Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)

Csilla Markója: „Die Entfernung zwischen einem erhabenen und einem abscheulichen Gesicht". Über die außergewöhnliche Kunst des László Mednyánszky

11 László Mednyánszky: Mobilisierung, Öl auf Leinwand, 28,5 X 37 cm (Privatbesitz, Repr. Mű-Terem Galerie, Winterauktion 2001, Pos. 42) 12 Mihály Zichy: Aktstudie (Repr. Lázár, Béla: Zichy Mihály. Budapest 1927. 103) malte (Abb. 13). Die Zeitgenossen lästerten „über die dunklen und geheimnisvollen Leidenschaften", auch „über den mörderischen Sarkasmus", mit dem er die Menschen seiner Umgebung so oft quälte. 40 Zu diesem Gerede mag auch der Maler Nándor Katona (geb. Náthán Kleinberger), ein Schüler Mednyánszkys, Anlass gegeben haben. Den 15jährigen Jungen eines Gastwirts aus Kezmarok (Késmárk) hatte der Künstler vermutlich aus Mitleid bei sich aufgenommen und zum Maler ausgebildet. Wir wissen nicht, warum, aber mit der Zeit zeigte Nándor Katona ziemlich schwere paranoische Symptome. 41 In der Zeitschrift Magyar Művészet heißt es dazu: „Katona durchlebte eine schwere Kindheit [...] bis ein großherziger Mann, Baron László Mednyánszky, auf sein Zeichentalent aufmerksam wurde. Dieser große Künstler hat ihn dann jahrelang gefördert, lange Zeit als Gast in der Kurie von Strázky (Nagyőr, Nehre) aufgenommen [...] Sie verbrachten soviel Zeit miteinander und malten in den Zipser Bergen die gleichen Motive, dass sich der Malstil Mednyánszkys als unauslöschliches Merkmal auch in der Malerei Katonás verankerte. Irgendein Gefühl im Unterbewusstsein mag den Maler gekränkt haben, der verschwommene Wunsch, sich von dem Stil des großen Meisters zu befreien, mag ihn von ihm entfernt haben, und schließlich ... begann er seinen Wohltäter zu verdächtigen, der Verdacht steigerte sich in ihm bis zum Hass, und beim Anblick eines jeden neuen Mednyánszky-Bildes fühlte er sich bestohlen. Dieses pathologische Gefühl, das jeglicher objektiver Grundlage entbehr­te, ging so weit, dass er nicht nur offen den Baron als seinen Verfolger bezeichnete, sondern alle, die in irgendeiner Beziehung zu dem großen Meister standen." 42 In seinem überlieferten Tagebuch bringt Nándor Katona grässliche, doch vermutlich eingebildete Anschuldigungen gegen Mednyánszky vor. Katona malte seine Gemälde aus Sicherheitsgründen in zwei Exemplaren und verwahrte die Kopien in seinem Atelier in Panzerschränken und eisernen Truhen. Er wurde ein erfolgreicher Landschaftsmaler und überlebte seinen „Verderber", wie er den Meister nannte. Seine dunkle, auch durch Mednyánszky vererbte dämonische Gestalt steht dem Maler zur Linken, so wie er den engelhaften Bálint zur Rechten hat. Diese beiden Begleiter gehören einfach zu der an „Widersprüchen reichen" Person Mednyánszkys dazu. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass seine Verwundeten-Thematik, die Vorliebe für Darstellung masochistischer und sadistischer Szenen, die Identifizierung mit der „androgynen Lehre" der Theosophie nicht unabhängig von seiner Homosexualität sind. Wiederholt kom­men in den Skizzenbüchern Mednyánszkys Folterszenen vor. Sein besessenes Interesse für die Natur der menschlichen Gewalt lässt sich nur mit dem von Goya vergleichen. 43 Es ist außerdem kein Zufall, dass wir unter seinen Werken keine oder kaum Frauenporträts finden. Homosexualität und ikonographische Tradition sind gleichzeitig bestimmend für die Genesis der eigenartigen Landstreicherbilder Mednyánszkys. Wie schon an anderer Stelle 44 darauf hingewiesen, dürfte Mednyánszky die - auch von Proust charakterisierte - unge­wöhnliche Beweglichkeit zwischen den Kasten und Klassen, die eine Voraussetzung für die Landstreicherbilder war, nicht allein seinem Verlangen nach Unabhängigkeit, seinem legendären Wanderinstinkt und seiner sozialkritischen Attitüde verdanken, sondern auch seinen homosexuellen Neigungen, die ihn zu dieser Promiskuität, dieser mobilen, sich in Wanderschaft versteckenden Lebensweise zwangen. Die Homosexualität war in diesem Fall das Unterpfand für die Bewegung zwischen den Kasten, jener Attitüde, die es dem aris­tokratisch erzogenen „Treibhausgewächs" erlaubte, zur Peripherie seiner Welt wahrhaftige Beziehungen ohne jeglichen sentimentalen Nachgeschmack aufzunehmen. Nun war er nicht mehr auf Kopien angewiesen und schlug keine sentimentalen Töne mehr an, die Erfahrung der Peripherie war die Erfahrung der Identität, und das war erheblich allgemeingültiger als jegliche Gesellschaftskritik. Ungeniert schrieb er aus Wien an Dávid Klein, der bei seinem späteren Mäzen, dem Verleger und Kunstliebhaber József Wolfner, Magazinverwalter war und für Mednyánszky als Verbindungsmann zur eigenen Klasse und zur sicheren Existenz fungierte: „Ich habe jetzt noch ein wenig Pech mit der Wohnung, meine bisherige Wohnung kann ich nicht nutzen, weil dort ein Abfluss schadhaft geworden und der Gestank nicht auszuhalten ist. Für eine neue Wohnung habe ich kein Geld, und so schlafe ich jetzt seit 10 Tagen angekleidet hier in dem kalten Atelier wie ein echter und wahrhaftiger Landstreicher. Wenn ich einen ausreichend großen Spiegel hätte, würde ich mich malen und brauchte mich nicht nach einem Modell umzusehen. Ich beginne mich als schön zu betrachten." 45 Die Mitteilung sollte zwar ein Scherz sein, enthält aber viele ernst zu nehmende Formulierungen: „Wie ein echter und wirklicher Landstreicher [...] Ich fange an, mich schön zu finden". Der Landstreicher ist schön, genauer gesagt, elementar, noch genauer gesagt, stark. „Wer stark sein will, soll das Medium von Starken werden" 46 , formulierte Mednyánszky das Rilke'sche Axiom des „in der Nähe des stärkeren Seins" um. Neben den Landstreichern sind aber auch jene Bauern, Fischer und Kutscher „stark", unter denen Mednyánszky am liebsten seine Jugend verbracht hätte und später sein Leben auch verbrachte. Er schrieb: „Heute habe ich den ganzen Tag gemalt, am Abend ging ich nach Pest. Ich kaufte Pinsel, Leinwand und Terpentin. [...] Von dort ging ich zu Pista Varga in die Aradistraße. Diesbezüglich kam mir in den Sinn, wie es gewesen wäre, wenn ich in ganz jungen Jahren eine solche Freundschaft erlebt hätte und wenn ich in einem großen Stall mit vielen jungen Kutschern befreundet gewesen wäre. Wie schön wäre davon die mensch-

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