Nagy Ildikó szerk.: Székely Bertalan kiállítása (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 1999/2)
BAKÓ, Zsuzsanna: FORSCHUNGSBEITRÄGE ZUM OEUVRE VON BERTALAN SZÉKELY
Beziehungssystem suchen, das sich seinerzeit zwischen der japanischen und der europäischen Kultur herausbildete. Von den 1860er Jahren an wuchs in ganz Europa das Interesse für die japanische Kultur. Entscheidenden Anteil an der Verbreitung der japanischen Kultur hatten die japanischen Pavillons auf den Weltausstellungen 1862 in London, 1867 in Paris und 1873 in Wien. 167 In dieser Zeit gelangten in die europäischen Museen und Bibliotheken Bücher mit japanischen Holzschnitten. Das bekannteste Werk war Manga von Hokusai. Zehn Bände dieses Holzschnittwerkes sind in der Bibliothek der Hochschule für Bildende Künste zu finden. Die Skizzenbücher von Székely beinhalten mehrere Zeichnungen, die mit Holzschnitten aus Manga identisch sind. Da die Zeichnungen aber nicht datiert sind, wissen wir nicht, ob Székely die Holzschnitte vor 1871 gesehen hat. 168 Sicher ist auf jeden Fall, daß das Buch viele Künstler, z. B. Edgar Degas, beeinflußt hat, und es ist auch bekannt, daß die Zeichnung von der sich kämmenden Frauengestalt aus dem Buch Manga in europäischen Publikationen veröffentlicht wurde. 169 Székely hatte also Gelegenheit, seine japanischen Kenntnisse zu erweitern, jedoch nicht nur aus den oben genannten Quellenwerken, sondern auch auf einer Ausstellung. Der Pester Lloyd berichtet in seiner Nummer vom 29. Juni 1871 darüber, daß von Bertalan Székely das Bild Japanerin im Gebäude der Akademie zu sehen ist. Aus der ausführlichen Beschreibung des Bildes geht hervor, daß das dort ausgestellte Werk fast völlig mit dem auf unserer Ausstellung gezeigten Bild übereinstimmt. Die Identifizierung läßt sich vor allem aufgrund der auf dem Gemälde abgebildeten japanischen Gegenstände durchführen. Aus dem Zeitungsartikel erfahren wir diesbezüglich: „... und zahllose andere Details zeugen von dem gewissenhaftesten Studium japanischer Originalien, wie sie dem Künstler in den von Xantus gesammelten, sowie den vom Expeditionsmitgliede Baron Ivor Kaas mitgebrachten Gegenstände so reichlich zu Gebote gestanden sind. 1 " 70 Es ist ganz klar, daß es sich hier um die Objekte der Xantus-Sammlung handelt, die im Frühjahr 1871 in einem Saal des Nationalmuseums ausgestellt waren. János Xantus hatte die Exponate 1869 als Mitglied einer JapanExpedition gesammelt. 171 Der Katalog über 663 Objekte enthält zahreiche Stücke, die den Gegenständen auf dem Bild, wenn sie auch nicht ganz genau damit identifiziert werden können, doch ohne Zweifel ähnlich sind. 172 Der Paravent im Hintergrund scheint kein authentischer Gegenstand zu sein, da zwischen der Frauengestalt und dem Paravent vermutlich ein durchscheinendes Tuch hängt und ein solcher Stoff in Japan im Zimmer nicht verwendet wird. Das gleiche trifft für die Pflanze neben der Frauengestalt zu, die in Japan zwar bekannt ist, aber so, wie sie auf dem Bild angeordnet ist, nicht eben den japanischen Bräuchen entspricht. 173 Außerdem verweisen auch der Körperbau und das Gesicht der Frauengestalt nicht auf eine Japanerin. Diese Fakten stützen die Vermutung, daß Székely, zwar japanische Gegenstände studiert hatte, das gesamte Motivgut des Bildes aber nicht bestimmungsgemäß und nicht in Kenntnis der japanischen Bräuche verwendete, sondern die Motive eigentlich von verschiedenen Stellen übernahm, so wie es auch andere westeuropäische Künstler taten (Hans Makart: Die Japanerin, Claude Monet: La Japonaise). Da eine den japanischen Bräuchen entsprechende authentische Verwendung der Objekte für die endgültige Ausführung des Bildes keine Rolle spielte, wäre vorstellbar, daß er bei der Auswahl der Motive auch ein biblisches Thema zu Hilfe genommen hat. Auf dem Bild Die Toilette der Esther von T. Chasserieu könnte ihm die Bewegung der Frau beim Haarkämmen als Motividee gedient haben, um so mehr, als wir unter den Zeichnungen aus den Skizzenbüchern Székelys mit Darstellungen von Japanerinnen dieses Motiv nicht entdecken können (Abb. 60). In den Skizzenbüchern sind überwiegend Figuren- und Farbstudien nach den Bildern und Zeichnungen aus Manga von Hokusai enthalten 174 (Abb. 59). Székely hat sich auch nach 1871 mit diesem Thema befaßt. In seinen Skizzenbüchern gibt es mehrere Zeichnungen und Studien dazu, die das Datum 1886 tragen. 175 Außerdem kennen wir auch japanische Farbstudien des Malers unter dem Titel Japanische Farbenproben und japanische Farbenharmonien", die in der graphischen Abteilung der Ungarischen Nationalgalerie aufbewahrt werden. 176 All das beweist die Experimentierfreude Székelys und sein Interesse für Neues. Diese Eigenschaften des Künstlers könnten bei der Adaption der östlichen Kunst eine Rolle gespielt haben. 177 Zu dem Gemälde entstanden mehrere Skizzen und Studien, doch die meisten sind Kopf- und Bewegungsstudien und zeigen keine wesentliche Abweichung von dem fraglichen Werk (Abb. 61). Wie sich Betrachtungsweise und Stil in der Aktmalerei Székelys veränderten, das zeigt sehr gut sein 1900 entstandenen Gemälde Quelle (Kat.-Nr.: 180). Das Werk ist zweifellos eine Rückkehr zur Romantik, vor allem wegen der Hell-DunkelKontraste, aber romantisch ist auch der geistige Gehalt. Betrachten wir das Bild, kommen uns unwillkürlich die Worte von Sándor Nagy in den Sinn: „Bei Székely ist der nackte Körper mehr angezogen als die Nonne." 178 Die Schüchternheit der Bewegung und die zögernden Schritte, mit denen die unbekleidete Frau aus dem Dunkel der Felsquelle ins Licht tritt, assoziierem dem Betrachter das Gefühl der Unschuld und Reinheit. Im Unterschied zu den übrigen Aktbildern Székelys erhält dieses Bild durch das feine Spiel von Licht und Schatten eine mystische Stimmung. Mit dem Gemälde Quelle hat sich die Fachliteratur, vielleicht gerade wegen dieses gewissen Konservativismus in der Betrachtungsweise kaum beschäftigt, obwohl der endgültigen Fassung auch hier zahlreiche Studien vorausgingen, die früheste aus dem Jahre 1894. 179 Von dem Bild sind auch verschiedene, in den Maßen abweichende Varianten bekannt (Abb. 62).