Nagy Ildikó szerk.: Székely Bertalan kiállítása (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 1999/2)

BAKÓ, Zsuzsanna: FORSCHUNGSBEITRÄGE ZUM OEUVRE VON BERTALAN SZÉKELY

ZSUZSANNA BAKÓ Forschungsbeiträge zum Œuvre von Bertalan Székely BILDER DER NATIONALEN GEMÄLDEGALERIE DIE HISTORISCHE TAFELBILDMALEREI VON BERTALAN SZÉKELY „Was ist die Nation? ... Eine Landschaft von gleicher Art, gleiche ethnische Ansichten, gleiches Brauchtum und eine gleiche Sprache machen ihr Wesen aus. Hinzukommen noch die Gewohnheit gleicher klima­tischen Verhältnisse und das Wissen um die Vergangenheit der Rasse, die Tradition ... Eine Masse von gleichartig denkenden Menschen stellt eine starke Kraft dar." 1 In der Einführung zu seinen Darlegungen über die nationale Kunst gibt Bertalan Székely eine Definition des Nationsbegriffes, jenes für die Ent­wicklung der Historienmalerei so entscheidenden Einflußfaktors. Seine Feststellungen zeigen große Ähn­lichkeit mit der positivistischen Geschichtsauffassung, die sich als ideelle Unterstützung der Verbürgerung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Ungarn immer mehr durchsetzte. Der positivistische Nationsbegriff geht davon aus, daß die Nation aus einer Gemeinschaft von hauptsächlich durch emo­tionelle Bindungen aneinander geketteten Menschen besteht und die gemeinsame Abstammung und Sprache, die gemeinsame Geschichte und die Überein­stimmung der religiösen Verhältnisse zu den primär wichtigen Quellen gehören, aus denen das Nationalgefühl genährt wird. 2 Die Theorie war in Ungarn in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts - vor allem wegen der Sympathie John Stuart Mills für die ungarische Revolution (1848-49) - sehr populär, was eine Liberalisierung des über Jahrhunderte dominie­renden Begriffes vom adligen Nationalstaat anzeigte.' Nach der positivistischen Theorie ist die Nation ein Gemeinschaft von gefühlsmäßig miteinander verbun­denen Menschen. Székely nennt das „nationale Gesinnung" und hält sie für die Grundlage der nationalen Kunst: „Die Bearbeitung eines nationalen Gegenstandes bildet noch keine nationale Kunst. Die nationale Kunst hängt 1. von der nationalen Gesinnung ab - der Künstler muß die nationale Gesinnung kennen und darin aufgehen - und 2. von dem Gegenstand, der den Typ bestimmt." 4 Das Nationalgefühl ist nach dieser Auffassung also die Grundlage der nationalen Kunst, und die nationale Kunst war in Ungarn gleichbedeutend mit der Historienmalerei. Das wird sehr gut in dem 1841 in der Zeitschrift Athenaeum veröffentlichten Artikel von Imre Henszlmann veranschaulicht, der die Maler zur Schaffung eines „nationalen Stils" aufruft: „... es muß ein nationaler Gegenstand bestimmt werden, und es macht nichts, wenn das Material weniger und schwächer ist, wenigstens ist es ungarisch und jung. Wir haben noch ein spezifisches Nationalleben und unsere eigene Geschichte, daraus können wir, wenn wir wollen, Meisterwerke erschaffen." 5 Zwanzig Jahre nach diesem Aufruf, als Székelys Laufbahn begann, schreibt József Eötvös 1862 an Gusztáv Keleti in München: „Niemand durchschaut mehr als ich die Bedeutung der Historienmalerei, ja, ich bin sogar überzeugt, wenn es einmal eine Ungarische Malerei geben wird, dann wird sie zur Historienmalerei gehören. Der Genius unserer Nation wird, wie überall, auch im Bereich der Kunst der patristischen Richtung folgen ..." 6 Eötvös, der nach der Niederschlagung der ungarischen Revolution in deutscher Emigration lebte, gehörte in München zum Freundeskreis von Wilhelm von Kaulbach, dem Direktor der Kunstakademie. So wurde er mit dessen ästhetischen Anschauungen und geschichtsphilosophischen Prinzipien bekannt und bemühte sich nach seiner Heimkehr auch in Ungarn, analog dem deutschen Vorbild, um die Förderung und Stärkung der nationalen Kunst. 7 Dazu bot sich ihm später, nach dem Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn 1867 auch Gelegenheit. Als er - ähnlich wie seine Emigrantengefährten László Szalay, Antal Csengery und Ágoston Trefort - zu einer führenden Persönlichkeit des ungarischen kulturellen und politi­schen Lebens wurde, setzte er sich sehr für die Entwicklung der Historienmalerei ein. 8 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verewigte die ungarische Historienmalerei - bedingt durch die Betonung der Frage der nationalen Unabhängigkeit ­das Heldentum des Adels, seine Opfer für den König, die Landesverteidigung und die Einheit der Zentral­gewalt. Die Tendenzen der Themenwahl werden mit den Gemälden Die Selbstaufopferung des Helden Desiderius von József Molnár, König Salomon im Gefängnis von Henrik Weber und Palatin Gara vertei­digt Königin Maria von Mihály Kovács markiert. Einen großen Einfluß auf die Historienmalerei der Zeit übte der österreichische Maler J. N. Geiger mit seiner aus 17

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