Nagy Ildikó szerk.: Székely Bertalan kiállítása (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 1999/2)

BAKÓ, Zsuzsanna: FORSCHUNGSBEITRÄGE ZUM OEUVRE VON BERTALAN SZÉKELY

eine einzige Person, durch die Bewegung und die Umgebung des Mädchens dem Betrachter eine ganze Geschichte erzählt, ein Beweis für die hohe komposi­torische und künstlerische Ausdrucksfähigkeit des Malers. Wir wollen an dieser Stelle auch sein Gemälde Schwestern erwähnen, obwohl es thematisch nicht in diese Gruppe gehört. Es ist aber stilistisch und vom Charakter her ähnlich, denn auch auf diesem Bild wird die Geschichte mit ganz einfachem Motivgut erzählt (Abb. 37). Die Schwester beugt sich mit einer zärtlichen Bewegung über das auf der Bank sitzende Mädchen, um es in ihrem Kummer zu trösten. Der Maler versetz­te die Szene in eine natürliche Umgebung, wobei seme Landschaftsauffassung aber noch nicht der neuen Naturanschauung folgt. Beginnend mit den 1870er Jahren wird die emo­tionelle Darstellung von Liebe und Ehe zu einem zent­ralen Thema der Genremalerei Székelys. Das erste, früheste Werk dieses Themenkreises ist das Bild Gewitter, das sich inhaltlich und stilistisch noch an die vorhergehende Periode anschließt und in verschiede­nen Elementen noch die künstlerische Auffassung der klassizisierenden Romantik bewahrt. In den 1870er Jahren malt Székely auch mehrere Bilder von Liebenspaaren. Zwei dieser Werke tragen den Titel Liehespaar, und ihre Entstehen könnte aufgrund der Einstellung, der Landschaftsumgebung und der romantischen Stimmung mit der Petöfi-Illustration Ende September in Zusammenhang gebracht werden (Kat.-Nr.: 104, Kat.-Nr.: 105, Kat.-Nr.: 84). Eme sehr erhabene, lyrische Formulierung der Liebe ist das Bild Liebespaar bei der Kahnfahrt. In seinem edlen Ausdruck der Gefühle ist es der Stimmung des Bildes Paolo und Francesca von Feuerbach verwandt (Kat.-Nr.: 113 und Abb. 38). Székelys Hauptinteresse in der Genremalerei gilt der Frau, sie ist die Hauptperson auf seinen Genrebildern. Immer wieder bemüht er sich, ihre innere Welt, die Vielfalt ihrer Gefühle zu erschließen. Angetrieben von diesem Interesse malt er 1871 in Tuschzeichnungen den Zyklus Das Leben einer Frau. Der Zyklus besteht aus 12 Bildern, die anhand von Ereignissen und Geschichten die Entfaltung der Liebe darstellen, begin­nend mit der Begegnung des jungen Paares, über die Ehe bis hin zu den Freuden und Sorgen um die Kinder. 11 '' Jedes Bild der Folge „erzählt" eine Geschichte, wobei stets die einfachsten Motive ver­wendet werden und die Ereignisse nur durch Bewegungen, Gesten, Formen und Konturen angedeutet sind. Anstelle von Abbildungen mit vielen Personen sehen wir Gefühle, die durch die voll­kommene Komposition vermittelt werden. Einige der 12 Bilder des Zyklus entstanden auch als Ölskizze, so das Bild Mutter mit Kind, das eine ähnliche Auffassung wie die Studie Mutter mit Kind von Feuerbach zeigt (Abb. 39). Eine andere Gruppe von Genrebildern umfaßt der Zyklus Das Leben einer frivolen Frau, der um die Mitte der 1870er Jahre entstand, aber weniger bekannt ist. Aufgrund der Székely-Literatur können wir einige Genrebilder dieser Gruppe zuordnen, so das Bild Sich reckende Frau aus der Mitte der 1870er Jahre, das durch seinen roten Grundton und die erotische Stimmung eine der sinnlichsten Darstellungen dieses Themenbereichs ist (Kat.-Nr.: 114). Wir kennen auch noch eine andere Variante dieses Bildes, die sich in erster Linie durch die künstlerische Auffassung unter­scheidet und in etwas konservativerer Anschauung gehalten ist, so daß sie mehr an die geschlossene Gefühlswelt des Biedermeier erinnert (Abb. 40). Vermutlich gehören auch die uns nur als Re­produktionen bekannten Bilder Frau zwischen Rosen und Frauen vor dem Spiegel zu dem Zyklus Das Leben einer frivolen Frau (Abb 41). 116 Das zweifellos schönste und interessanteste Werk der Folge ist das Bild Tänze­rin, das eine eigentümliche Verbindung von Realismus und Romantik verkörpert. Mit seiner Themenwahl und seiner kompakten Ausdruckskraft veranschau­licht es in verblüffender Einfachheit die Schönheit und den Kummer des Lebens (Kat.-Nr.: 116). Einen besonderen Platz unter Székelys Genrebil­dern nimmt das Gemälde Die Venus von Murány ein. Wegen der speziellen Duplizität in Thema und Stil könnten wir es vielleicht in die Kategorie des hi­storischen Genrebildes einreihen. Den Genrebild­charakter erhält es durch die Einstellung der weib­lichen Figur, den im Hintergrund gerade seinen Pfeil abschießenden Amor und die auf dem Boden herum­liegenden Kleidungsstücke und Gegenstände. An die Geschichte knüpft nur die abgebildete Person Mária Széchy an. Sie ist eine echte historische Gestalt, und Székely wählte die romantische Geschichte ihrer zweiten Ehe zum Thema seines Bildes. Betrachten wir diesen Grenzfall der Kunstgattung, so ist noch interes­sant, daß das Werk auch den Gattungen des hi­storischen Idealporträts und der Illustration nahe­kommt. Es sind mehrere literarische Bearbeitungen des Themas bekannt, so inspirierte es unter anderem István Gyöngyösi, János Arany und auch Sándor Petőfi (Kat.-Nr.: 118). Die Genrebildmalerei Székelys nimmt in der ungarischen Geschichte dieser Kunstgattung einen besonderen Platz ein. Seine Arbeiten haben durch hohes künstlerisches Niveau und die Fähigkeit, starke Gefühle zum Ausdruck zu bringen, die ungarische Genrebildmalerei auf europäischen Rang erhoben. Die Anschauung und die Kunstauffassung semer Bilder knüpft in einigen Fällen an die deutsche Romantik, insbesondere an die Kunst von Anselm Feuerbach an. DER STILPLURALISMUS IN SZÉKELYS LANDSCHAFTSMALEREI Die Landschaft ist im Œuvre von Bertalan Székely die Kunstgattung, in der die Aufgeschlossenheit und die Empfänglichkeit des Künstlers für neue Stilrichtungen am stärksten zur Geltung kommen. Während in den anderen Kunstgattungen seiner Tafelbildmalerei nur vereinzelt Abweichungen von der zumeist romanti­schen Richtung zu beobachten sind, zeigt seine

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