Nagy Ildikó szerk.: Székely Bertalan kiállítása (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 1999/2)
BAKÓ, Zsuzsanna: FORSCHUNGSBEITRÄGE ZUM OEUVRE VON BERTALAN SZÉKELY
Székely traf also sowohl in bezug auf die Zeit als auch in bezug auf das Thema eine ganz individuelle Wahl. Das Thema seines Bildes knüpft sich diesmal zwar nicht an die Türkenkriege, wohl aber an die Zeit, denn in der Herrschaftszeit des jungen Ladislaus V. mehrten sich die Angriffe der Türken im Süden Ungarns. Große Erfolge bei der Abwehr der Türken hatten die Heerführer János Hunyadi und sein Sohn László, den Ullrich Czillei schließlich wegen seiner großen Popularität von Ladislaus V. hinrichten ließ. Das Gemälde von Székely zeigt die Szene, in der der König eben das Todesurteil für László Hunyadi unterzeichnet. Die Themenwahl regt den Betrachter zum Nachdenken an: Während die Türken bis an die Grenzen Ungarns vorgedrungen sind, liegt das Schicksal des Landes in der Hand eines Hochadligen, der seinen Einfluß nutzt, um innere Machtzwistigkeiten zu schüren. Dieses unverantwortliche und böswillige Verhalten eines Magnaten führte dann einige Jahrzehnte später zu der Tragödie von Mohács. Die Zukunft des Landes ist - nach Székelys Auffassung - eine Frage der moralischen Standhaftigkeit. Wenn die Moral nicht den Sieg davon trägt, ist das Land verloren. Diese Aussage wird durch die psychologische Darstellung verdeutlicht. Den Unterschied zwischen der Wesensart des Königs und seines Erziehers veranschaulicht Székely durch eine Charakterdarstellung. Das andere Hauptordnungsprinzip der Komposition ist die Wiedergabe der Atmosphäre der Szene. Dazu dienen die malerischen Genrebilddetails und Draperien, die in der bravourös aufgebauten Komposition eine verbindende Funktion haben. Im Vergleich zu den anderen Gemälden entstanden zu Ladislaus V. zahlreiche Skizzen, die uns einen ungefähren Einblick in den Ablauf des malerischen Schöpfungsprozeß gewähren. Die erste Zeichnung stammt von 1861, die uns zur Verfügung stehenden Zeichenskizzen sind aber eher Teilstudien. 66 Die andere Gruppe der Skizzen besteht aus Farbskizzen (Kat.-Nr.: 77), die sich auf die ganze Komposition beziehen, oder Ölstudien zu den wichtigsten Figuren bzw. zu den Genrebilddetails. In der letzgenannten Gruppe finden wir eine Studie, auf der die Gestalten von Ladislaus V. und Czillei skizziert sind. Hier weicht Székely noch von der Einstellung auf dem endgültigen Werk ab, und vor allem widerspiegeln sich noch nicht die feinen Nuancen in der Charakterdarstellung der Personen (Abb. 16). Eine andere Skizze entstand zu der scheinbar als Nebenfigur dargestellten Narrengestalt (Abb. 17). Der Hofnarr spielt bei der moralischen Interpretation des Bildes eine wichtige Rolle, da sich seine Figur im allgemeinen Denken seit Jahrhunderten mit der wahrheitssagenden und klarsehenden Person verbindet. Sehr anschaulich wird das von J. Matejkó auf seinem Bild Stanczyk dargestellt, wo wir den Hofnarren in Gedanken versunken sitzen sehen, neben ihm auf dem Tisch der Brief mit der schlechten Nachricht, daß die Stadt Smolensk durch Verrat gefallen ist, während sich die Königin Bona und ihre Gesellschaft sorglos vergnügen 67 (Abb. 18). Auch auf Székelys Gemälde weist die Gestalt des Narren auf das mangelde Verantwortungsgefühl der Akteure und zugleich auf die Präsenz einer klarsehenden Person hin, womit die in der Szene verborgenen moralischen Zusammenhänge angedeutet werden. Die symbolische Bedeutung des Bildes verlangte in Ungarn in der Zeit nach dem östereichischungarischen Ausgleich keine besondere Erklärung. Ladislaus V. war ein Mitglied der Habsburgdynastie, die Gestalt Czilleis wiederum verwies eindeutig auf die einflußreichen ungarischen Herrschaftskreise. In Verbindung mit dem rötlichen Grundton und die ungewöhnlich reiche Farbenwelt des Gemäldes schreibt die Fachliteratur vom unmittelbaren Einfluß der französischen Romantik, genauer gesagt vom Einfluß Eugène Delacroix', was aber nur eine Vermutung ist. 68 In der Ausgestaltung der Komposition will die Fachliteratur andererseits den Einfluß der französischen akademischen Malerei - insbesondere in der Gruppenreihung sowie in der Plazierung einzelner Figuren, z. B. der Tänzerin auf dem Bild Der Niedergang Roms von Th. Couture - erkennen. 69 Die vorhandenen Skizzen geben keinen Einblick in den Entwicklungsprozeß der endgültigen Komposition, so daß sich unmittelbare, aber auch mittelbare Einflüsse auf das Bild nicht beweisen lassen. Viel wahrscheinlicher ist, daß Székely die verschiedenen Eindrücke aus dieser Schaffenszeit in sein Werk einbaute, so daß in den Farben der mittelbare Einfluß Delacroix' und in der Komposition der Delaroche' gleicherweise spürbar werden. Das letzte in dieser Studie zu nennende Historienbild Székelys behandelt ein Thema aus der Zeit der Freiheitskriege gegen die Habsburger. Auf dem Gemälde Imre Thököly nimmt Abschied von seinem Vater übergibt der ältere Thököly in der von fremden Truppen umzingelten Burg Árva seinem Sohn das Schwert und ermuntert ihn damit, den Kampf fortzusetzen. Das Thema hatte - das Jahr 1848 lag nicht fern und die fremden Eroberer waren identisch schon an sich Symbolwert. Diese historische Periode bildete vor allem für Viktor Madarász eme schier unerschöpfliche Quelle, wie seine Bilder Thököly s Traum, Ilona Zrínyi vor dem Untersuchungsrichter sowie Péter Zrínyi und Ferenc Frangepán im Wiener Neustädter Gefängnis belegen. Zu Székelys Gemälde Die Flucht von Imre Thököly besitzen wir keine Folge von Zeichenskizzen, es gibt auch nur einige Ölstudien, von denen eine auch auf unserer Ausstellung zu sehen ist (Kat.-Nr.: 95). Es handelt sich um Vorskizzen, die bereits die endgültige Komposition zeigen, ohne wesentliche Abweichungen. In bezug auf die Darstellung des Themas ist das Gemälde inniger und lyrischer als alle bisherigen Historienbilder des Malers. Szene und Stimmung sind familiär. Diesmal dient Székely die tiefe emotionelle Bindung zwischen Vater und Sohn als Mittel, als eine Art „Spiegel", um die Bedeutung der nationalen Unabhängigkeit zu betonen. Dank der glücklichen Wahl des Motivs erhält die Szene eine kompakte Formulierung, und mit der vielseitigen Darstellung der