Nagy Ildikó szerk.: ARANYÉRMEK, EZÜSTKOSZORÚK, Művészkultusz és műpártolás magyarországon a 19. században (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 1995/1)
KATALÓGUS / KATALOG - I. Művészkultusz a 19. században
b. Reliquien von Gesellschaften der Bohème Das Andenken an die „Schlaraffenreiche" , die Vereine der Schlaraffia in Ungarn In den vergangenen Jahrzehnten fielen mit vielen anderen Erscheinungen der Kulturgeschichte auch die Gesellschaften der Schlaraffia der Vergessenheit anheim. Die Schlaraffia wurde 1859 von einer Gruppe von Künstlern und Mäzenen aus der Bohème in Prag gestiftet, um abseits von der Welt selbstvergessen ihren Liebhaber-Beschäftigungen nachzugehen, wie dies auch in ihrer Devise „ in arte voluptas"zum Ausdruck kam. Die Bezeichnung Schlaraffia spielt auf das Schlaraffenland des alten deutschen Märchens an, wo die Einwohner wie im Paradies lebten. Die Mitglieder der Schlaraffia - sie nannten sich „Sassen" - bauten sich eine eigenartige Märchenwelt auf, in der sie als Schlaraffenritter lebten. Sie betrachteten es als ihre Pflicht, die Künste zu fördern und die Mißstände der Welt zu verulken sowie Freundschaften zu pflegen. Dies geschah in wöchentlichen Zusammenkünften, an den „Sippungstagen" , unter großer Fröhlichkeit. Die Prager Schlaraffia - die „Allmutter Prag" - baute ihre Filialen im deutschen Sprachgebiet aus und wird bis heute als eine typische kulturelle Vereinigung der Deutschen angesehen, weil die diplomatische Sprache in diesen Kreisen Deutsch war. Unter den ersten Vereinen, die von Prag aus gegründet wurden, gehörte auch der Schlaraffia-Verein von Sopron (Ödenburg), der 1878 ins Leben gerufen wurde. Merkwürdigerweise verdankte jede Schlaraffia in Ungarn ihr Entstehen einer anderen Muttervereinigung. Die von Budapest wurde von Wien aus, die von Preßburg von Berlin aus über die Vermittlung von Graz, die von Fiume von Graz und Pola aus, die von Temesvár von Linz aus, die von Eszék wieder von Graz aus gegründet. Über besonders komplizierte Umwege kam die Schlaraffia Villa Hermania zustande: Prag-Leipzig-Breslau-Köln-Stuttgart-München-Salzburg-Hermannstadt. Unter den ungarischen Vereinen wurden mehrere zu Muttervereinen, der Budapester, der jenen von Teschen, der Ödenburger, der jenen kurzlebigen von Tata, der Preßburger, der jenen von Sarajewo, und der von Eszék, der den Agramer Verein gründete. 1 Aus den Schriften der Schlaraffenreiche von Ödenburg und Budapest geht hervor, daß die Mitglieder aus den Reihen der Künstler - Musiker, Schauspieler, Maler usw. - und den höhergestellten Bürgern - Fabrikdirektoren, Bankiers, Ärzte, Rechtsanwälte, Offiziere usw. hervorgingen. Bei der Gründung des Schraffenreiches von Ödenburg spielten auch Vertreter der örtlichen Aristokratie (z. B. die Grafen György und Béla Széchenyi) eine Rolle. Die Vereine nannten sich Reiche und führten eine Nummer, die die Reihenfolge der Gründungen zum Ausdruck brachte. Das Schiaffenreich von Ödenburg trug die Nummer 9, das von Budapest die Nummer 48, das von Preßburg die Nummer 91 usw. Die Reiche nahmen Benennungen an, die nach Latein schmeckten, wie z. B. Budapestia oder Temesia, aber wo es möglich war, benutzten sie die einstigen lateinischen Namen, wie im Falle von Wien (Vindobona) oder Eszék (Mursa). Mit der Verbreitung der Reiche nahm auch der innere Aufbau der einzelnen Vereine, also der Ritterburgen der Schlaraffen, immer eigenartigere Formen an. Das Gründungsjahr haben sie um 300 Jahre zurückdatiert, um das vornehme Gehabe der Umweltzu verhöhnen und der Ritterwelt näherzukommen. Auch in anderen Formen versuchten sie das Rittertum nachzuahmen. Die Schlaraffen erreichten den Rang des Ritters über die Zwischenstufen der Knappen und der Junker. Den Titel eines Ritters erwarben sie sich durch künstlerische Verdienste, zum Beispiel durch den Vortrag eines Liedes oder eines Gedichts. Der Ritter erhielt mit seinem Rang einen „wohlklingenden" Namen, der im allgemeinen auf seinen Beruf oder eine auffällige Eigenschaft anspielte. Der Archäologe Lajos Bella erhielt zum Beispiel den Schlaraffennamen Ritter Cserepes (etwa: Ritter der Scherben). Sie erhielten auch hohe Titel nach nichtssagenden Örtlichkeiten: von und zu Budakeszi, Fürst von Tabán usw. Dazu gehörten selbstverständlich Orden und Auszeichnungen, die sie in unzähligen Varianten stifteten und vergaben. Für die Einhaltung der äußeren Umgangsformen und des Zeremoniells sorgten Amtsträger, Kanzler, Schatzmeister und Oberschlaraffen. Einzelne Reiche wählten auch Ehrenmitglieder aus den Großen der klassischen Kunst. In den Schlaraffenreichen von Ungarn wurde zum Beispiel den Dichtern Sándor Petőfi und János Arany sowie dem Komponisten Franz Liszt diese „hohe Ehre" zuteil. Bei den Zusammenkünften wurden oft nach schlaraffenart Duelle ausgefochten, d. h. die Gegner maßen sich die Kräfte, auf Holzschwerter gestützt, in verschiedenen geistigen Bereichen. Bei besonders festlichen Anlässen erschienen sie in Ritterkleidung, das heißt im Umhang, mit Schlaraffenhelm und unzähligen Orden und Abzeichen. Die Namen der verstorbenen Schlaraffenritter wurden in Prag in einem Schrank untergebracht. Ebenfalls in Prag wurden jährlich die sogenannten Stammrollen, Jahrbücher mit den Angaben der Schlaraffenreiche und den Namen der Schlaraffenritter, veröffentlicht. Jedes Reich hatte sein eigenes Wappen, mit dem Wappen des Prager Muttervereins im Herzschild. Das Prager Wappen zeigt im gespaltenen Wappen einen Clownkopf mit Zipfelmütze bzw. einen Weinhumpen. Eine Gruppe der Motive in den Wappen der Reiche bilden Embleme, die auf die wichtigeren Tätigkeitsbereiche der Schlaraffia hinweisen. Unter den Motiven, die sich auf die Künste beziehen, kommt - statt der Eule der Pallas Athene - der Uhu vor, dabei findet sich auch die Lyra und das sog. Künstlerwappen öfter. Auf die Belustigungen spielen stilisierte Humpen und Weinflaschen an, die Freundschaft und Bruderliebe wird in mehreren Wappen durch sich drückende Hände symbolisiert. Eine andere Gruppe der Motive stammte aus den Stadtwappen der Sitze der einzelnen Schlaraffenreiche, so bei der Schlaraffia von Temesvár der Burgturm aus dem Stadtwappen und bei Preßburg das Wahrzeichen der Stadt, die viertürmige Burg. Bei den Zusammenkünften der Schlaraffenritter durfte - abgesehen von der Verspottung der Außenwelt - von Politik kein Wort fallen, was sich im Hinblick auf die Zielsetzungen der Gesellschaft von selbst versteht. Wir wollen hier zwei Paragraphen aus den Statuten des Schlaraffenreichs von Preßburg anführen: 3 §2: Ziel: durch freundschaftliche Kontakte männliche Gemütlichkeit und männlichen Humor zu pflegen, besonders zur Winterszeit Vorträge, Vorlesungen und Belustigungen zu veranstalten.