Nagy Ildikó szerk.: Székely Bertalan kiállítása (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 1999/2)
BAKÓ, Zsuzsanna: FORSCHUNGSBEITRÄGE ZUM OEUVRE VON BERTALAN SZÉKELY
alle dort lebenden Völker, also im Interesse einer breiten Gemeinschaft erbracht worden war, und da der Feind heidnisch war, waren die Türkenkämpfe zugleich identisch mit dem Kampf für das Christentum und das christliche Europa. Aus der Komplexität des Themas ergab sich, daß es sich sowohl für die Betonung der nationalen Interessen eignete als auch für die Vermittlung der allgemeinen humanen und universellen Gedanken. Danach suchte Székely, und das fand er im Thema der Türkenkämpfe. „Die Kunst ist eine Sprache, die die nationale Gesinnung zum Ausdruck bringt - das, was sie in der Landschaft liebt, wie sie ... ihre Umgebung sieht, welche Szenen aus der Geschichte ihre Sympathie finden -", schrieb er in seinen Aufzeichnungen. 22 Und die - für ihn wichtigen - Züge der nationalen Kunst formulierte er wie folgt: „Wenn sie [die nationale Kunst, Zs. B.] der nationalen Aspiration entspricht, dann entspricht sie auch dem allgemein Menschlichen, denn ... das allgemein Menschliche ist nichts anderes als ein Kollektivum des Höhenfluges aller nationalen Gesinnungen." 21 Für Székely schloß sich beides gegenseitig nicht aus, im Gegenteil das eine existierte nicht ohne das andere. Jede Nation gehört der universellen menschlichen Gemeinschaft an, und auch eine kleinere Nation kann den übrigen als Vorbild dienen, wenn sich in ihr die Moral allgemeingültig auf einem höheren Niveau formuliert. Beim Malen all seiner Historienbilder ließ sich Székely von der erhabenen Absicht leiten, ein Vorbild zu geben und so belehrend und erzieherisch zu wirken. „Die moralische Eigenschaft der Malerei hat eins mit den moralischen Eigenschaften der übrigen Künste gemeinsam, sie erzieht den Menschen", notierte er in seinen Aufzeichnungen, und da er der Kunst eine ideelle Berufung zueignete, nutzte er die geschichtlichen Beispiele der Historienmalerei zur Formulierung und Verdeutlichung dieser Idee. 24 Auch beim Malen seines ersten Historienbildes Die Auffindung des Leichnams von Ludwig 11. ließ sich Székely von der Absicht, die höhere Moral zum Ausdruck zu bringen, leiten. Der ungarische König Ludwig II. hatte in der Schlacht bei Mohács für die Verteidigung des Landes gegen die heidnischen türkischen Eroberer sein Leben geopfert. Sein Tod war ein Opfer für das Land und zugleich für das ganze christliche Europa. Deshalb konnten sowohl die Kirche als auch die adligen Patrioten in dem Thema ein wertvolles Beispiel für die wirksame Vermittlung ihrer Ideale sehen. Trotzdem ist die Zahl früherer Bearbeitungen dieser Thematik gering. Auf einer Radierung von J. A. Thelott aus dem 17. Jahrhundert verschmelzen die Figuren der Adligen, die den Leichnam des Königs finden, mit dem üppigen Landschaftshintergrund des Bildes, wodurch die Szene ihre tragische Wirkung verliert. 23 Auf dem Gemälde Die Schlacht von Mohács, das István Dorffmaister in kirchlichem Auftrag schuf, ist der Augenblick festgehalten, in dem der König eben in den Bach Csele stürzt, doch die Aufmerksamkeit des Betrachters wird mehr von der Abbildung des strauchelnden Pferdes, der monumentalen Landschaftsdarstellung und dem Schlachtgetümmel im Hintergrund gefesselt. 26 Ein monumentales Bild von der Auffindung des Leichnams von König Ludwig II. malte erstmals Sorna Orlai Petrics, der die Erhabenheit der Szene durch eine Pietà-Komposition zum Ausdruck brachte, so daß das Bild eigentlich ein Klagegesang auf den den toten König ist. 27 (Abb. 1). Székelys Bild dagegen zeigt tatsächlich die Auffindung des toten Königs. Der Auswahl der endgültigen Motive des Bildes ging eine lange Reihe von Experimenten voraus, die uns seine Skizzen gut veranschaulichen. Die früheste Skizze der Komposition stammt aus dem Jahre 1857 und ist in seinem Jugendtagebuch enthalten. Die kleine Zeichnung ist eigentlich eine Pietà-Komposition. Eine komplizierte Variante repräsentiert die Sepia-Zeichnung in unserer Ausstellung 28 (Kat.-Nr.: 21). Die Pietà-Komposition kommt am vollkommensten auf der 1859 entstandenen Ölskizze zur Geltung, auf der sich fünf Hochadlige über den halb entblößten Leichnam des Königs beugen (Abb. 2). Das Motiv der Totenklage kommt noch bei verschiedenen Sepia-, Aquarell- und Ölskizzen vor, so auf einer farbigen, 1858 entstandenen Aquarell-Kompositionsskizze, auf der der Tote in entgegengesetzter Richtung zu den übrigen liegt, sowie auf einer in das Jahr 1858 datierbaren Ölskizze, die auch in unserer Ausstellung zu sehen ist. 29 In Verbindung mit dem Stil der letzteren macht János Dobai auf den Einfluß des Gemäldes Pietà von Anselm Feuerbach aufmerksam (Kat.-Nr.: 22) 30 (Abb. 3). Wie die Skizzen belegen, gab Székely aber immer mehr das Pietà-Motiv auf und wählte nicht die Totenklage, sondern das historische Ereignis, den Augenblick der Auffindung des Leichnams für seine Darstellung. Die veränderte Thematik wird auf der Ausstellung durch zwei Sepiazeichnungen und eine Ölskizze repräsentiert, außerdem durch eine vermutlich 1859 entstandene Farbskizze (Kat.-Nr.: 26). Bei der Wahl der Szene kam es ihm darauf an, den „fruchtbaren Augenblick" zu ergreifen, wie er es in seinen Aufzeichnungen formulierte: „In dem Moment muß angezeigt werden, was gerade vergangen ist und was bevorsteht." 31 Das Wesentliche seiner Kompositionsmethode war also die Vereinigung mehrerer Zeitebenen, ihr Komprimieren in einen Augenblick und einen Raum. Das Grab und die Auffindung des Toten projizieren gleichzeitig die Vergangenheit, die zu der Tragödie führte, die trauererfüllte Gegenwart und die bevorstehende traurige Zukunft. Die richtige Wahl des Motivs und des Augenblicks war für Székely immer sehr wichtig: „Meine Grundlage ist das improvisierte Erfassen des richtigen Augenblicks", schreibt er an einer Stelle. 32 Hinzukam die Kompositionsmethode, die an der Akademie gelehrt wurde, in diesem Fall die Anwendung des doppelten Dreiecks, die eine überschaubare Struktur zur Folge hatte, da die Personen der Szene zu kleineren, aufeinander aufbauenden und miteinander in Verbindung stehenden Gruppen zusammengestellt wurden. Ein weiterer Ausgangspunkt