Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)

Csilla Markója: „Die Entfernung zwischen einem erhabenen und einem abscheulichen Gesicht". Über die außergewöhnliche Kunst des László Mednyánszky

durch Serien auf ein höheres, allgemeineres Niveau zu heben. Die Serien, die Gegensätze, die Kreuzungen und Umkehrungen der Themen und Motive dienen alle dem selben Ziel: sie sind das Bemühen um eine weitgehende, zusammenfassende, monumentale Malweise. Mednyánszky wurde eben durch Károly Lyka, seinen Freund Carlo, gewahr, dass die Maler, die Lyka 1898 unter „seinem schützenden Laubdach" „als aufblühende, reiche Vegetation" „die Hoffnungen der Zukunft" nannte, 78 im Laufe der Zeit mit ihrer durchschnittlichen Stimmungsmalerei im Licht der neuen, impressionistischen und strukturell naturalistischen Wende der ungarischen Kunst, der Schule von Nagybánya (Baia, Mare, Rumänien) und der Künstlergruppe „Die Acht" verblichen. Mednyánszky war mit allen in gutem Einvernehmen, nicht nur in München, Wien und Paris, auch in Oberungarn, in Budapest und Szolnok. Sein Ateliernachbar war Károly Ferenczy, mit dem aus der Tiefebene kommenden Lajos Deák-Ébner war er gut befreundet, mit István Réti führte er lange Gespräche, und bei Károly Kernstok war er häufig Gast im Atelier. 79 Endre Ady wollte seinen epochalen Gedichtband Új Versek [Neue Gedichte] von ihm illustrieren lassen. 80 Er nahm an Tischgesellschaften wie den „Drei Raben" 81 teil oder an dem haupt­sächlich aus Malern von Nagybánya bestehenden „Geranien-Kreis" 82 , wo er nicht nur seiner alten Leidenschaft, dem Schachspiel frönte, sondern auch die Künstlergefährten „mit ihren hinduistischen und spiritistischen Lehren" kennenlernte. Er hatte also Gelegenheit, zu erahnen, welches die durchschlagende Richtung der ungarischen Kunst werden würde. Trotzdem schloss er sich keiner Schule an. Noch während seines zwei­ten Paris-Aufenthalts Anfang der 1890er Jahre hatte er eine kurze und intensive impressionistische Phase durchgemacht. Schon damals war ihm klar geworden, dass der Impressionismus seine künstlerischen Probleme ebenso wenig lösen konnte wie der „Küchengarten-Naturalismus". So sah er keine Notwendigkeit, sich der Schule von Szolnok oder den Malern von Nagybánya anzuschließen. Die Folge seiner Entscheidung ist ein bis heute anhaltendes Durcheinander der kunsthistorischen Rezeption. Mednyánszky zählt offensichtlich zu den Stimmungsmalern, andererseits kann nicht in Frage gestellt werden, dass sein Sonderweg in der Malerei weit über Barbizon, die Schule von den Haag oder die Wiener poetischen Realisten / Stimmungsrealisten hinaus­geht. Er gehört dagegen weder zu den internationalen Postimpressionisten, noch zu den ungarischen Impressionisten und auch nicht zu den modernistischen Entwicklungsrichtungen. Da es uns noch immer schwer fällt, an ein anderes Entwicklungssystem zu denken als an die Evolution der westlichen Kunst, erweist sich Mednyánszky „mit seinen konservativen Reformbestrebungen" ebenso als Inklusion, wie das geistige Umfeld, aus dem er stammte, jenem Zipser ungarischen Adel und seinen Anhängern, die heute der Einfachheit halber als Kreis Justh-Czóbel bezeichnet werden. Der intellektuelle Hintergrund Mednyánszkys war Peripherie im Quadrat. 18 László Mednyánszky: Nächtliche Landschaft, Öl auf Leinwand (Privatbesitz, Repr. Kieselbach Galerie, Winterauktion 1998, Pos. 6) Ein zweiter rezeptionsgeschichtlicher Exkurs: und kulturellen Identität" Mednyánszkys ,Die Frage der nationalen Wozu sich ein Motiv entwickelt, ist manchmal ganz und gar kontextab­hängig. Unter den unzähligen Mednyánszky-Anekdoten gibt es eine, die geradezu das Emblem dieses Gedankens sein könnte. „In Venedig traf Mednyánszky einen bekannten Budapester Großindustriellen, der betrof­fen auf den verbeulten, fettigen Hut des Malers blickte. ,Herr Baron könn­ten sich doch wirklich mal einen neuen Hut kaufen', sagte er. ,Wozu?' fragte Mednyánszky. ,Hier kennt mich doch niemand.' Ein paar Wochen später treffen sie sich wieder, diesmal in Budapest. Der Maler trägt noch immer den fürchterlichen Hut. ,Aber jetzt werden Herr Baron sich doch endlich einen neuen Hut kaufen?' fragte der Fabrikant. ,Keine Rede davon', erwiderte Mednyánszky. ,Wozu? Hier kennt mich doch sowieso jeder.'" 83 Diese Art Relativismus, die sich in der Motivbehandlung des Malers ebenso findet wie in seiner Lebensauffassung, ist ein amüsantes Beispiel dafür, dass den weltanschaulichen Fragen Mednyánszkys nicht allzu große Bedeutung beigemessen werden sollte. Im ersten Kapitel haben wir auch versucht, darauf hinzuweisen, dass sich der Künstler aus seiner Persönlichkeit heraus den Vorstellungen seiner jeweiligen Umgebung gegenüber kritiklos ergeben, in der Sache aber resistent zeigte. Trotzdem waren die ideellen und nationalen Gefühle des Kreises Justh-Czóbel, die konkret mit dem Taine-Milieu und der Rassentheorie in Zusammenhang gebracht werden können, ein nicht zu vernachlässigender Umstand in der geistigen Umgebung Mednyánszkys. Dezsö Malonyay, der erste Monograph des Künstlers, ist - wie auch Ferenc Gosztonyi im vorliegenden Katalog beleuchtet - in gewissem Sinne als „Sprachrohr" des Justh-Kreises und der Mednyánszky-Verwandtschaft anzusehen. Dennoch wäre es vollkommen unhistorisch, würden wir - wie es Zsófia Kiss-Szemán tut - die nationalistische Ästhetik Malonyays als „Irrtum" bezeichnen. Auch die Beobachtung, dass nach Malonyay „jene Werke als ungarische Kunst anzusehen sind, die die Ungarische Tiefebene und ihre Bewohner abbilden, d. h. dass der nationale Charakter in erster Linie von der Thematik, dem Gegenstand der Abbildung usw. bestimmt wird" 84 , ist eine ziemliche Vereinfachung der Dinge. Um den Sinn dieser Äußerung genauer bewerten zu können, müssen wir zunächst einmal festhalten, dass Mednyánszky weder eine „doppel­19 László Mednyánszky: Episode (Nächtliche Streife), 2. Hälfte d. 1910er Jahre, Öl auf Leinwand, 60 X 70 cm (Sammlung Glücks, Repr. Sarkantyú, Abb. 41 u. Aradi, Abb. 56)

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