinstimmungen nachweisen. Sein Aufenthalt in Ungarn fällt im großen und ganzen mit der Entstehungszeit des Grabmals der Königin und der Grabplatte des unbekannten Ritters um 1230 zusammen, darüber hinaus sind beide Vertreter par excellence des klassischen Muldenfaltenstils, der auch für die Zeichnungen Villards bezeichnend ist. Noch dazu machte sich Villard aus Reims auf den Weg, wie auch der Meister des Sarkophags. Das schlagende Gegenargument dieser verlockenden Hypothese lieferten in den letzten Jahren die Forschungen, die dem Wink Robert Branners folgend in dem Meister der Zeichnungen eine Art Ratgeber entdecken, der sich mit theoretischen Fragen befaßte, und keinen aktiven schöpferischen Künstler. 20 Es ist überliefert, daß das Generalkapitel der Zisterzienser in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts die Regelwidrigkeiten in der Abtei Pilis widerholt verurteilte. Die knapp gehaltenen Texte erwähnen Unkeuschheit (pudor) und Reichtum (prolixitas ). Es ist anzunehmen, daß die Empörung der Oberen des Ordens unter anderen durch die luxuriöse künstlerische Gestaltung des Klosters in Pilis, die den höfischen Erwartungen entsprach, hervorgerufen wurde, wenn gar nicht gerade davon die Rede war. Die Untersuchung und Korrektion der beanstandeten Erscheinungen auf höchster Ebene kam 1232/33 zu einem kritischen Wendepunkt, als aus Clairvaux und Troisfontaines eine Untersuchungskommission ausgesandt wurde, „quod inquirant et corrigant in domo de Pelisio". 21 Es ist nicht auszuschließen, daß die Reise des Villard de Honnecourt um 1230 in Mitteleuropa mit der Mission dieser Visitationsgruppe im Zusammenhang stand. Die Stilschicht der klassischen Gotik, die sich im Bereich der plastischen und bauplastischen Fragmente nachweisen läßt, erscheint im Ausstrahlungsgebiet des Königshofes, in Esztergom, Pilis (IV-20-2L) und in Pannonhalma. Die klassische Gotik wurde - ebenfalls in der höfischen Kunst - vor allem an den repräsentativen Siegeln zum prägenden Stil in der Kleinkunst. Dem Vorbild der Majestätssiegel von And-