Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)

Csilla Markója: „Die Entfernung zwischen einem erhabenen und einem abscheulichen Gesicht". Über die außergewöhnliche Kunst des László Mednyánszky

László Mednyánszky: Herbstwald, Öl auf Leinwand, 34,5 X 28 cm (Privatbesitz, Repr. Kieselbach Galerie, Herbstauktion 1998, Pos. 257) László Mednyánszky: Verschneite Bäume, Öl auf Leinwand, 27,5 X 17,5 cm (Privatbesitz, Repr. Kieselbach Galerie, Winterauktion 2001, Pos.59) die Mutter, 1889 die Großmutter, im gleichen Jahr der kleine Sohn der Schwester und 1895 der Vater - , auf eine schon 1878 präsente symbolistische Auffassung zurück, und es entsteht eine Folge allegorisch-symbolistischer Bilder. Diese markant abgegrenzte allegorische (makabristische) Periode schließt 1897 mit der Gauner-Galerie. Nach den Bauern- und Zigeunermodellen, die hauptsächlich aus Strázky stammten, wendet sich Mednyánszky nun einer städtischen Thematik und Lebensform zu. Zwar kehrt er immer wieder nach Oberungarn zurück, doch ist er in der zweiten Hälfte seines Lebens und Schaffens eindeutig mit Budapest und Wien verbunden. Er mietet für längere Zeit ein Atelier im Budapester Judenviertel und malt um die Jahrhundertwende unter dem Eindruck dieser Umgebung und seiner Galizienreise die sog. Rabbiporträtgalerie. In die erste Hälfte der 1900er Jahre fallen überwältigende Bilder von felsigen Ufergegenden und Wasserhöhlen. Parallel dazu wird seine Palette bunter und befreit sich langsam von dem zeichnerischen Einfluss des minuziösen Münchener Realismus. Ab Mitte der 1890er Jahre bis etwa 1905 entwickelt er seine Auffassung von Licht und Schatten in den sog. „mit Feuer beleuchteten" Bildern weiter, die Caravaggio zum Vorbild haben, aber auch postimpressionistischen Einfluss zeigen. Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts spielt die farbige Lichtsilhouette in seiner Malerei eine zunehmende Rolle, die Pinselführung ist gelöster, die Bilder werden expressiver. Vor 1900 kam es vor, dass seine Bilder bis zu zwanzig Schichten Lasur erhielten, um die Jahrhundertwende gibt er die bitumenartige, asphaltierende Grundierung (die aber auch bis dahin nicht für jedes Bild zutraf) und die braunen Galerietönung auf. Die auf Perlgrau oder Goldgelb-Braun abgestimmten, oft durch Nebel in düsteres Zwielicht getauchten Bilder nach der Barbizon-Periode werden von Farben, die in einem sorgfältig ausgearbeiteten Vordergrund wie Juwelen leuchten, abgelöst, ebenso von einer hell gefärbten Öffnung des Bildraums zum Horizont hin. Ab 1900 finden sich in seiner Malerei zahllose technische Neuerungen, immer häufiger nutzt er die bloße Leinwand oder die rohe Oberfläche des Holzes, auf dem das Gemälde entsteht, als Farbwert und dynamisiert die Flächen durch einen plastischen Farbauftrag, Einkerbungen sowie Verwischen und Tropfen der Farbe. Die Landstreicherbilder vom Beginn des 20. Jahrhunderts erfahren in der expressiven Periode 1911-1913 eine völlige Veränderung, um dann wieder zu ihrer individuellen Form zurückzukehren. Bei der Geburt der figürlichen Bilder Mednyánszkys stand jedoch - mehr als alle anderen Einflüsse - Jean-François Millet Pate. Obgleich Mednyánszky selbst den Einfluss Millets erwähnt und berichtet, dass er Zeichnungen nach seinem Vorbild schuf, und obwohl Mednyánszky selbst lange Zeit seine Themen aus dem Bauernleben schöpfte und unter seinen Frühwerken viele Bauernporträts oder Schnitterszenen zu finden sind, ist das Wesentliche ihrer Verbindung nicht in der thematischen Beeinflussung zu suchen. Die Landstreicherbilder Mednyánszkys sind nämlich nicht durch die Arbeit, sondern durch provozierende Untätigkeit charakterisiert. Auch protestierte Millet vehement gegen eine übermäßige Bewertung seiner Bilder unter sozialem oder moralischem Aspekt. Wie Mednyánszky, war auch er ein eingefleisch­ter Individualist. Millets jüngster Monograph Lucien Lepoittevin vertritt die Theorie, dass Millet, der in der Jugend zahlreiche Bilder mit pikanten Themen gemalt hatte, der Fleischeslust überdrüssig geworden und sich sozusagen vor seiner eigenen „Unmoral" in die bäuerliche Thematik und nach Barbizon geflüchtet wäre. Der Mann und auch der Künstler in ihm wollten das Gewissen reinigen, sich nach eigenen Worten „mit anderen Themen auszeichnen". Die Läuterung, die Millet in seinen Werken vornahm, ist nach Lepoittevin mit einer plötzlichen Bekehrung sehr sinnlicher Menschen zu vergleichen, die in eine strenge Askese ausartet. 32 Nach der so gearteten Flucht vor der Fleischeslust fand Millet schon bald im bäuerlichen Leben einige Lieblingsthemen und Urtypen, die er nicht müde wurde, immer aufs neue zu vervollkommnen. Die Entwicklung sei­nes Stils steht mit seinen persönlichen Problemen im Einklang. So kommt es zu einer neuen Veränderung, die eng mit anderen Veränderungen zusammenhängt und die die Entwicklung seiner künstlerischen Gedanken, wir könnten sagen, seiner Doktrin, seiner immer quälender werdenden fixen Idee begleiten, die nichts anderes ist als sein unter dem allgemeinsten und universellsten Aspekt untersuchtes „menschliches" Thema, das sich mit einer heiteren, genau ausgearbeiteten, skulpturartigen und häufig monumenta­len Figurengestaltung paart. 33 Die Verwandtschaft zwischen Mednyánszky und Millet beschränkt sich aber nicht nur auf den spirituellen und in dem Zusammenhang monu­mentalen Charakter ihrer Kunst. Sie haben auch eine sehr ähnliche Motivauffassung. Millet hat wie Mednyánszky die Manie, die gleichen Themen mehrmals hintereinander zu wiederholen, wobei sich die Ausmaße und die Techniken ändern. Der Archetyp, den sich Millet vorstellt, kommt so im Laufe der Entwicklung in zahlreichen Modi zum Ausdruck, was natürlich - wie Lepoittevin anmerkt - für den Kunsthistoriker bei der Lösung der chronologischen Probleme recht störend ist. 34 Das klingt sehr bekannt, nicht wahr? Nicht anders geht es uns mit der folgenden Beobachtung Lepoittevins: Das Schaffen Millets lässt sich also in große thematische Zyklen gliedern, die zugleich organisch aneinander zu fügende, in strenge Folgen passende, in verschiedenen (Dur- und Moll-)Tonarten vorgetragene, große symbolische Zyklen sind. Kein Zufall, dass auch das bereits analysierte Verfahren Mednyánszkys, Stimmungen mit Tonarten zu verbinden, auftaucht. Sowohl das Festhalten an gestischen Urtypen, diesen modernen Pathosformen des 19. Jahrhunderts, als auch die Beibehaltung

Next

/
Thumbnails
Contents