Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)

László Mednyánszky im Spiegelbild kunstwissenschaftlichen Schrifttums: wissenschaftliche und kulturhistorische Beiträge - Tünde Császtvay: Garküche, Kothurnen und Horner. Versuche eines Mäzenatentums zur Rettung der Nation und Seele Ungarns um die Wende des 19. Jahrhunderts

Freude werden wir an ihnen haben? Das Bindeglied fehlt. Aber, wir werden sehen! Wenn es dieses Jahr nicht geht, wird es vielleicht nächsten Winter gehen, wenn auch du schon hier bist [...] Na, ein wenig Burgoisismus und ein Tröpfchen Philistrosität in dein Blut - werden dir nicht schaden'^* 5 (Abb. 5). Vermutlich hielt er es jedoch für ein vielverheißendes geschäftliches Unterfangen und daher war er auch bemüht - als guter Herr und späterer Leiter der Abteilung für bildende Kunst im Kreis - Justh im Laufe ihrer gemeinsa­men Arbeit mehrmals darauf aufmerksam zu machen: „Ich habe so viele Probleme hier mit dem Redigieren des Jahrbuches [...] eine der wichtigsten Ursachen dieser vielen Missstände ist, dass der Referent der literarischen Kommission nicht anwesend ist, und das bist du. Ich fürchte, das Ganze wird in einer großen Blamage enden [...] komm unbedingt her, um die Dinge zu besprechen und zu erledigen, denn, wenn du nicht für einige Tage herauf­kommst, stehe ich für nichts Gutes ein, und ich befürchte, dass durch deine Abwesenheit hier über das Ganze ein Kreuz gemacht wird und dann hat sich's mit dem Kreis der Kunstfreunde!" 46 Darüber hinaus führten Wege über Feszty auch zur Politik und zur Macht. Auch dies konnte nicht vernach­lässigt werden, zumal Jusths Lieblingskameraden aristokratischer Herkunft aus der Kindheit und Jugend, die für eine politische Laufbahn bestimmt waren, der Reihe nach in jungen Jahren verstarben. Vor allem war es so - nach den langwierigen Versuchen - viel leichter den Dichterfürsten Jókai für die Sache zu gewinnen, der auch bei der Gründung des Kreises der Kunstfreude begeistert das HORN blies. Er verpflichtete sich ebenfalls, den einleitenden Beitrag zu formulieren, den er mit dem Titel Magyar Pantheon [Ungarisches Pantheon] veröffentlichte: „In unseren höheren Kreisen begann eine überaus erfreuliche Bewegung, deren Ziel es ist, der ungarischen Literatur und Kunst jene gesellschaftliche Bedeutung zukommen zu lassen, mit welcher die Schriftsteller- und Künstlerwelt anderer Nationen in ihrer eigenen Heimat bedacht wird. Die ungarischen schöpferischen Geister erkämpften sich in den letzten Jahrzehnten sowohl in der Literatur als auch in den Künsten große Anerkennung und es wird ihnen seitens des Publikums eine solch gebührende Förderung zuteil, dass sie deren künstlich aufrechterhaltene Pflege nicht mehr nötig haben: und wo Talente zu Beginn ihrer Karriere unterstützt werden müssen, dort gibt es schon unsere festbegründeten Institutionen, die zum Opferbringen und zur Ausbildung berufen sind, denen die Initiatoren dieser Bewegung keine Konkurrenz machen wollen, sondern eher das Ziel dieser Institutionen auf gesellschaftlichem Wege zugänglich zu machen beabsichtigen [...] In unserer höheren Gesellschaft gibt es eine große unausgefüllte Leere: es fehlt der Platz der Dichter und der Künstler, die überall in der Welt zu den hohen Persönlichkeiten des Geistes gezählt werden." 47 Der Künstler — László Mednyánszky 41 Wir wissen, dass Mednyánszky, einer der innigsten Freunde (wenn nicht sogar der innigste) von Justh, sich bereits ab den 70er Jahren mit Plänen trug, einen Verein, einen geistigen Kreis zu gründen. Sie scheiterten jedoch der Reihe nach, denn sie konnten grundlegend nicht gelingen. 49 „Die Hauptsache ist das Malen" 50 , erklärte er bereits 1878. Und Hauptsache waren er selbst, seine interne Welt, seine Gefühle, das tagtägliche Erleben, die Entdeckung und die Analyse seiner Kunst - könnten wir noch hinzufügen. Mednyánszky, der „alte, noch nicht im Käfig eingesperrte Landstreicher", der immer lieber den völligen Ausstieg aus dem Alltag auf sich nahm, beschreibt Gyula Pékár eines seiner unheimlichsten Erlebnisse: „Lange Zeit hatte ich Angst, weil ich noch in meiner Kindheit bemerkt hatte, dass die eingesperrten Kanarienvögel böse werden, wenn die im Freien herumfliegenden Spatzen an der Fensterscheibe picken und mit ihnen ins Gezwitscher kommen." 51 In der Tat: Mednyánszky versuchte tatsächlich - im engsten Sinne des Wortes - so wenig wie nur möglich mit den Eingesperrten ins Gespräch zu kommen. Mednyánszky, der Mitstreiter im gemeinsamen Geist und in der gemeinsamen Philosophie, ist also ein Beispiel der „Vorbestimmung", der Absonderung des Auserwählt-Bewusstseins, des zur Einsamkeit führenden Weges. Die bewusste Nichtbeachtung und Ablehnung der realen Welt, deren seltene Besuche lediglich Ausflugscharakter hatten, konnten offensichtlich nur einem Künstler wie Mednyánszky, der den entsprechenden Habitus hatte und sich ausschließlich in seiner eigenen Innenwelt bewegte, eine Lösung und Beruhigung bieten. Und obwohl Justh, der in einem zunehmend schlechteren physischen und seelischen Zustand war, dies immer mehr mitbekam und - im Gegensatz zu Mednyánszky - zu akzeptieren schien, litt dieser unendlich darunter. Auch dann, wenn im unga­rischen Gesellschaftsleben die Beiden „der eine" und „der andere" hießen (Abb. 6). Justh stürzte sich mit größter Vehemenz in die auserwählte und „für sich selbst aufrechter­haltene" Kunstgattung, in die interne und verschlossene Welt der Literatur, die er noch dazu zum Bereich des „angehobenen", des wahren Lebens ernannte. Aber in der mit unermesslicher Energie aufgebauten, von Huysmans, seinem guten Bekannten, gelernten „umgekehrten" 52 und von der realen Welt künstlich abgehobenen Welt der Literatur spürte er nur die Einsamkeit. Er beschwerte sich darüber auch in einem undatierten Brief aus Kairo: „Man ist immer verlassen, aber von einer Einsamkeit, in die ich geraten bin, hatte ich nicht mal eine Ahnung." Und das war kein Zufall. Jusths unruhiges und krankes Wesen genoss zwar den zeitweiligen - eher demonstrativen - Ausstieg, die vorübergehende Flucht aus dem Freundeskreis, aus der Gesellschaft, aus der Welt, doch nur auf eine Art und Weise, die die Möglichkeit bietet, jederzeit zurückkehren zu können, wenn er es für notwendig erachtete. Seine Gedanken und Ideen, die vor allem mit dem Fortbestehen seiner Klasse und - für ihn damit gleichwertig - mit dem seiner Nation verflochten waren, entwickelten und gestalteten sich im Kontakt mit den bei der Partnersuche gefundenen Freunden. Literarische Werke brauchte er so gut wie nur, um diese Ideen zu erläutern. Zsigmond Justh schrieb zu Lebzeiten eigentlich kaum einen Satz nieder, in dem er nach Antwort auf die künstlerisch-ästhetischen, ja technischen Lösungen und Probleme der Formung und Gestaltung des literarischen József Faragó: Mednyánszky, aus der Serie „Karikaturen nach der Ausstellung in der Kunsthalle" (UNG, Inv.-Nr. 1907-322/k)

Next

/
Thumbnails
Contents