Nagy Ildikó szerk.: Székely Bertalan kiállítása (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 1999/2)

BAKÓ, Zsuzsanna: FORSCHUNGSBEITRÄGE ZUM OEUVRE VON BERTALAN SZÉKELY

Auffassung, die die Gefühle nur oberflächlich wieder­gaben. Die im Hintergrund ablaufenden historischen gesellschaftlichen Ereignisse beeinflußten von Zeit zu Zeit - in spezieller Weise - auch die Kunstgattung des Genrebildes, vor allem bei der Themenwahl. Wir denken da an die Bilder Witwe und Brief von József Borsos, Trost von Alajos Györgyi Giergl oder fános Jabronczciy Pethes nimmt Abschied von seiner Tochter von Bálint Kiss. 109 Eine wirkliche Veränderung brachte erst die neue Naturbetrachtung, die sich von den 1870er Jahren an entfaltete, in erster Linie in den ungewöhn­lich dramatisch gehaltenen Bildern von Mihály Munkácsy. Später zeigte sie sich im Ergebnis der neuen Landschaftsauffassung bei den volkstümlichen Genrebildern von Pál Szinyei Merse, Géza Mészöly und Lajos Deák-Ébner, die ihre Darstellungen in eine landschaftliche Umgebung verlegten. Das bürgerliche Genrebild reagierte schwerfälliger auf die Veränder­ungen, und in der Entwicklung dieser Kunstgattungs­variante brachte eben die Genrebildmalerei von Bertalan Székely den größten Wandel. Eine Haupttugend der Kunst Székelys bestand darin, daß er die ungarische Genrebildmalerei aus der emotionslosen Unbeweglichkeit des starren Bieder­meier-Bildes herausführte. Alle seine Genrebilder ver­mitteln echte Gefühle, denn was er auf die Leinwand brachte, das hatte er selbst als persönliches Erlebnis erfahren. Seine Genrebilder entstanden in - gefühls­mäßig und zeitlich - engem Zusammenhang mit sein­er Eheschließung, der Familiengründung und der Geburt seiner Kinder. In Székelys Jugendtagebuch fin­den wir zwischen 1858 und 1862 mehrere Zeich­nungen, die das Thema Liebe und Familienleben zum Inhalt haben, darunter auch die schon oben erwähnten 9 Sepiazeichnungen und die spätere Folge Das Leben einer Frau. uo Inhaltlich und stilistisch machen Székelys Genrebilder innerhalb von zwei Jahrzehnten einen Wandel durch. Das zentrale Thema in den 1860er Jahren ist seine außergewöhnlich nuancierte, emo­tionell vielschichtige Auffassung der Mutter-Kind­Beziehung. Diese Bilder sind meistens im Stil der klas­sizisierenden Romantik gehalten. Von den 1870er Jahren an macht er die Liebe, das intime Leben der Frau und ihre Gefühlswelt zum Thema der Bilder. Das ist die Entstehungszeit der Folgen Das Leben einer Frau und Das Leben einer frivolen Frau. Der Stil ist nun die Romantik, die auf alle klassizisierenden Elemente und die zeichnerische und helle Farbauffassung verzichtet, in einigen Fällen trägt sie eine realistische Färbung. Die Bildthemen sind inhaltlich einfach und haben einen hohen Stimmungs- und Emotionsgehalt. Die Grundidee ist eine lyrische Inspiration mit tiefem Ernst, gepaart mit dem aufrichtigen Glauben an die Liebe. Auf die Weise vermitteln die Bilder echte, glaubwürdige menschliche Gefühle. Die meisten Genrebildthemen, die Székely in den 1860er Jahren realisierte, stellen die Mutter-Kind­Beziehung dar. Das erste Werk dieses Themas ist das Gemälde Mütterliche Wachsamkeit, auf dem Székely eine Ereignisfolge in Form eines Triptychons abbildet. Es sind drei nebeneinander gestellte und durch eine Linie getrennte, aber doch in einen Rahmen gefaßte Szenen (Kat.-Nr.: 49). Ein ähnliches dreiteiliges Bild finden wir nur noch bei seinen Illustrationen zu der Ballade Frau Agnes von János Arany, die aber nur als Kunstblätter erschienen sind. 111 Die formale Lösung des Gemäldes Mütterliche Wachsamkeit, der erzäh­lende Charakter des Bildes läßt eine literarische Vorgeschichte vermuten, was bei Székely, der gern Illustrationen übernahm, durchaus vorstellbar wäre. 112 Auf die Ähnlichkeit zwischen der Bilderfolge und der literarischen Kunstgattung, vor allem dem Drama, wies Székely selbst in einem Artikel hin, in dem er den Bilderzyklus Die schöne Melusine von Moritz von Schwind vorstellte: „... Die Malerei befähigt zur Funktion des dramatischen Dichters, denn zweifellos steht die an Szenen und Situationen reiche Erzähliung, in der sich jede Person selbst interpretiert, dem Drama sehr nahe." 113 Trotz aller Analogien können wir bei seinem Gemälde Mütterliche Wachsamkeit aber keinen literarischen Vorläufer entdecken, höchstens eine formale und stilistische Verwandtschaft mit dem Bild Badende Kinder von Anselm Feuerbach (Abb. 35). Die geistige und gefühlsmäßige Verwandtschaft zur Malerei von Feuerbach äußert sich auf verschiedenen Gebieten der Genrebildmalerei Székelys und verweist auf seine stilistische und inhaltliche Bindung an die Düsseldorfer Schule der deutschen Malerei. 114 Eine andere Darstellungsform der Mutter-Kmd­Beziehung in der frühen Genrebildperiode Székelys finden wir in den Madonnentyp-Darstellungen. Hier sind in erster Linie die Gemälde Witwe und Glückliche Mutter zu nennen (Kat.-Nr.: 52, Kat.-Nr.: 53). Beide Bilder sind hinsichtlich des Motivs ungewöhnlich ein­fach. Im Ausdruck paart sich die zarte und innige Wiedergabe der elterlichen Liebe und Fürsorge mit der Wahl der zum Thema passenden malerischen Mittel. Auf dem Bild Witwe kommt all dies durch eine auf das Gegensatzpaar Hell-Dunkel aufbauende Wirkung von Trauer und Schmerz zum Ausdruck. Auf dem Bild Glückliche Mutter übernimmt eine Harmonie von hellen Farben diese Rolle, und ein gelöster, lockerer malerischer Stil beherrscht die Leinwand. Komplizier­tere Mittel waren für die Darstellung der Tragödie auf dem Bild Die Nonne erforderlich. Die Szene hält sich an die Biedermeier-Traditionen, erzählt mit mehreren Personen und stellt feinnuancierte gefühlvolle Typen in melancholischer Stimmung dar (Kat.-Nr.: 85). Székely hat das Bild - wie es bei ihm häufig vorkommt - noch in einer zweiten Variante gemalt, die in bezug auf Komposition und malerische Lösungen vollkom­men mit ersterer übereinstimmt (Abb. 36). Das Gemälde Waise formuliert ebenfalls die Schattenseiten der Mutter-Kind-Beziehung, den Schmerz über den Verlust der Mutter, diesmal in massiver, künstlerischer Komprimierung. Dieses Werk bildet den Übergang zwischen den frühen Genrebildern, die sich noch vielfach an Biedermeier und klassizisierende Romantik binden, und den Genrebildern der Spätromantik, die sich in den 1870er Jahren entfaltet. Hier wird durch

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