Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)
Das Leben und die Kunst von László Mednyánszky, mit besonderer Rücksicht auf die Periode vor - Orsolya Hessky: Zeichnen muss man können. Über die Münchner Studien und Zeichnungen von László Mednyánszky
- da karierten oder linierten - Blätter zeugen von seiner riesigen Routine und Sicherheit sowohl in der figuralen Darstellung, als auch bei Landschaftsansichten. Seine ausgereifte Zeichenfertigkeit zeigt sich in den figürlichen Kompositionen durch die ausgewogene Verbindung von Körperhaltung und emotionellem, inhaltlichem Moment, und bei den Landschaftsbildern durch die intensive Darlegung des Gesehenen bzw. durch die kaum veränderte Übertragung dieser grundlegenden Stimmung ins Bild. Auch die räumliche Abwicklung - „Wanderung" - der auf den Blättern der Skizzenbücher erhalten gebliebenen, oft nur mit wenigen Linien dargestellten Motive kann eingehend beobachtet werden. Eines seiner kraftvollsten Wandermotive ist die positive bzw. negative Gestaltung der Lynch-Thematik, 35 bzw. die sein Erlebnis von 1878 aufarbeitende Komposition Über dem Grab (Kat. 11) und deren Varianten. 36 Wichtig ist auch das Motiv des verwundeten Fischers, das ihn jahrzehntelang beschäftigt hat, und das um 1890, nach dem Tod seines Vaters zum Motiv der sterbenden Figur mutierte. Wir könnten die Reihe fortsetzen, doch können wir hier nicht alle Typen erwähnen. „Ich werde die Studien mein Leben lang benutzen" - schrieb Mednyánszky in seinem Tagebuch. 37 Die unendlich oft gezeichneten Landschaftsfragmente, die auf zwei nebeneinander liegenden Seiten in 8-10 kleine Rahmen gefasst nebeneinander stehen, sind die Stationen eines bewussten Arbeitsprozesses: „Die entschieden sachliche Fragmentstudie ist bis zum perfekten Ergebnis fortzusetzen". 38 Die Wiederholungen können unendlich oft sein, um das perfekte Ergebnis zu erreichen. Gleichzeitig - dank der vielen Wiederholungen - gelangte er in seinen Zeichnungen in der figuralen wie in der Landschaftsdarstellung zu einem gewissen Grad der Abstraktion, wie an den mit expressiven, beinahe hysterischen Linien skizzierten Motivgruppen zu sehen ist. In seinen Skizzenbüchern ist ein Motiv zu finden, worüber er auch in seinem Tagebuch geschrieben hat, und das eines der anschaulichsten Zeichnungen zur Folge hatte: es handelt sich dabei um die Schiffszeichnungen seiner wahrscheinlich 1901 erfolgten Reise nach Fiume im damaligen Italien (heute Rijeka, Kroatien). Der Anblick ist sehr dankbar, malerisch, gleichzeitig „graphisch": auf den Zeichnungen sind die Konturen, die hohen Masten, die kreuz und quer verlaufenden Taue und die vielen kleinen Details der einzelnen Schiffe zu sehen, außerdem die Wasseroberfläche und der Sonnenschein. Auf Mednyánszky wirkten jedoch nicht nur solche oberflächlichen Eindrücke: ihn interessierte ebenso die rohe Kraft der Schiffsleute, der Hafenarbeiter, ihr Alltag und ihr Ausgeliefertsein, wodurch sie auf der gleichen Stufe wie seine Clochards rangieren. „Die Leute am Ufer sind brutal, voller Kraft und Energie. Sie strahlen Gutmütigkeit aus, sind schwer zugänglich, aber wenn sie einmal auf Verständnis stoßen, sind sie schon unsere Freunde. [...] Die Schiffsleute sind ein eigenartiger Menschenschlag. Sie leben im ständigen Zustand der kindlichen Naivität. Sobald sie das Ufer verlassen, vergessen sie alles, was sie ans Festland band. Der zurückgelegte Weg ist nicht zu sehen, und sie beginnen jeden Tag neu das Leben. Mit diesen Seelöwen ist keine ständige Beziehung vorstellbar. Für sie existieren Gestern und Morgen nicht. Sie leben nur für die Gegenwart. Das poetische Gemüt dieser Menschen ist völlig neu für mich, eine seltsame, interessante Welt." 39 Von seinen Zeichnungen - außer denen in den Skizzenbüchern - gibt es wenige, die als eigenständige Werke betrachtet werden können: für den Künstler war das Ölbild die Hauptsache, die einzige authentische Äußerungsform. Die Zeichnung diente lediglich diesem höheren Zweck. Nur von seinen Vagabundenbildern kann gesagt werden, dass sie als beinahe ausgereifte Werke die Aussage der Ölbilder in sich tragen. Seine mit Kohle, Deckfarbe, Pastellfarben und Tempera gemalten oder gezeichneten Clochards sind dramatische Porträts, die mit ihren besonderen technischen Lösungen auffallen. Bei seinem Pastellbild Bauernbursche mit gelbem Hut (Kat. 362) wird die Wirkung neben der durch die Technik vorgegebenen Sanftheit und Feinheit durch den kühnen Gebrauch der Farben gesteigert. Bei dem Bild Vagabund mit roter Blume auf dem Hut (Kat. 391) erweckt das zwischen den Linien - also aus der Nacht - auftauchende Porträt wegen der fehlenden Konturen einen unheimlichen Eindruck; Mednyánszky hatte bei mehreren seiner Porträts die fehlenden Konturen als primäres technisches Mittel eingesetzt. Die durch die Verwendung von Kohle geschaffene unsichere Stimmung wird durch das zur Hervorhebung der Gesichtsform verwendete Deckweiß ausgeglichen. Wahrscheinlich hat sich Mednyánszky selbst keine Gedanken über die symbolischen Deutungsmöglichkeiten der in der Dunkelheit fast unsichtbaren roten Blume gemacht. Eine ähnliche Dramatik wie seine Porträts verbreiten auch seine Zeichnungen mit Kriegsthemata. Für den Maler waren alle Momente des Krieges interessant, Schlachtszenen finden wir jedoch selten bei ihm. Die Aktionen, der Kampf haben ihn weniger interessiert, eher die Stille vor der Schlacht, die auf manchen seiner Bilder geradezu greifbar ist, die in den Schießgräben und Bunkern wartenden Soldaten, oder auch nur die stille Landschaft mit den Requisiten des Krieges, bzw. die „Landschaft nach der Schlacht" 40 : das Sterben, das Ende. Seine Bleistiftszeichnungen, die Leichen und gefallene Soldaten zeigen, sind genauso ergreifend und ausdrucksstark wie seine Ölbilder. Absolut keine pittoresken Mittel, ein paar Linien nur, und all das, was diese Linien darstellen - Mednyánszky wusste mit Sicherheit genau, welchen Eindruck des Grauens seine Zeichnungen bei den Betrachtern erwecken mussten. Und doch zeichnete er weiter Bilder von toten, von der Verwesung befallenen Körpern. Eine andere Gruppe der Kriegszeichnungen bilden diejenigen, mit einzigartigem Instinkt ausge5 Aus dem Skizzenheft von Mednyánszky. Papier, gemischte Technik (SNG, Inv.-Nr. K 12096) 6 Aus dem Skizzenheft von Mednyánszky. Papier, gemischte Technik (SNG, Inv.-Nr. K 12096)