Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)

Csilla Markója: „Die Entfernung zwischen einem erhabenen und einem abscheulichen Gesicht". Über die außergewöhnliche Kunst des László Mednyánszky

Galerie mussten nur ein paar Jahre vergehen, bis sich seine einsame, mit niemandem zu vergleichende Kunst ent­faltete, die zwischen 1900 und 1914 eine Reihe von Hauptwerken hervorbrachte, wie die Gemälde Nach der Schlägerei (Kat. 87), Armseliger (Kat. 170), Den Kopf in die Hände gestützt (Kat. 199) und Studie eines Vagabundenkopfes (Verwundeter), (Kat. 217). Auch seine Landschaftsmalerei wird kühner, die Pinselführung gelös­ter. Die grauen Waldinterieurs von Barbizon erhalten in den 1900er Jahren Farbe (Abb. 7- 8) und werden durch eine dynamische Faktur mittels Einkerbungen, Palettenmesser, Glassplitter und Verwischen der Farbe plastischer und expressiver. Mit den zwischen 1911 und 1913 entstandenen Werken erreicht er in einer künstlerisch ungewöhnlich aktiven und fruchtbaren Periode den Höhepunkt seiner Laufbahn. Dies ist mit so außerordentlichen Meisterwerken wie Stehender Vagabund (Wegelagerer), (Kat. 209), Späher (Kat. 212) oder Lynchen (Kat. 210) die Periode des expressionistischen Durchbruchs. Die Kriegsjahre beginnt der 62jährige Künstler, der sich freiwillig an die Front meldet, 1914 mit einer erschütternden Folge von weißen Bildern, unter denen das bekannte Gemälde In Serbien (Kat. 224) durch seine kompakte, emblematische Konzeptionsweise hervor­sticht. Viele halten dieses Bild für Mednyánszkys bedeutendstes Werk. Wir wollen uns hier und jetzt nicht auf eine Analyse der ganz einzigartigen Kriegsmalerei Mednyánszkys einlassen, 31 denn der Katalog konzentriert sich vor allem auf die erste Hälfte seines Schaffens. Doch so wie die im Schnee zusammengesunkene und tonlos, in stummem Grauen auf den Tod wartende Gestalt auf dem Gemälde In Serbien fast eine „schädliche Inversion" des Bildes Armseliger (Kat. 170) und der melancholisch und nachdenklich herumsitzenden Figuren Mednyánszkys ist, so sind uns auch die Gefallenen auf dem Kriegsschauplatz schon längst bekannt: Es sind jene Figuren, die auf den frühen Bildern des jungen Mednyánszky von der unerträglichen Last der eigenen Existenz verwundet waren. Der um die Jahrhundertwende entstandene Vagabund mit Hut (Kat. 125) leiht seine Körperhaltung im Krieg dem Wachtposten (Abb. 9). Gemütszustände und Gefühle in Bildform festzuhalten, das ist Mednyánszkys größte Ambition, daran ändert sich auch im Krieg nichts. Die Kriegsthematik scheint fast die Krönung seiner Kunst zu sein, als ob jede seiner Figuren für diese schreckliche Adäquanz, diese unverhüllte Manifestation der menschlichen Natur entstanden wäre. Die Landschaft, die bis dahin auf Mednyánszkys Landschaftsbildern immer mit dem Menschen gleichwertig war, zwar in gewisser Weise ein Eigenleben führte, aber dennoch als Träger der menschlichen Gefühle, als Prothese des seiner Existenz nicht würdigen Menschen fungierte, wird auf den Kriegsbildern in ganz selbstverständlicher Natürlichkeit zum Partner des Menschen. Sie weint und tobt mit dem Menschen oder umgekehrt, trotzt ihm in herrlicher Gleichgültigkeit. Die anfängliche Kriegsbegeisterung Mednyánszkys resultiert aus der seit langem verspür­ten Neigung und thematischen Erkenntnis, die seine Kunst in die Richtung der Katastrophenbilder und der Darstellung der im Menschen - oftmals dämonisch - arbeitenden Kräfte lenkte. In seinen Frontbildern gehen die Toten in morbider Harmonie, man könnte sagen, in sinnlichem Entzücken in die Natur ein (Verwesung, Kat. 272). Die Kunst Mednyánszkys ist eine Kunst der zyklischen Wiederholungen, der ewigen Wiederkehr. Die Darstellungen von Flüchtlingen und Trains zeigen Menschen, die ohne Anfang und Ende in ewiger Ziellosigkeit dahinziehen. Dieser Zug ist das Thema vieler Bilder, es ist eine Marschkolonne ameisengleicher Wesen, die sich unter schwerem Himmel zu rhythmisch wiederkehrenden Reihen ordnen (Abb. 10). Der Künstler hat seine Motive schon früh gefunden, die er dann bis an sein Lebensende variiert und ausreifen lässt. Das Wesen seiner Kunst ist der schöpferische Prozess an sich. Auf einem seiner letzten Gemälde, der Szene einer Einwaggonierung, erscheinen seltsam maskenartige, an Nolde erinnernde lachende Gesichter. Auf einer der zahllosen Versionen und Skizzen dieses Motivs sind die Gesichter nicht ausgearbeitet (Abb. 11). Die Betonung liegt auf einer Geste, auf der Schmerz aus­drückenden Bewegung der zum Abschied winkenden Hand. Am 17. April 1919 stirbt László Mednyánszky in Wien an den Folgen einer Nierenentzündung, die er sich an der Front zugezogen hat, und mehreren Gehirnblutungen. Sein Sekretär, ein schmarotzender Gefährte der letzten Jahre, der später bei der Inventarisierung und teilweisen Enteignung des Nachlasses eine Rolle spielt, überlässt Mednyánszky in seiner Krankheit sich selbst. Wegen der Budapester Revolution werden die Angehörigen erst verspätet vom Tod unterrichtet. Mednyánszky wird auf dem Zentralfriedhof in Wien beigesetzt, zur letzten Ruhe geleitet ihn nur sein Vermieter und treuer Freund, der Maler Gyula Kláber. Periodisierung und ikonographische Fragen: Millet László Mednyánszky: Lichter am Ufer, Öl auf Leinwand, 27,5 X 42 cm (Privatbesitz, Repr. Kieselbach Galerie, Frühjahrsauktion 2001, Pos. 126) László Mednyánszky: Tatra-Landschaft mit Schneegipfeln, Öl auf Leinwand, 28,5 X 38 cm (Privatbesitz, Repr. Kieselbach Galerie, Winterauktion 2001, Pos. 13) In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre ist Mednyánszkys Kunst vom Nebeneinanderbestehen Münchener und Barbizoner Einflüsse bestimmt. Mit Beginn der achtziger Jahre gesellen sich zu den Tatra-Bildern vorübergehend Motive der Ungarischen Tiefebene und die Sensibilität des Wiener poetischen Realismus / Stimmungsrealismus. Anfang der neunziger Jahre fällt in das Schaffen Mednyánszkys die Periode des Impressionismus. Mitte der neunziger Jahre greift er, nicht ganz unbeeinflusst von den tragischen Todesfällen in der Familie - 1887 stirbt

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