Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)

László Mednyánszky im Spiegelbild kunstwissenschaftlichen Schrifttums: wissenschaftliche und kulturhistorische Beiträge - Jan Abelovsky: László Mednyánszky in der slowakischen Kunstgeschichte

Zugehörigkeit des Lebenswerkes von Mednyánszky zu äußern, weil es ja organisch mit der Geschichte der Malerei des historischen und Nachkriegsungarn verbunden war. Die meisten Fachleute befassten sich mit diesem Thema überhaupt nicht, zumal es für sie kein Problem dargestellt hat. Spuren von Stellungnahmen oder soeben entschie­denen Stellungnahmen begegnen wir nur in längeren Schriften, hauptsächlich in Monographien." 5 . Kiss-Szemán unterstützt diese Behauptung durch zwei Ansichten, die im Widerspruch miteinander stehen. Dezső Malonyay, der Verfasser der ersten Biographie von Mednyánszky, ist für sie ein typischer Vertreter „der vulgarisierenden Konzeption der nationalen Kunstgeschichte". Der grundlegende Irrtum von Malonyay und seinen Zeitgenossen, die ähnliche Ansichten vertreten, liegt darin, dass „ihrer Überzeugung nach solche Werke zur ungarischen Kunst gehörten, welche die ungarische Tiefebene und das ungarische Volk darstellen, das bedeutet, dass also hinsichtlich der Feststellung des nationalen Charakters das Thema, der Gegenstand der Darstellung wichtig sei". An dieser Stelle kritisierte sie auch die Ansichten von Sofia Vámosiová und Karol Vaculik: „Genau diesem Irrtum begegnen wir in den 50er und 60er Jahren auch bei manchen slowakischen Autoren, die den slowakischen Ursprung der Kunst von Mednyánszky darauf zurückführen, dass das Motiv des Tatragebirges darin oft vorkommt". Der Vertreter einer anderen Konzeption ist Ernő Kállai, der „von Grund auf von einem anderen Gesichtspunkt aus an das Problem heranging" und „mit sämtlichen nationalen Postulaten brach". Er streicht sogar die Tatsache hervor, dass Mednyánszky „eine slawische Seele hat", schreibt ihm also Eigenschaften zu, die eher für die slawischen Nationen als für die Ungarn charakteristisch sind. Das Œuvre des Künstlers hält er dagegen für supranational, indes das uni­verselle Schaffen, die geistige Aktivität, die Mobilisierung der geistigen Kräfte hält er für das Primäre, keinesfalls aber die Identifizierung mit einer bestimmten nationalen Gemeinschaft. Mit diesem Standpunkt erklärt sich auch Kiss-Szemán einverstanden, denn sie argumentiert folgenderweise: „Wenn jemand Mednyánszkys Persönlichkeit wirklich und richtig versteht, ist es fast ausgeschlossen, zu einer anderen Überzeugung zu gelangen." 6 II. Die Interpretationsfallen der slowakischen Wertung von Mednyánszky Hat es dann überhaupt noch einen Sinn, über Mednyánszky ausschließlich in slowakischen (oberungarischen) Zusammenhängen zu denken? Unsere bisherigen Erörterungen wecken den Anschein, als ob man - schreitet man auf diesem Weg weiter - aller Wahrscheinlichkeit nach in die Falle des Nationalismus gerate, und das Œuvre des Malers einengend, es mit Hilfe des Einfalls, des Themas oder des Sujets interpretiere. Paradoxerweise müssten gerade das Beispiel Vaculiks und seine für die slowakische Kunstgeschichte übrigens beispiellose, in vieler Hinsicht vorausgreifende und bis heute gültige wissenschaftliche Initiative uns vor dieser Gefahr schützen: Es ist Vaculiks Verdienst, dass Mednyánszky seit der ersten Ausstellung der Slowakischen Nationalgalerie (Umenie XIX. storocia na Slovensku) aus der Reihe jener ihm ähnlichen, namenlosen oberungarischen Maler des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts herausgetreten ist, deren nationale Zugehörigkeit indifferent ist. Bei Vaculik verbarg sich aber hinter dem Ethos von Mednyánszkys „Aneignung" eine unterschwellige Absicht. Die Betonung des Slowakentums von Mednyánszky, der Treue zu seiner Heimat und zu den armen Leuten von Beckov (Beckó) und Strázky (Nagyör, Nehre) trieb in der Interpretation nolens volens die kulturelle Identität des Malers in den Hintergrund, die aller­dings viel umfangreicher gewesen ist, als die soeben aufgezählten Komponenten. Die Botschaft Mednyánszkys „stammte" laut Vaculik „von einem der größten Künstler, den diese arme, damals unendlichen Entbehrungen ausgesetzte Region der Welt gab [...] Sie ist die in der Sprache der bildenden Künste formulierte Botschaft eines die Gesellschaft und die Kunst Reformierenden, eines Globetrotters, eines supranationalen Künstlers, der zwar heimatlos war, der aber zugleich dem Stück Land, wo er geboren wurde, seiner Umgebung, wo er seine Kinder­und Jugendjahre verbracht hatte und wohin er später so oft zurückkehrte, unendlich treu geblieben ist. Trotz seiner häufigen Auslandsreisen und seines ständigen Wohnortwechsels entfremdete sich Mednyánszky nie von seiner Umwelt, und von seinem Land, die sein eigen gewesen sind und ihm gehört haben. Feste und unzertrennbare Bande verbanden ihn mit seiner Heimat. Die Slowakei war im Laufe der künstlerischen Darstellung des slowa­kischen Naturells und des slowakischen Volkes jederzeit ein ausschlaggebender Faktor, dem eine Inspiration für den Künstler innewohnte. Abgesehen von den Studienreisen kehrte erjedés Jahr gleich einem Wandervogel an die väterliche und mütterliche Basis zurück, die ihm Sicherheit und Ruhe gab. Dabei handelt es sich jedoch keinesfalls um eine in einem wortwörtlichen Sinn gemeinte Rückkehr, denn man dürfte eher von häufigen Wanderungen eines unsteten Ahasvers sprechen [...] Außer ihm fand sich in unserem Vaterland kein anderer Künstler, der so vielseitig und mit solch großer Liebe das slowakische Land und das dort lebende Volk dargestellt hätte. Das tat er auf jede nur mögliche Weise und in jeder Lebenssituation. Beckov, Strázky am Fuß des Tatragebirges, die Spis (Szepes, Zips), Zemplín (Zemplén) und Saris (Sáros), die er mit besonderer Vorliebe zum Thema seiner Gemälde genom­men hat, sprechen dafür, doch er widmete sich künstlerisch auch gern anderen slowakischen Landschaften". 7 Für den heutigen Geschmack klingen diese Sätze etwas pathetisch. Was aber noch wichtiger ist, wir finden weder in diesem, noch in einem anderen Text von Vaculik eine konkret formulierte Feststellung, die ein Licht darauf werfen würde, worin sich Mednyánszkys slowakische Landschaftsbilder von ähnlichen (der Zahl nach gleichen) ungari­schen, französischen oder italienischen Sujets unterscheiden. Hat Mednyánszky die nicht slowakischen Pleinairs etwa anders, eventuell mit einer geringeren künstlerischen Leidenschaft verewigt? Diese Überlegungen haben selbstverständlich keinen Sinn. Andernorts verfolgt Vaculik selbst letzten Endes äußerst präzis die Entwicklung von Mednyánszkys Landschaftsmalerei vom Münchner Naturalismus bis zur Aneignung des Naturausschnitts à la Barbizon. Kurz und gut war - auch nach Karol Vaculik - für Mednyánszky die Landschaft kein kulturelles Phänomen, sondern ein metaphysisches Rätsel, er suchte keinesfalls die typischen Merkmale „Genius Loci", für ihn bedeutete die Landschaft vielmehr den Widerhall seines subjektiven Gemüts, ein Mittel der philosophischen Meditation. Gerade das veranlasste Vaculik dazu, Mednyánszky in das 19. Jahrhundert, in jene Gefilde zu verban­nen, die noch vor dem slowakischen Modernismus lagen. Er konnte nämlich nicht beweisen, dass Mednyánszkys

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