Nagy Ildikó szerk.: Nagybánya művészete, Kiállítás a nagybányai művésztelep alapításának 100. évfordulója alkalmából (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 1996/1)
Szücs György: Nagybánya - változó időben
Réti war dessen wohl bewußt und wies in seinen Schriften besonders darauf hin, daß die Generation der Gründer in ihrer Herkunft und Weltanschauung von einer Gemeinsamkeit geprägt war, die als stützende Grundlage ihrer Kunst, ihrer Auffassung wie Lebensweise, dienen konnte. „Ich möchte auf keinen Fall, daß man dieses Wort »Herr« mißversteht. In meinem hiesigen Gebrauch hat es keine gesellschaftliche, sondern eine charakterologische Bedeutung. Es ist, wenngleich nicht ganz identisch, mit dem Begriff des englischen »Gentleman« verwandt. Im Vergleich zu diesem zeichnet es sich durch mehr Weichherzigkeit und extremeres Temperament aus, zum anderen wird seine Denkweise durch die größere Behäbigkeit beeinflußt, seine prinzipielle Strenge gemildert." 19 Der Schriftsteller István Nagy, der vier Jahrzehnte später, 1938 nach Nagybánya fuhr, vertrat das andere Extrem. Ihn interessierten vor allem die Bergleute in den Goldgruben, ihr Leben und ihre soziale Lage, und unter diesem Aspekt sah er das „Land der Landschaftsbilder" ganz anders als die Mehrzahl der dorthin Reisenden. So schlug sich sein Besuch in keinem stimmungsvollen Gedicht und keiner begeisterten Reportage nieder, sondern in einem trockenen und strengen Bericht, der in der Zeitung Brassói Lapok veröffentlicht wurde. Bei seinem Spaziergang zwischen den alten Häusern fragte sich der Schriftsteller, ob etwa der Veresvízi-[Rotwasser]-Bach „das Blut der seit Jahrhunderten in den Tiefen der Gruben verbluteten Bergleute ausschwemme". Es kann auch kein Zufall sein, daß in einer Ausstellung gerade die Holzschnitzereien von Jenő Szervátiusz und Géza Vida sowie die sozialkritische Malerei von József Klein die größte Wirkung auf ihn machten. 20 In diesem halben Jahrhundert hat sich die Welt grundlegend verändert; und die beiden eben zitierten Äußerungen können symbolisch für die Grenzlinien stehen, zwischen denen die Kunst der eine bestimmte Zeit in Nagybánya Wirkenden (Oszkár Glatz, József Koszta), der an den Werten treu Festhaltenden (András Mikola, János Krizsán, Samu Börtsök) bzw. der zur ständigen Erneuerung Fähigen (Béla Iványi Grünwald, Tibor Boromisza) interpretiert werden kann. Durch das Leben von Réti zieht sich wie ein roter Faden jener melancholische Unterton, der seine schriftstellerische Tätigkeit seit dem Auftauchen der sog. Neos (1906) kennzeichnete. Das Auseinanderfallen der auf Herkunft und Weltanschauung gegründeten Gemeinschaft zeichnete für ihn das Schreckensbild der Auflösung der Kolonie vor, oder mindestens eine Entfernung von den ursprünglichen Ideen, die Ablösung der von den Gründern erträumten Pleinairauffassung. Statt der Evolution kam nun die dem Geist der Gründer fremde Revolution in den Vordergrund. 1909 begrüßte er noch, wenngleich nur gezwungenermaßen, das Kommen des Neuen als das Lenkrad des Fortschritts. „Mit Freude, ja mit Genuß sah ich, wie das geistige Leben hier infolge dieser neuen Bestrebungen reger und spannender wurde, mit Freude sah ich den heftigen Kampf zwischen den Ansichten und Überzeugungen, obwohl mir allmählich klar wurde, daß diese Diskussionen, von denen abends die Konditorei, in sternenklaren Nächten die schimmernden Wege im dunklen Park laut waren, den Keim des geistigen Bruchs in sich bargen. Der Weg des Fortschritts ist nicht nur durch stille Entwicklung markiert, auch durch Erschütterungen und Revolutionen. Aus Wallungen entsteht das Leben, aus dem Chaos entfaltet sich das neue Bild der Welt." 21 In seinem monumentalen Buch Die Künstlerkolonie von Nagybánya jedoch, das Réti am Ende seines Lebens verfaßte, erkennt er zwar die Begabung der Neos an, ihr Wirken aber behandelt er im Wesentlichen als das „Nachleben" von Nagybánya. Jene Auffassung, die das „echte Nagybányaertum" bis Hollósys Abschied, spätestens bis zum Auftritt der Neos, bis 1906, datiert, kann also in Rétis monumentalem Buch ihre Argumente finden. Wenn wir jedoch über die Kunst von Nagybánya sprechen, wenn wir versuchen, ihre Geschichte, ihre Fortschritte und Stillstände zu verfolgen, dann dürfen wir nicht bei jenem Augenblick aufhören, wo die geistige Ausstrahlung der Stadt geringer wird und ihre Wirkung nicht mehr so durchschlagend ist wie im Jahrzehnt nach der Gründung. In der ersten Zeit war, das müssen wir klar sehen, die Distanz zwischen der Theorie, d. h. der theoretischen Erörterung der innerlich vollzogenen Identifizierung mit der Natur, und den tatsächlich gemalten Bildern groß. Als dann die malerischen Mittel allmählich eingeübt waren und routinemäßig, nicht zuletzt erlernbar wurden, wurde die Kunst der Nagybányaer Maler zugleich auch akademisch. Die Budapester Schüler von Ferenczy benutzten Nagybánya von den 10er Jahren an als eine Art Übungslager für die Ferien, und die von Károly Lyka und István Réti in den 20er Jahren durchgeführten Reforme des Hochschulunterrichts bedeuteten die endgültige Anerkennung des Geistes von Nagybánya, für die nächste Generation jedoch markierten sie das Niveau des Überholbaren. In dem Moment, wo das Risiko des Suchens aufgegeben wird und die Bilder nicht mehr als Ausdruck der individuell gefundenen Beziehung zur Natur Zustandekommen, tritt die Bewahrung der Tradition, die unkritische Verehrung der von den Gründern erreichten Ergebnisse in den Vordergrund. Die anfängliche pantheistische Naturauffassung läßt sich auch im Oeuvre der weniger bekannten Künstler nachvollziehen. Irma Seidler schrieb 1908 in einem Brief an Georg Lukács, sie beneide ihn dafür, daß „sein Ausdrucksorgan das Wort" sei, während für sie oft viel schwieriger ist, ihre Vorstellungen über die Malerei in Worte zu fassen. 22 Manchmal gelang es ihr doch, ihre intimen Erlebnisse über die Beziehung zwischen Natur und Mensch auf Papier festzuhalten: „Mit dem Landschaftsbild komme ich endlich so weit, daß das, was Ergebnis der künstlerischen Eindrücke und