Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)

László Mednyánszky im Spiegelbild kunstwissenschaftlichen Schrifttums: wissenschaftliche und kulturhistorische Beiträge - Tünde Császtvay: Garküche, Kothurnen und Horner. Versuche eines Mäzenatentums zur Rettung der Nation und Seele Ungarns um die Wende des 19. Jahrhunderts

einer gewissen Gekünsteltheit: er spielte auf die romantischen literarischen Topoi an, und es schien, als ob er die Dreieraufteilung Geld-Macht-Kunst von Faust oder eher Gelehrter-Krämer-Fürst in Vörösmartys Csongor és Tünde [Csongor und Tünde] verwendet hätte. Der Gelehrte - István Czóbel Den Philosophen István Czóbel, 38 Schwager von László Mednyánszky, der auf seinem Anwesen als Sonderling zurückgezogen lebte, lernte Justh ziemlich spät kennen, sie schlössen jedoch gleich eine sehr enge Freundschaft. Wie er das am 8. Oktober 1889 (also genau zur Zeit der Gründung des Kreises der Kunstfreunde, denn die Anmeldeformulare mussten bis zum 1. November 1889 an Gräfin Csáky zurückgeschickt werden) von Verebély aus voller Leidenschaft auch an ihn schrieb: „Ich weiß, wir werden uns sehr gut verstehen, heute genauso wie morgen und wie immer. Es freut mich unendlich, dass sich unsere Wege kreuzten." 39 In der Tat, Czóbel bekräftigte nämlich einerseits, erneuerte und nuancierte andererseits Jusths Vorstellungen über eine Gesellschaftsreform, die sich stark in das System der Milieutheorie von Taine einfügte. Czóbel war Vertreter und vor allem ein sich zu Spencers Lehren bekennender Ideologe der Agrarier-Bewegung des ungarischen Neokonservativismus. Auf jener moralphilosophischen Basis, die die feudal-patriarchalen Verhältnisse idealisierte und diese der „eingetretenen bürgerlichen Entwicklung rehabilitierend gegenüberstellte", meinten die Agrarier, dass die Aristokratie sich zu einer „effektiven wirtschaftlichen pressure group" formieren und von der Regierung die ihren Interessen dienenden wirtschaftspolitischen Entscheidungen erzwingen sollte. Der Theorie nach - basie­rend auf der Lehre von der organischen Entwicklung - „zerrüttete das Ruinieren der Schichten des Adels, der Bauern und der Kleingewerbetreibenden den Organismus der ungarischen Gesellschaft", und für Abhilfe sollte die Aristokratie sorgen. Sie glaubten fest daran, dass „die Organisation, das organisierte einheitliche Auftreten die Überlegenheit der , Starken' zunichte mache. Die sich bis dahin als , schwach' erwiesenen Schichten würden vereint in Interessenvertretungsorganisationen konkurrenzfähig im Wettbewerb werden [...] Die traditionellen und kleinbürgerlichen Schichten sind zu einer einheitlichen Interessenvertretungsfront zu organisieren." 40 Mit Czóbels Worten: „Es soll endlich die Liga ungarischer Patrioten gegründet werden. .. Herr und Bürger, Honoratioren und Kleingrundbesitzer, also all jene, die weder am großen Panama, noch am Sozialismus ihren Anteil haben, sollen sich zusammentun. [...] Gestalten wir also jenes Bündnis, das seriöse und weitsichtige Männer gegründet haben, zu einer lebendigen Macht, zu einem großen Knotenpunkt des gesellschaftlichen Lebens. [...] Dann wird es sich zu einer großen nationalen Liga umgestalten, die gegen das erpresserische System, die sozialen Missstände und die Korruption zwingend auftreten kann." 41 Justh bekam also von Czóbel einen letzten, bestärkenden, oder noch eher: dynamisierenden Schwung 42 , der sich zauberhaft in seine eigenen Pläne einfügte, wie er in seinem Schreiben vom 8. Oktober 1889 formulierte: „Ich habe das Gefühl, du stehst mir - was die Weltanschauung angeht - am allernächsten hier zu Hause. Wir lebten von einer Quelle, uns interessierte dasselbe und wir bewegen uns in die gleiche Richtung." 43 Der Start einer Organisation für Kunstförderung fügte sich offensichtlich ausgezeichnet in das neokonservative Ideensystem. Sie argumentierte nämlich nicht auf dem Terrain der Politik, sondern auf dem der Kunst für die Organisation einer Massenbewegung, d. h. sie ließ - fast als moderner „PR-Zug" - die Bedeutung und die Schaffung der durch den Neokonservativismus verkündeten Massenpropaganda erkennen und demonstrierte sie. Der Krämer - Árpád Feszty Árpád Feszty, enger Freund von Justh, verstand es immer sehr wohl, sich zu positionieren, und hatte einen bewun­dernswerten Geschäftssinn und ein Organisationstalent. Und all das war für das Aufrechterhalten und erfolgreiche Funktionieren der Gesellschaft unerlässlich. Denn dieser fingerfertige Maler, dieser fesche, anbetungswürdige Showman war tatsächlich in der Lage, grö­ßere Massen und Geldbeträge unter dem Vorwand der Kunst in Bewegung zu setzen. Ein anderes Mitglied ihres Freundeskreises, Gyula Pékár erinnerte sich an ihn mit folgenden Worten: "[...] ein jeder war in den stattlichen Maler vernarrt, und als er Róza heiratete, irrte seine sitzen gelassene Ariadne, die große Tragödin [Mari Jászai - Anm. Autorin T. Cs.] monatelang mit Weinkrämpfen in den Budaer Bergen herum, und ihr Begleiter, der ,Bettler-Baron', mein großer Maler-Freund Mednyánszky, konnte sie von ihren verhängnisvollen Plänen kaum abhalten. Inmitten solcher Tratschereien und Legenden baute die triumphierende Róza ein glückliches Nest für ihren angebeteten Árpád in der Bajzastraße." 44 Feszty konnte „hochrangige Personen und Bürger" bzw. Künstler und das Publikum mit seinen spektakulären - „Überraschungen bergenden" - Aktionen in der Tat zusammen­führen, sie miteinander anfreunden und mischen. Er stand mit beiden Beinen im realen Leben, so konnte man mit ihm wunderbar arbeiten, wenn es um jene praktischen Fragen ging, wie die Umgestaltung des Systems des Mäzenatentums den bürgerlichen Verhältnissen angepasst und irgendwie in das Vermarktungssystem eingefügt werden könnte, z. B. im Fall der Teilnahme an der Massenproduktion (Illustrationen in Groschenromanen und Zeitschriften, seine berechneten Erfolg heischenden Bilder, die den Mitgliedern der Gesellschaft geschenkten und vervielfältigten Ölbildkopien usw.). Dass er die Bedeutung des Kreises viel oberflächlicher und nicht als Teil einer schweren Strategie zur Rettung der Nation interpretierte, ist völlig sicher: „Frau Csáky denkt schön, schreibt schön - will auch auf diese Art han­deln - und Teeabende geben, zu denen sie Schriftsteller und auch Künstler einlädt. Ich bin gespannt, was daraus wird. Ich glaube nicht, dass die Sache gut geht, das erste Übel ist, dass es wenige Schriftsteller und Künstler gibt, mit denen ich - ehrlich gesagt - auch selbst gern zusammen wäre - die Magnaten hingegen werden jene, die kom­men würden, sicherlich verachten, letztendlich werden nur jene kommen, die die Verachtung dulden. Aber welche

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