Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)
Csilla Markója: „Die Entfernung zwischen einem erhabenen und einem abscheulichen Gesicht". Über die außergewöhnliche Kunst des László Mednyánszky
László Mednyánszky: Waldbach, Öl auf Leinwand, 60 X 75 cm (Privatbesitz, Repr. Mü-Terem Galerie, Frühjahrsauktion 2001, Pos. 44) László Mednyánszky: Sumpflandschaft, Öl auf Leinwand, 46 X 60 cm (Privatbesitz, Repr. Mű-Terem Galerie, Winterauktion 2000, Pos. 116) in verschiedenen Jahres- und Tageszeiten darstellen wollte. Während jedoch Schindler an der erkennbaren Realität einer existierenden Landschaft festhielt, die er im Spiegel poetischer Stimmungen abbildete, macht sich bei Mednyánszky das Motiv allmählich selbständig und verliert die Beziehung zur konkreten Landschaft. Das Motiv ist ein formales Gebilde, das symbolische Inhalte trägt. Es erscheint nicht nur im Zusammenhang mit den Veränderungen durch Tages- und Jahreszeiten, sondern auch im Kontext der sich verändernden landschaftlichen Umgebung, und Mednyánszky probiert alle seine Malweisen daran aus (Abb. 4-5). Das Motiv selbst durchläuft eigene Metamorphosen, es verbreitert sich und geht schließlich in einer sumpfigen, flachen Landschaft verloren, oder ringsherum ragen plötzlich Berggipfel in den Himmel, und das Motiv nimmt die amorphen Umrisse eines Gebirgssees an (Abb. 6). Das Motiv ist nun kein Motiv mehr, sondern ein Bildtyp, ein Bildstrukturmodus, ein Kompositionsschema, das Mednyánszky ein Leben lang nach Belieben mit Farben, Licht, Stimmungen und verschiedenen Bedeutungen ausfüllt (Kat. 50, 147, 155, 158, 176, 178, 190, 191, 193). In derselben Weise malt Mednyánszky ein Einzelgehöft, mit stürmischem, frischem Frühlingshintergrund. Für die Annahme, dass es sich hier um zwei Bilder einer geplanten JahreszeitenFolge handelt, sprechen die gleichen Abmessungen der beiden Bilder (Kat. 167, 168). Auch in Szolnok folgt Mednyánszky österreichischen Vorbildern. In der von Pettenkofen begründeten Szolnoker Malerschule weilten Jettel und Tina Blau, zwei Namen, die in Mednyánszkys Tagebüchern häufig vorkommen. Tina Blau trifft er 1879/1880 in Italien, 26 und noch in der Kriegszeit denkt er respektvoll an die Künstlerin zurück: „Ich habe mich an den Isonzó versetzen lassen, das ist die einzige Möglichkeit, echten Krieg zu sehen. Gegen Mittag ging ich heute, die Bilder von Tina Blau ansehen. Wunderschöne Dinge, sie war eine große Künstlerin! Ich dachte an meine Jugendzeit, als ich all diese schönen Werke betrachtete. Sie sind in der damaligen Manier gehalten, erinnern in vieler Hinsicht auch an die Malweise von László Paál, Munkácsy und Schindler." 27 Den Sommer 1887 verbringt er mit dem Österreicher Bernatzik, der jedoch „das wilde Leben nicht lange aushält". 28 Seine wichtigsten Bildthemen in dieser Zeit sind dunkle, von Pantheismus durchdrungene Waldinterieurs, Holzfäller, auf der Brücke stehende Personen und Motive von Wegkreuzen, die zu dem sog. Thema Waldandacht gehören. (Letztere sind in der Ausstellung zu einer Gruppe zusammengefügt.) Von den Wiener Stimmungsmalern beeinflusst ihn vielleicht auch Robert Russ mit seiner virtuosen Technik der Oberflächenbehandlung. Der bedeutendste unter den Österreichern ist aber Emil Jakob Schindler, der Vater des „poetischen Realismus" und Begründer der Plankenberger Schule, der nicht nur bei der Vermittlung der Tradition der holländischen Malerei eine Rolle spielt, sondern auch durch seine Naturpoesie und seine malerische Auffassung, die es ihm ermöglicht, getönte, zarte, atmosphärische „Zwischen"-Stimmungen (Übergangszustände wie Nebel usw.) wiederzugeben, auf den Rembrandt-Schwärmer Mednyánszky von Einfluss ist. „Schöner und poetischer als der Mensch ist die Natur", äußert Schindler, und Mednyánszky bekennt in dieser Zeit: „Der Mensch ist hassenswert". Er malt Landschaftsbilder ohne die Staffagefigur des „großen Raubtiers". Wie Monet, denkt er in Bildfolgen, in Sequenzen, doch interessieren ihn nicht so sehr die Erscheinungen des einzelnen Gegenstandes im Wechsel der Lichtverhältnisse, als vielmehr das Synästhesieverfahren, durch das Stimmungen und Gefühle mit Landschaften und Jahreszeiten verbunden werden können. Auch Schindler beabsichtigt, alle Monate eines Jahres in einer jeweils anderen Stimmung zu malen. 29 In der zweiten Hälfte der 1880er Jahre geht Mednyánszky dann aber entschieden eigene Wege. Zu der Idee von den Bildfolgen gesellen sich nun kühne, verblüffende Gedanken: „Das so oft dargestellte Motiv der Heldenhaftigkeit ist heute nur möglich, wenn es mit irgendeinem krankhaften Zug verbunden ist. (Unbarmherzige Brutalität, die jedoch leicht in Geschmacklosigkeit ausarten kann.) Insgesamt können wir sagen, dass die Zeit der reinen Aktion und Darstellung vorbei und die Zeit des Symbolismus noch nicht gekommen ist. Bleibt die sadistisch gefärbte Aktion und Stimmung. Beide können die größte Wirkung haben, wenn wir sie geschickt in die Symbolik überleiten ... Nachdem Gedanken oft unmittelbar Gefühle wecken, können wir auch Gedanken und Gedankenfolgen malen." 30 Die Verwundeten- und Gefangenen-Thematik nach der ikonographischen Tradition des hl. Sebastian erscheint recht früh in Mednyánszkys Kunst. Der in der Slowakischen Nationalgalerie hängende lebensgroße Gefangene mit gefesselten Händen wird von den slowakischen Kunsthistorikern in die Zeit vor 1895 datiert. Es sind aber auch schon um 1877 Bilder von verletzten Fischern, zu Boden gestürzten und knienden Gefangenen entstanden. Der Gefangene, der Märtyrer, der Verwundete, die Gewalttat, die Lynchjustiz und der Raubüberfall (Kat. 204), mit einem Wort, Themen des Masochismus, Sadismus und gewaltsamen Todes begleiteten ihn ein Leben lang. Wenn er suchte, was ihn bannen könnte, so hat er darin „den Stein des Weisen" gefunden. Angefangen von der Totengestalt seiner allegorisch-symbolistischen (von Jan Abelovsky treffend als „makabristisch" bezeichneten) Bilder, den marmorierten rostfarbenen Landschaften der Jahrhundertwende, die an merkwürdige tierische Innereien erinnern (Kat. 156), den rosa-blutfarbenen Höhlen (Kat. 101), den feurig blickenden Raubtieren, den triumphierenden oder erniedrigten Verbannten und der 1897 ausgestellten Gauner-